Die so genannte Wallraffsche Kartei im Kreisarchiv Saarlouis (Zentrum für Familienforschung) gewährt nicht nur Einblicke in die Geschichte des Kreises Saarlouis, sie ist vor allem eine wertvolle Quellensammlung für demografische und soziografische Forschungen. Genealogen aus der ganzen Welt nutzen sie, über 1.000 pro Jahr, bisher gut 30.000, um nach Vorfahren zu forschen. Sie ist nach Studienprofessor Dr. Wilhelm Joseph Wallraff (1865-1949) benannt, der 1928 als Lehrer für Latein und Griechisch ans humanistische Gymnasium nach Saarlouis kam. Er wertete alle verfügbaren Standesamtsregister und Kirchenbücher aus, notierte auf Blättern aus DIN-A-5-Schulheften nach Ortschaften gegliedert Angaben zur Bevölkerung des ganzen Kreises Saarlouis mit Ausnahme des Raumes Lebach-Schmelz für die Zeit vom 17. bis 19. Jahrhundert. So entstanden von 1928 bis 1949 mit immensem Fleiß rund 40.000 Blätter in 16 großen, offenen Kästen.
1963 kaufte der Landreis die Kartei von der Familie an, begann sie zu sichern. Nun konnte die 1983 begonnene Neuerfassung der Kartei abgeschlossen werden. Eigentlich sollte diese Arbeit innerhalb von drei Jahren beendet sein. Sie dauerte länger – geht sogar noch weiter. Landrat Peter Winter stellte als „Endprodukt“ 75 große blaue Bände vor, in denen die Wallraffsche Kartei nun gut lesbar vorliegt.
Von 1983 bis 2000 arbeiteten 25 Männer und Frauen an der Kartei, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt wurden. Der Umgang mit der Kartei ist seinerseits interessant, spiegelt Zeitgeschichte wider. Zu Lebzeiten Wallraffs bekam seine Kartei ungewollt Bedeutung: Auf Grund der „Nürnberger Gesetze“ von 1935 mussten Angehörige des öffentlichen Dienstes und aktive Soldaten einen so genannten „Arier-Nachweis“ erbringen. In der Wallraffschen Kartei sind die religiösen Bekenntnisse vermerkt. Heute nutzen vor allem Genealogen, Familien- und Heimatforscher, diesen Schatz als Hilfsmittel für ihre Ermittlungen.
Die Blätter der Kartei litten unter der Benutzung, vergilbten. Die Schrift verblasste. Dazu kamen Kriegseinwirkungen. Und es wurden Blätter schlechterdings geklaut. 1976 entschloss sich Landrat August Riotte, die Kartei verfilmen zu lassen. Gernot Karge, langjähriger Kreisarchivar, heute Geschäftsführer der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis (mit 800 Mitgliedern der größte heimatkundliche Verein im Saarland) schilderte, wie das geschah. Man nahm mit den besten Spezialisten auf dem Gebiet der Mikroverfilmung Kontakt auf, nämlich der „Genealogischen Gesellschaft der Heiligen der letzten Tage„, den Mormonen in Salt Lake City im US-Staat Utah. Nach zweimonatigen Filmarbeiten hatte man 39 Rollen Mikrofilm mit fast 50.000 Aufnahmen. Nach dem Druck in Buchform steht nun die Digitalisierung bevor. Karge stellte in Aussicht, dass man in Zukunft mit einer Diskette einfachen Zugang zur Kartei haben kann.
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Quelle: Saarbrücker Zeitung, 2.3.2004