Der Vatikan hält nach Ansicht des römischen Historikers Peter Godman seine Geheimarchive nicht nur aus Heimlichtuerei verschlossen. Vielmehr fehle es der römischen Kurie schlichtweg an Personal, sagte der gebürtige Neuseeländer bei der Vorstellung seines neuen Buches «Der Vatikan und Hitler – Die geheimen Archive» in Berlin. Die Archive seien an Werktagen lediglich von 08.30 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet – zu kurz für eingehende wissenschaftliche Arbeit.
Der einflussreiche Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, beispielsweise habe als langjähriger Wissenschaftler durchaus das Bedürfnis, bisher unbekannte Dokumente zugänglich zu machen. Allerdings werde es noch sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, die Archive auch nur zu ordnen, sagte Godman, der als einer der ersten in die Geheimarchive Einsicht nehmen durfte.
Godman, der auch in Tübingen lehrte, arbeitet in seinem Buch heraus, dass Papst Pius XII. (Amtszeit 1939-1958) zwar Opportunist, aber kein Antisemit gewesen sei. Pius, der lange auch als Nuntius in Berlin lebte und die Nazis von Anfang an kannte, habe Sympathien für die Deutschen und deren Kultur gehabt, nicht aber für die Nazis.
Der Vatikan und auch Pius hätten im Kommunismus die größte Gefahr gesehen und daher Arrangements mit Faschismus und Nationalsozialismus betrieben. Aus diesem Opportunismus heraus sei die «Politik des Schweigens» entstanden. Dieser Papst habe «einen gewissen Mut gehabt, aber nur hinter den Kulissen, nicht in der Öffentlichkeit». meinte Godman. Er beschreibt Pius XII., der mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli hieß, als hoch intelligenten Mann und sehr fleißigen Arbeiter – «er stand um 06.00 Uhr auf und ging um 02.00 Uhr schlafen». Aber er habe «keine Fantasie, keine Originalität, keine Visionen» gehabt.
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Vatikanisches Geheimarchiv
Quelle: Lausitzer Rundschau, 21.2.2004