„Sparen und Plusmachen“ war die Devise des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. In seiner Regentschaft von 1713 bis 1740 tilgte er die Schulden seines Vaters und häufte einen stattlichen Staatsschatz an. Die Wirtschaft kam in Schwung, der Handel gedieh. Nur die Musen mussten schweigen.
Um so intensiver kümmerte er sich um seine Soldaten. Während andere Monarchen Juwelen und Mätressen sammelten oder als Bauherren glänzten, hielt der Soldatenkönig nach großen und kräftigen Männern für sein Eliteregiment Ausschau. Sonst knausrig, war Friedrich Wilhelm die oft gewaltsame und trickreiche Anwerbung hoch gewachsener Kerls im In- und Ausland beträchtliche Summen wert. Er wies drei-, vierstellige Talerbeträge für die Rekrutierung langer und schöner (!) Männer oft weit weg von Brandenburg und Preußen an und gab pro Einberufenem ein Vielfaches dessen aus, was Beamte, Pfarrer und Lehrer im Jahr verdienten.
Das ist eines der Themen einer neuen Quellenpublikation aus dem Geheimen Staatsarchiv Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Jürgen Kloosterhuis, der Direktor der Schriften- und Dokumentensammlung, erschließt darin die in Berlin-Dahlem erhaltenen Akten zur Regimentskultur der Königsgrenadiere unter Friedrich Wilhelm I. Die Dokumente vermitteln ein faszinierendes Bild der Potsdamer Elitetruppe, die sich der König zum eigenen Schutz und zum Pläsier hielt. Kloosterhuis räumt in der detailreichen Edition mit Legenden und Klischees rund um die blau gekleidete Palastgarde und Kampftruppe auf und schildert, wie die Rekrutierung und der Militärdienst aussahen.
Um seine „blauen Kinder“ nach Potsdam zu locken, war dem Herrscher nahezu jedes Mittel recht, auch Täuschung und Menschenraub. Friedrich Wilhelm I., der sich als Obrist seiner Langen Kerls fühlte, übernahm für sie rundum die Verantwortung. Zum Beispiel setzte er sie nie ernsthaften Kampfhandlungen aus.
Nach seinem Tod (1740) löste sein Sohn, König Friedrich II. („der Große“), die Truppe auf und übernahm sie in die „normale“ Armee, wo sie schon bald in den schlesischen Kriegen verheizt wurde. „Sie fochten, bis sie den Geist aufgaben; sodann deckten sie mit ihren schönen Leibern, in Reihen und Gliedern gestreckt, ihren blutigen Schlachtplatz“, beschrieb ein Zeitgenosse das klägliche Ende vieler Angehöriger des ebenso gefürchteten wie belächelten Königsregiments.
Aus den Dokumenten geht deutlich hervor, dass der Soldatenkönig bis in Einzelheiten genaue Einsicht in den von ihm geschaffenen militärischen Mikrokosmos hatte, der zum Vorbild des künftigen preußischen Staates werden sollte, und jede Disziplinlosigkeit, jeden Fluchtversuch drakonisch ahndete. Die Akten belegen etwa, dass der König die Uniformierung der Garde vorschrieb und überwachte. Er sorgte sich gelegentlich persönlich darum, dass weit weg wohnende Frauen und Kinder nach Potsdam übersiedelten, und er griff ein, wenn sich Offiziere Geld aneigneten, das den Soldaten zustand.
Aufschlussreich war auch die soziale Zusammensetzung der Truppe. „In der gleichen Reih, im selben Glied des Königsregiments schulterten gegebenenfalls Adlige und Unterschichten das Gewehr, exerzierten wohlhabende Hausbesitzer neben Kleinkriminellen, manövrierten gutsituierte Familienväter zusammen mit sozial entwurzelten Heimatlosen“, schreibt Kloosterhuis. Wer da in Reih und Glied beieinander stand, geht aus so genannten „Rangierrollen“ hervor. Wie Offiziere und Rekruten aussahen und uniformiert waren, zeigt der Bildanhang.
Dort findet man auch die Abbildung der Skelette von zwei 2,12 Meter und 2,23 Meter großen Grenadieren, die beim Soldatenkönig gedient hatten. Man muss kein Experte sein um zu erkennen, wie schwer die bedauernswerten Riesen an ihrer ungewöhnlichen Körpergröße litten. Nicht einmal das dreißigstes Lebensjahr sollten sie erreichen.
Info:
Legendäre „Lange Kerls“. Quellen zur Regimentskultur der Königsgrenadiere Friedrich Wilhelms I., 1713-1740. Bearbeitet und herausgegeben von Jürgen Kloosterhuis. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, 752 Seiten, 62 Euro.
Quelle: Märkische Allgemeine, 12.1.2004