In dem heftigen Streit um die Benennung der Nauroder Grundschule nach dem nassauischen Heimatdichter Rudolf Dietz (siehe den ausführlichen Bericht vom 5.12.2003) übergab Professor Dr. Peter Steinbach (Uni Karlsruhe) jetzt ein 33-seitiges Gutachten an Wiesbadens Oberbürgermeister Diehl und stellte es der interessierten Öffentlichkeit vor. Quintessenz aus der Beschäftigung mit dem ihm zur Verfügung stehenden Teil des Dietz-Nachlasses: Heute würde er eine Schule nicht mehr nach Rudolf Dietz benennen.
Die Schule ist allerdings bereits 1958 nach dem Mundart-Poeten benannt worden, den Steinbach in Bezug auf die NS-Zeit als \“typischen Angepassten" charakterisierte. Die Benennung der Nauroder Schule sei eine Chance, die Auseinandersetzung um Dietz zu nutzen, die Restauration, vor allem aber die Rolle der Anpasser im Dritten Reich zu beleuchten. Wenn man Dietz in seine Zeit stelle, verliere er viel an Dramatik: \“Er verarbeitet die Witze seiner Zeit und tappt in die Falle, bei seiner Zuhörerschaft damit Anklang zu finden.\“ Dietz sei ein Anti-Republikaner, und seine Ausrutscher wie ein Hitler verherrlichendes Gedicht von 1936 seien schlimm gewesen, so Steinbach. Aber die Frage, ob er aktiv mit der NS-Völkermordpolitik in Zusammenhang zu bringen ist, habe er zu verneinen.
Zwei kritisierte Gutachten des Wiesbadener Stadtarchivs vergleicht der Karlsruher Wissenschaftler mit staatsanwaltlichen Plädoyers, sieht sie in der Pro-und-Contra-Debatte als Partei-Argumentation. "Aufgabe des Stadtarchivs wäre es gewesen, Gründe und Einwände zu prüfen, nicht aber selektiv belastende Stellen zusammenzutragen." Was den Verbleib der Tagebücher von Rudolf Dietz angehe, die nach Steinbachs Ansicht eindeutig ins Stadtarchiv gehörten, habe er die Auskunft bekommen, dass das Familienmitglied, das im Besitz der womöglich brisanten Unterlagen ist, diese "im Augenblick verlegt" habe.
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Quelle: Heinz-Jürgen Hauzel, Wiesbadener Tagblatt, 21.12.2004; Christian Albers, Wiesbadener Tagblatt, 21.12.2004