Quellen zur badischen Landeskirche im Dritten Reich

Nach den in den Jahren 1991 bis 2003 erschienenen umfangreichen Dokumentenbänden I-IV zur Geschichte der badischen evangelischen Landeskirche während des Dritten Reiches konnte nunmehr mit Band V (1933-1945) der letzte Dokumentenband dieser Quellensammlung vorgelegt werden (2005 soll noch ein abschließender Generalregisterband folgen).

Dieser von mehreren Autorinnen und Autoren aus der Fachkommission des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden bearbeitete Band unterscheidet sich – ebenso wie sein vor Jahresfrist veröffentlichter Vorläufer – in seiner Herangehensweise von den älteren Bänden der Quellensammlung: Es sollte hierin weniger um (staats-)kirchenrechtliche Auseinandersetzungen und institutionelle Fragen gehen, sondern vielmehr konkretes Verhalten der Kirchenleitung und der Pfarrerschaft sowie kirchlicher Einrichtungen und Einzelpersonen in der Gemeinden der Landeskirche in den Blick genommen werden.

Der vor allem aus den Archivalien des Landeskirchlichen Archivs Karlsruhe, hiesigen Staats-, Anstalts- und Gemeindearchiven sowie aus zeitgenössischen Periodica bestückte Dokumentenband beinhaltet auf mehr als vierhundert Druckseiten rund 300 Quellen zu folgenden, wiederum mehrfach untergliederten Oberthemen: 1. Das Verhalten in der Landeskirche angesichts von Eugenik-Gesetzgebung und Euthanasie-Aktionen, 2. Die Innere Mission in Baden während des Krieges, 3. Widerständiges Verhalten in der Landeskirche, 4. Der Einfluss des Krieges auf die Arbeit in der Landeskirche, 5. Der Neuanfang in der Landeskirche nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, Juni 1945 bis Februar 1946.

Bei dem ältesten Dokument dieses Bandes handelt es sich um die bereits publizierte Treysaer Resolution des Central-Ausschusses für Innere Mission (IM) vom 20. Mai 1931, in der die evangelische „Fachkonferenz für Eugenik“ in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise programmatisch die IM-Position für eine „differenzierte Fürsorge“ und gegen die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ formulierte. Zwar fordere die ärztliche Ethik unbedingte Hilfsbereitschaft, doch sollten erhebliche Aufwändungen nur für solche Gruppen Fürsorgebedürftiger gemacht werden, „die voraussichtlich ihre volle Leistungsfähigkeit wieder erlangen“.

Bei dem jüngsten Dokument der Quellensammlung handelt es sich – abgesehen von Inschriften auf Gedenksteinen, an Mahnmalen und Gedenkstätten – um ein Solidaritätsschreiben von Landesbischof D. Julius Bender (1946-1964) an den zeitweilig wegen vermeintlicher „Tötung von geisteskranken Kindern im Unterschwarzacher Hof bei Mosbach“ angeklagten Pfarrer und ehemaligen Anstaltsleiter Robert Wilckens vom 14. Juli 1948. Als im Sommer 1940 auch aus der kirchlichen Anstalt Mosbach Transporte von Heimbewohnern in staatliche Vernichtungsanstalten im Rahmen der sog. „Aktion T4“ durchgeführt wurden, habe Wilckens jedoch um die „Erhaltung Ihrer Pfleglinge gerungen“, so Landesbischof Bender 1948. – 1951 wurde Wilckens die Wichernplakette des Central-Ausschusses für IM für wertvolle Dienste in der Diakonie verliehen.

Die beiden vorgestellten Quellen, die mit der Euthanasie nur eines der im Buch angesprochenen Themenfelder berühren, verweisen gleichwohl auf ein allgemeines Dilemma kirchlicher Existenz im Nationalsozialismus: Die badische Kirchenleitung nahm die Entwicklungen im Kontext der „Endlösung der Sozialen Frage“ zwar am Rande wahr, bezog aber keine Stellung. Die Innere Mission reagierte, als auch kirchliche Anstalten vom Massenmord an Heimbewohnern betroffen waren, auf verschiedene Weise. Es gab verwaltungsinterne Proteste wie auch eine widerstrebende Beteiligung an den Todestransporten. Äußerungen aus der Nachkriegszeit machen deutlich, so formuliert es Hans-Werner Scheuing in dem von ihm verantworteten Abschnitt des Dokumentenbandes, dass die Innere Mission in der NS-Zeit in erster Linie für den Erhalt ihrer Einrichtungen gekämpft habe. So hätten dann die kirchlichen Einrichtungen das Dritte Reich „überlebt“, während ein großer Teil ihrer Bewohner sterben musste.

Info:
Die Evangelische Landeskirche in Baden im Dritten Reich. Quellen zu ihrer Geschichte,
im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats Karlsruhe gemeinsam mit einer Fachkommission herausgegeben von Gerhard Schwinge,
Band V: 1933-1945/46, Veröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden, Bd. 61,
PV Medien Verlag Karlsruhe 2004, ISBN 3-87210-916-2

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