Historische Fotos über das Leben Norderstedts um 1900

Das Stadtarchiv Norderstedt ist kürzlich in einen 140 qm großen Keller auf dem Gelände der ehemaligen Stonsdorferei in Harksheide umgezogen. 146 laufende Meter Akten, Gesetzestexte und historische Amtsblätter haben dort ein neues Zuhause gefunden: „Damit stehen alle Akten und historischen Schriften der Stadt zum ersten Mal gesammelt in einem Raum. Das gibt uns eine bessere Übersicht“, sagt der Leiter des Stadtarchives, Manfred von Essen (51).

Zusammen mit zwei Kollegen und weiteren Hilfskräften ist von Essen derzeit mit dem Einordnen der Masse an Dokumenten beschäftigt. Akten, Protokolle und Schriftverkehre aus sämtlichen Amtsbereichen der Stadt. Dabei wird vieles aussortiert und manches wiederentdeckt. „Die Aufgabe des Archivars ist es, zwischen wichtig und unwichtig zu entscheiden. Dabei muss ich mich in einen Forscher hineindenken, der in 50 oder 100 Jahren etwas über Norderstedt herausfinden will und muss abwägen, was ihm dabei weiterhelfen könnte“, sagt von Essen.

Die Entwicklung und Aufgabenverteilung der Stadtverwaltung wird mit den Akten der einzelnen Behörden dokumentiert. Detailbereiche, etwa Akten über die Vergabe von Sozialhilfe über die Jahrzehnte hinweg, geben Aufschluss über die soziale Bevölkerungsstruktur und die Frage, wie die Verwaltung sich organisiert hat. Von Essen: „Die Baubehörde hat gerade angefragt: Da warten die nächsten 15 Meter Akten die ich übernehmen soll. Das Archiv ist so etwas wie der Blinddarm der Verwaltung.“

Die Archivierung ist immer ein Kampf gegen den Verfall. Die größten Feinde der Akten sind das Licht, der Staub, aber auch Büro- oder Heftklammern. „Alle Metallteile müssen wir aus den Akten feinsäuberlich entfernen. Die rosten sonst und fressen sich durch das Papier“, sagt von Essen. In licht- und luftdichten säurefreien Kartons werden die Akten abgelegt und beschriftet: „Friedrichsgabe, Abwasser, 1957-59“ steht auf einem der bereits eingeordneten Kartons.

Im November 2003 hatte der Umzug mit dem Verpacken der Unterlagen begonnen, bis Mai 2004 soll alles in den neuen Regalen stehen. Von Essen, der seit 1980 das Archiv leitet und maßgeblich aufgebaut hat: „Für die nächsten zehn Jahre ist jetzt Platz genug.“

Etwa 18.000 Fotos von Norderstedt und das Zeitungsarchiv bleiben in der Nebenstelle bei der Verbraucherzentrale in den Rathausarkaden. Nun hat Archivar Manfred von Essen 60 historische Fotos zusammengestellt, die das Leben um 1900 widerspiegeln.

„Es ist immer wieder zu hören, dass Norderstedt eine Stadt ohne Geschichte ist“, sagte Lutz Nahke (60), Manager des Herold-Centers. Mit einer Ausstellung will er das Gegenteil beweisen. Die historischen Fotos zeigen, wie es in den vier Ursprungsgemeinden Norderstedts zwischen 1900 und 1920 aussah. Die Dokumente sind im Obergeschoss des Norderstedter Einkaufszentrums zu sehen. Manfred von Essen hat kurze Texte zu den Bilden verfasst.

„Für uns ist das eine gute Möglichkeit, die Stadtgeschichte einem breiten Publikum bekannt zu machen“, sagt der Stadtarchivar. Zwar sei eine Auswahl der Fotos auch im Stadtmuseum am Friedrichsgaber Weg und immer mal wieder in einzelnen Ausstellungen zu sehen. Doch die Besucherzahlen des Herold-Centers lägen deutlich höher.

Bei der Auswahl der Fotos hat von Essen darauf geachtet, dass die vier Vorläufer Norderstedts – Garstedt, Glashütte, Harksheide und Friedrichsgabe – etwa gleich stark vertreten sind. Prägend für die Zeit vor rund 100 Jahren war das bäuerliche Leben. Die Landwirte hatten es allerdings nicht leicht. Der Sandboden der Harksheide war mager und wenig fruchtbar. Etwas mehr gaben die Böden in Garstedt her. Die Gemeinde war lange die wirtschaftlich stärkste unter den vier Ursprungsgemeinden.

Ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor war der Torfabbau. Viele Menschen verdienten ihr Geld mit dem Torfstechen in den Moorgebieten. Sie zogen die Torfstücke auf einem hochrädrigen Karren, dem so genannten Steertpogg, nach Hamburg. „Gerade für die unteren Schichten war der Torfabbau lebensnotwendig“, sagt von Essen. Mit dem Aufkommen von Kohle und Öl sank die Bedeutung des Torfs als Brennstoff in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Je mehr Menschen in den Orten lebten, desto stärker entwickelte sich die staatliche Infrastruktur. Die Landbriefträger legten jeden Tag 40 Kilometer zurück, fast die Strecke eines Marathonlaufes. 1902 startete der Wachtmannsche Pferdeomnibus, der zwischen Eppendorf und Ochsenzoll pendelte. Der berittene Gendarm Friedrich Jahn, der 1890 seinen Dienst aufnahm, war der erste Polizist im heutigen Norderstedt.

Zweites Standbein der Ausstellung im Herold-Center sind die historischen Fotoapparate des Norderstedter Sammlers Ernst Treimer (69). Der ehemalige Architektur- und Werbefotograf zeigt 170 Kameras aus seiner Sammlung. Das älteste Exponat stammt von 1860.

Die Ausstellung „Fotohistorie aus Norderstedt“ ist noch bis zum 14. Februar im Herold-Center zu sehen. Anschließend erhält das Stadtmuseum die Fotos, die das Center reproduziert und vergrößert hat, als Geschenk. „Wir hoffen zudem, dass die Präsentation Bürger dazu bewegt, alte Fotos oder Dokumente dem Stadtarchiv zu überlassen“, sagt von Essen.

Kontakt:
Stadtmuseum Norderstedt
Friedrichsgaber Weg 290
22846 Norderstedt
(beim Feuerwehrmuseum)

Dr. Manfred von Essen
Tel. 040 / 30 98 27 49
FAX: 040 / 94 36 53 44

Quelle: Hamburger Abendblatt, von 16.1. und 6.2.2004

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