Während der NS-Herrschaft wurden erwiesenermaßen mehr als 200 Absolventen der Universität Wien ihre akademischen Titel aus so genannten „rassischen“, politischen bzw. aus damaliger Sicht strafrechtlichen Gründen aberkannt. Vielen davon wurden nach 1945 die Doktorate wieder verliehen. Doch kürzlich ist bei Recherchen im Universitätsarchiv eine bisher unbekannte Liste mit weiteren 32 Fällen aufgetaucht, unter ihnen Betroffene wie Stefan Zweig und Bruno Bettelheim. In einer Gedenkveranstaltung am 31. März will die Uni Wien diese Aberkennung des akademischen Grades für nichtig erklären.
Gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden gesetzliche Grundlagen für die Wiederverleihung „zu Unrecht aberkannter Doktorate“ geschaffen. Bis auf wenige positiv erledigte Einzelanträge passierte aber vorerst einmal nichts. Erst zehn Jahre später, also 1955, beschloss der Senat der Uni Wien die Wiederverleihung der zu Unrecht aberkannten Titel für insgesamt 181 Personen.
Doch es gab mehr Fälle von Aberkennungen, die bei dieser Wiederverleihung nicht berücksichtigt wurden, wie eine im Jahr 2002 bei Recherchen im Universitätsarchiv entdeckte Liste aus dem Juni 1941 mit weiteren 32 Namen belegt. Darunter finden sich prominente vertriebene Absolventen der Universität Wien wie der Schriftsteller Stefan Zweig und der Kinderpsychologe und Psychoanalytiker Bruno Bettelheim (beide Dr. phil.), Alfons Rothschild oder der Jurist und Historiker Albert Fuchs, wie der Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte, Friedrich Stadler, der APA erklärt.
Der Senat der Uni Wien hat am 10. April 2003 beschlossen, „generell sämtliche Aberkennungen von akademischen Graden durch die Universität Wien aus politischen Gründen zur Zeit des Nationalsozialismus für nichtig zu erklären und einen entsprechenden Vermerk in den Promotionsprotokollen der Universität Wien vorzunehmen“. Damit solle „die akademische Ehre all jener AkademikerInnen – auch stellvertretend für noch nicht rehabilitierte Personen – wiederhergestellt werden“, die im Aufhebungsbeschluss von 1941 genannt seien. Stadler geht davon aus, dass niemand von den 32 Personen mehr lebt, es könne also kein Recht mehr zugesprochen werden, es sei ein „posthumer Akt der Zuerkennung von verlorener Würde“. Der Zeithistoriker schließt nicht aus, dass weitere Listen bzw. Namen auftauchen, „jene mit den 32 Namen war ja auch ein Zufallsfund, ausgelöst durch eine Anfrage im Zusammenhang mit Stefan Zweig“.
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Quelle: Wiener Zeitung, 22.3.2004