Wieder Zugang zu den Kirchenbüchern im STA Bern

Das Seilziehen um eine Sparmassnahme im bernischen Staatsarchiv nimmt immer groteskere Züge an: Seit Anfang Jahr wäre eigentlich für die meisten Familienforscher Schluss mit Durchstöbern von auf Mikrofilm gespeicherten Kirchenbüchern. Weil im Staatsarchiv eine Stelle nicht mehr neu besetzt werden sollte, regelte der Regierungsrat im letzten August den Zugang zu den historischen Dokumenten neu: Damit hätte künftig eine Person pro Jahr nur noch an drei Tagen Kirchenbücher einsehen dürfen – wobei die drei Tage erst noch auf drei verschiedene Wochen hätten verteilt werden müssen. Die Begründung des Regierungsrates: «übermässige Beanspruchung von einigen wenigen Personen». Die neue Besucherregelung wurde Anfang Januar zwar theoretisch eingeführt – und still und leise wieder außer Kraft gesetzt.

Im Kreis der Forscher machte die neu-alte Regelung schnell die Runde: Jetzt sitzen sie wieder an den Lesegeräten, als wäre nichts passiert. Die Genealogisch-Heraldische Gesellschaft Bern (GHGB), die sich stets gegen die neue Regelung wehrte, argumentierte jeweils, dass die Forschung in den Kirchenbüchern auch mit weniger Staatsarchivpersonal möglich wäre. Denn eine stattliche Zahl von Familienforschern verbringen im Staatsarchiv zwar Tage und Wochen und benützen dort die Lesegeräte und andere Infrastruktur, sind aber kaum auf die Hilfe des Personals angewiesen. Sie boten während der Diskussion um eine neue Benutzerregelung auch an, mit Frondiensten das Staatsarchiv zu entlasten.

Staatsarchivar Peter Martig will sich zur Zugangsregelung bei den Kirchenbüchern nicht äussern, bestätigt aber, dass zurzeit wieder «alles beim Alten» ist. Der Grund für die Kehrtwendung im Staatsarchiv liegt in einer Beschwerde, die der Familienforscher Hans Haldemann aus Boll gegen die eingeschränkte Einsichtnahme einreichte. Der Beschwerde wurde die so genannt «aufschiebende Wirkung» gewährt, sprich: Die neue Zugangsregelung im Staatsarchiv wurde auf Eis gelegt. Inzwischen haben drei Grossräte im kantonalen Parlament nachgedoppelt und als Vertreter der SVP, FDP und GFL eine überparteiliche Eingabe deponiert. Ihre Forderung: Das neue Reglement sei «ausser Kraft» zu setzen. Diese für dringlich erklärte Motion wiederum hatte zur Folge, dass die Beschwerde zwar beim Verwaltungsgericht zur Bearbeitung hängig ist, aber vorläufig nicht behandelt wird. Zuerst wird in der kommenden Aprilsession der Grosse Rat über die Forderungen von Thomas Heuberger (GFL), Lorenz Hess (SVP) und Robert Sutter (FDP) beraten. Und die drei Grossräte sparen nicht mit Kritik: Sie erinnern den Regierungsrat daran, dass dieser noch vor wenigen Jahren sage und schreibe 400.000 Franken investierte, um die Kirchenbücher auf Mikrofilm zu bannen. Damit, so das Ziel, sollten die Einsichtnahme erleichtert und die Originaldokumente geschont werden.

Harte Worte muss sich der Regierungsrat von den drei Parlamentariern auch in anderem Zusammenhang gefallen lassen: Die Genealogisch-Heraldische Gesellschaft habe im Rahmen des Sparprogramms «von Anfang an Hand geboten», um eine Lösung zu finden. Doch: «Sämtliche Angebote wurden von Staatsarchiv und Staatskanzlei abgelehnt.» Und: «Echte Einsparungen wären im Bereich Wappensammlung oder mit einer besseren Organisation möglich.» Bei der GHGB verfolgt man nach den Wirren um die neue Zugangsregelung die Entwicklung mit Argusaugen. So ist den Familienforschern auch nicht entgangen, dass ihnen bereits neues Ungemach droht: Auf der Internetseite des Verbands moniert die GHGB, dass die Gebühren zur Einsichtnahme in Zivilstandsbücher «unverständlicherweise drastisch angehoben» wurden. Mehrere Mitglieder seien bereits beim Preisüberwacher vorstellig geworden, heisst es weiter.

Aufgebracht sind die Familienforscher, weil die Gebühr für eine befristete Bewilligung zur Einsicht in die Zivilstandsregister bis Ende 2003 nur gerade 50 Franken kostete. Neu blättert bereits 120 Franken hin, wer ein halbes Jahr die Bücher einsehen will – und 200 Franken für ein ganzes Jahr. Die GHGB spricht von «Abriss» und glaubt, die Gebührenerhöhung habe zum Ziel, die Forscher «abzublocken», die nun im Staatsarchiv keinen Zugang mehr hätten.

Kontakt:
Staatsarchiv Bern
Falkenplatz 4
CH-3012 Bern
Tel. ++41 31 633 51 01
Fax ++41 31 633 51 02
info.stab@sta.be.ch

Quelle: Otto Hostettler, Bieler Tagblatt, 17.3.2004

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.