Ausstellung zu Ludwig Hohl im Literaturarchiv in Bern

Nicht in der Mitte wurzelt die Kraft zur Erneuerung, sondern es wird zuerst «ein Neues gesehen in den Randbezirken, an den zerfasernden Orten der Nebenerscheinungen». Ludwig Hohl hat eine Philosophie der «hereinbrechenden Ränder» skizziert, und er selbst ist einer der wichtigsten Randgänger der Schweiz geblieben. Leben und Werk des 1904 im glarnerischen Netstal geborenen Pfarrerssohns strahlten auf Schriftsteller wie Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Peter Bichsel, Adolf Muschg, Jürg Federspiel oder Christoph Geiser aus. Es war der zerklüftete Monolith der «Notizen», der mit seinem spröden Glanz die nach Genf pilgernden Jünger verführte, aber auch der Mann selbst, welcher kompromiss- und rückhaltlos die Existenz des Künstlers lebte.

Radikal verpflichtete Hohl seine Existenz der Arbeit, sprach sogar vom «Mysterium der Arbeit» und waltete als Handwerker und Archivar seiner Texte. So hat das Schweizerische Literaturarchiv (SLA) seine Ausstellung zu Hohls 100. Geburtstag am 9. April unter die Überschrift «Alles ist Werk» gestellt (Pressemappe). Der umfangreiche Nachlass im SLA bildet den Fundus für diese Schau, die nichts anderes als die Schreib- und Denkwerkstatt des Autors vorführen will. Aber daraus erwächst mehr: ein théâtre de l'écriture mit all seinen Obsessionen, den stummen und verbissenen Kämpfen, dem Entwerfen und Verwerfen. Daher werden die Exponate auch nicht in Vitrinen eingezwängt, sondern sie gruppieren sich fortlaufend und lassen so die Werkgenese anschaulich werden: angefangen beim Jugendtagebuch (1921/22) eines Suchenden und Erwachenden, dem «dezimierten» Gedichtband (1925) und den «Epischen Grundschriften» (1926-34), die den Kern des späteren Werks bilden. Gleichzeitig geht die Tür zu den Ereignissen des Alltags auf, die von 1921 bis ins Todesjahr 1980 akribisch in Agenden notiert werden.

Info:
Schweizerisches Literaturarchiv, Bern. Bis 15. Mai. Begleitband: Ludwig Hohl, «Alles ist Werk», hrsg. von Peter Erismann, Rudolf Probst und Hugo Sarbach. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2004. 300 S., Fr. 42.80.
 
Quelle: Beatrice Eichmann-Leutenegger, NZZ, 13.3.2004

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