Seit einem Jahr arbeitet Gertraud Hommel beim Wittenberger „Pflug“ e. V. Dort sortiert sie mit einer Kollegin im Schein kalten Neonlichts das, was andere Leute aus ihren Häusern und Wohnungen verbannt haben. Weil sie es nicht mehr haben wollen. Vor allem aber, weil sie ihren Nachlass bei „Pflug“ gut aufgehoben wissen. Und tatsächlich eröffnet sich dem Besucher eine beeindruckende, womöglich sogar einmalige Sammlung alltagsgeschichtlicher Gegenstände. Die stammen überwiegend aus der DDR, aber nicht nur. Hinter Schranktüren, in Kisten und Kartons sowie in meterhohen Regalen finden sich Alltagsgegenstände des 20. Jahrhunderts. Zentnerweise Bekleidung, frisch gereinigt und gebügelt. Küchengerätschaften, ohne Ende. Kinderspielzeug, Schallplattensammlungen, komplette Tafelservices und wertvolle Einzelstücke. Radios, Telefone, Bücher, Mobiliar verschiedenster Epochen und so weiter, und so weiter. Körbeweise Ewigkeit offenbaren sich beim Blick in diese verwinkelten Magazine.
Dafür, dass dort nicht einfach gehortet und verwahrt, sondern alles wissenschaftlich korrekt erfasst wird, sorgt Christel Panzig. Die promovierte Historikerin, die den Verein „Pflug“ vor gut zehn Jahren aus der Taufe hob, kann inzwischen auf diverse digitale Archive verweisen. Mit Zettelwirtschaft gibt sie sich nicht ab. Ihre diesbezügliche Professionalität weiß man auch andernorts zu schätzen und lobt die „methodisch-fundierte historisch-anthropologische“ Forschungsarbeit. Der Rückhalt jedenfalls, erzählt Christel Panzig, sei groß, soweit es Wissenschaftskollegen betrifft – in den neuen wie in den alten Bundesländern gleichermaßen.
Vor Ort hielt sich die Zustimmung lange in Grenzen. Vor allem dem vom Verein betriebenen „Haus der Geschichte“ eilte der Ruf voraus, nicht mehr als eine nostalgische Kultstätte für die untergegangene DDR zu sein. Heute findet Christel Panzig: „Wir konnten das uns entgegengebrachte Misstrauen peu à peu abbauen.“ Als Indiz für die gestiegene Akzeptanz wertet die Historikerin nicht nur Kooperationen mit renommierten Einrichtungen wie etwa dem Haus der Geschichte in Bonn. Auch die Besucherzahlen sprächen für sich: „Im vergangenen Jahr waren es 24.000.“ Davon dürften Gertraud Hommel und ihre Kolleginnen nicht viel mitbekommen haben. Sie tummeln sich draußen in den Katakomben und bereiten bienenfleißig auf, was andere Leute nicht mehr haben wollen.
Am 13. März öffnet der Verein seinen Fundus für Besucher. Ab 10 Uhr führen Mitarbeiter durch die Sammlungen.
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Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 5.3.2004