In den Magazinen des Braunschweiger Stadtarchivs lagern 1,5 Kilometer Akten, fast 10.000 Urkunden und nicht zuletzt die Nachlässe bedeutender Braunschweiger wie Carl Friedrich Gauß, Friedrich Gerstäcker und Wilhelm Raabe. Hinzu kommen u.a. ein ab 1745 lückenlos vorhandener Zeitungsbestand und eine der größten Theaterzettelsammlungen Deutschlands. Das Stadtarchiv platzt aus den Nähten und hat vor allem ernsthafte Probleme, die kostbaren Dokumente zu erhalten.
„Wir haben massive Probleme mit der jetzigen Unterbringung, in einem Schulbau, der eigentlich für Kulturgüter dieser Qualität gar nicht nutzbar ist“, sagt Dr. Bettina Schmidt-Czaia, die Leiterin des Archivs. Zum einen seien es die klimatischen Verhältnisse: Eine Langzeitmessung (Februar bis August 2003) habe gezeigt: Die Spitzenwerte lagen über 30 Grad Celsius in den Magazintrakten im 2. und 3. Obergeschoss. Und auch die relative Luftfeuchtigkeit habe unter 40 Prozent gelegen. Zum Vergleich die Sollwerte: 50 Prozent Luftfeuchtigkeit und 16, maximal 20 Grad Celsius Raumtemperatur. Schmidt-Czaia: „Unter den jetzigen Bedingungen sind Schäden am Archivgut nicht auszuschließen und auch bereits teilweise eingetreten.“
Wachssiegel seien ausgetrocknet, Pergamente und Papiere brüchig geworden. „Vor allem das Papier altert durch Hitze und Trockenheit viel schneller.“ Die vorhandene Klimakammer, 30 Quadratmeter groß, reiche bei weitem nicht aus. Zudem sei das Archiv „eigentlich bis obenhin proppevoll“, habe überhaupt keinen Platz mehr. Wie die Braunschweiger Zeitung erfuhr, lagern im Rathaus derzeit behelfsweise 1.060 Quadratmeter noch unbewertetes Schriftgut, das in Teilen zu übernehmen sei.
Das Archivgesetz schreibt vor: 5 Prozent des Schriftgutes der laufenden Verwaltung ist für die Nachwelt zu archivieren. Die Auswahl obliegt der Einschätzung der Archivare, die zu entscheiden haben, was Braunschweigs Bürger in 500 Jahren etwa über derzeitige Verwaltungsarbeit wissen müssen und was nicht.
Aber nicht nur die Magazine, auch die Benutzerräume entsprächen bei weitem nicht den Vorschriften, erklärt Schmidt-Czaia. Repräsentativ, hell, licht, frei von Störgeräuschen sollte der Benutzersaal sein – nicht so in Braunschweig. Das weiß auch Michael Knobbe, Leiter des städtischen Fachbereichs 65. Die 1981/82 erbaute Schule biete all das nicht. Etwa 1,1 Millionen Euro, heißt es, seien erforderlich, um das Stadtarchiv nachzurüsten. Das Geld, meint man, könne man sparen. Der Plan: Sollte das ECE-Center auf dem jetzigen Schlossparkgelände gebaut werden, wäre der vordere Portalbereich optimal geeignet als neues Quartier. Und in das jetzige Stadtarchiv könnte die nach der Schulreform aus ihren Nähten platzende Gaußschule einziehen. Knobbe: „Die drei Etagen bieten Platz für 12 Klassen.“
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Quelle: Norbert Jonscher, Newsclick.de, 16.3.2004