Unzählige Stunden hat Wolfgang Drösser vom Verein für Orts- und Heimatkunde in verschiedenen Archiven verbracht, um zahllose Unterlagen zu sichten, die ein ebenso interessantes wie wichtiges Kapitel der Wesselinger Geschichte dokumentieren. Die Ergebnisse der intensiven Forschungsarbeit werden ab kommenden Sonntag in Form einer Ausstellung im Rathaus präsentiert.
„Vom Leben der Juden in Wesseling – eine Dokumentation über 600 Jahre Geschichte“ lautet der Titel der Präsentation, die Bürgermeister Günter Ditgens und die Vereinsvorsitzende Ilse Schellschmidt gemeinsam eröffneten. „Ich bin sehr froh, dass man sich dieses Themas fachkundig angenommen hat“, lobt Ditgens das Engagement der Lokalhistoriker.
Auf mehr als 40 Tafeln werden Briefe, Fotos und andere Dokumente einen Einblick in die Situation der Wesselinger Juden vom Beginn des 16. Jahrhunderts bis zum Holocaust im Dritten Reich dargestellt. „Ich lehne den Begriff der Kollektivschuld ab, aber wir haben eine besondere Verantwortung, die wir immer deutlich machen müssen“, begründete Drösser den Grundgedanken der Ausstellung. Bei der Vorbereitung hat der Historiker viele bislang unbekannte Quellen bearbeitet und eine ganze Reihe interessanter Aspekte zu Tage fördern können, denn immerhin war die jüdische Gemeinde Wesseling mit zeitweise bis zu 100 Mitgliedern eine der größten im heutigen Kreisgebiet.
So belegt ein Brief aus dem Jahr 1502, den Drösser im Kölner Stadtarchiv fand, dass bereits damals Juden in Wesseling lebten. Im 19. Jahrhundert gründeten die Juden eine Synagogengemeinde, die ihr Gotteshaus Am Markt errichtete. Drösser begab sich auch vor Ort auf Spurensuche, um herauszufinden, wo die jüdischen Mitbürger früher gewohnt haben. Vor allem in dem Bereich Nordstraße, Kölner Straße und den umliegenden Straßen waren jüdische Familien ansässig.
Wie sehr sie in das gesellschaftliche Leben integriert waren, zeigt eine kleine Anekdote, die Drösser zu berichten weiß. So hätten Juden früher anlässlich der katholischen Fronleichnamsprozession ebenfalls ein Altärchen am Wegesrand aufgebaut. Auch fand er Belege dafür, dass Juden aus Wesseling Mitglieder im Kölner Dombauverein waren.
Beendet wurde das freundschaftliche Miteinander durch die Nationalsozialisten. In der so genannten „Kristallnacht“, die in Wesseling nicht am 9., sondern am 10. November 1938 stattfand, wurden die Synagoge und die Häuser der Juden zerstört. Drössers Untersuchungen ergaben ferner, dass mindestens 21 jüdische Bürger, die 1938 in Wesseling lebten, von den Nationalsozialisten ermordet wurden.
Friedhof blieb
einziger Überrest
Gleichzeitig dokumentiert Drösser, dass es zur damaligen Zeit in Urfeld eine Schule gab, wo mindestens 270 Juden auf eine Auswanderung vorbereitet wurden. Etwa 50 von ihnen seien ins damalige Palästina übergesiedelt.
Die einzige Spur jüdischen Lebens, die geblieben ist, ist der jüdische Friedhof an der Römerstraße. „Doch die Grabsteine verfallen zusehens“, klagt Drösser. Daher hat er sich daran gemacht, die Namen der dort beigesetzten Bürger zu dokumentieren. Insgesamt stehen dort 80 Grabsteine; auf 62 davon sind die Namen noch leserlich.
Zu der Ausstellung, die bis zum 27. Februar im ersten Stock des Rathauses zu sehen sein wird, erscheint ein 100-seitiges Begleitheft im Rahmen der „Blätter zur Geschichte der Stadt Wesseling“. Darin hat Wolfgang Drösser die meisten der gezeigten Dokumente abgebildet und die insgesamt 13 Kapitel mit Einleitungen versehen.
Quelle: Kölnische Rundschau, 22.1.2004