Wer im Archiv der Kreisverwaltung in Bergheim auftaucht, wird vom Besucher zum "Benutzer" und als solcher registriert. Deshalb kann Herbert Berger auch genau sehen, dass im vergangenen Jahr 270 Besucher als "Benutzer" bei ihm Platz nahmen, die meisten für ein paar Stunden oder einen Tag, eine junge Frau, die an ihrer Diplomarbeit schrieb, für drei Wochen.
Berger sitzt im Keller des Kreishauses. Alles hat seine Ordnung, alles seine Ordnungsnummer, alle Lebensbereiche sind erfasst. Auch der Zweite Weltkrieg, dessen Ende auch den Untergang des Tausendjährigen Reiches des Führers Adolf Hitler bedeutete – nach zwölf Jahren. Von 1939 bis 1945 herrschte Krieg: Deutschland gegen 60 Länder aus allen Erdteilen.
Immer bei runden Jahreszahlen – 40 Jahre nach dem Kriegsende, 50, 60 Jahre danach – wächst die Zahl der Besucher im Kreisarchiv, die sich Klarheit verschaffen oder persönliche Erinnerungen auffrischen wollen. Mal geht es um die Reichspogromnacht (November 1938), häufig um den Luftkrieg und Luftbilder, um Schanzarbeiten der Hitlerjugend 1944 in der Eifel oder um Informationen über Häftlingsentschädigungen.
Auch in den nächsten Wochen – 60 Jahre ist das Kriegsende jetzt her – erwarten die Leiterin des Archivs, Gabriele Scholz, und ihre Mitarbeiter wieder mehr "Betrieb". Verdienstvoll muss man das Engagement des Kreisarchivs von 1998 nennen, als für die Schüler des Kreises ein Wettbewerb zum Thema Reichspogromnacht ausgeschrieben wurde. Partner des Kreises waren die Geschichtsvereine Bedburg und Bergheim. Als Ergebnis konnte schließlich eine Broschüre vorgelegt werden, die viele Details enthält und den Lesern Einblicke in den scheußlichen Überfall der Nazis auf jüdische Geschäfte am 9. September 1938 gewährt.
Das Dritte Reich, darauf macht Scholz, aufmerksam, ist häufig Thema von Senioren, die für die Buchreihe "Erlebte Vergangenheit" Beiträge geliefert haben. Seit dem Start in den 90er Jahren sind neun Bände erschienen. Wer die hier und da in den Kommunen erscheinenden Seniorenkuriere liest, stößt auf bekannte Namen unter den Buchautoren. Sie erzählen gern etwas aus den erlebnisreichen Jahrzehnten ihres langen Lebens und hoffen, dass nicht alles untergeht und in Vergessenheit gerät.
Wer Glück hat im Kreisarchiv, darf einen Blick in den "Giftschrank" werfen. Aus den literarischen Schätzen dieses gesicherten Schranks ragt, in dickes Leder eingebunden und mit Schloss versehen, ein stattlicher Wälzer heraus: "Die Bibel", ein ebenso prachtvolles wie teures Stück, Jahrgang 1600. Schade eigentlich nur, dass dieses Archiv nicht noch mehr lokales Textmaterial über das Dritte Reich vorweist, das den jüngeren Jahrgängen erklären könnte, was damals passiert ist und warum.
Quelle: Willy Kreitz, Kölner Stadt-Anzeiger, 10.2.2005