Der damalige US-Außenminister Henry Kissinger drängte die argentinische Militärjunta im Oktober 1976, schneller gegen die linke Opposition vorzugehen. Dies geht aus Dokumenten hervor, die vom State Department freigegeben und vorgestern an der Universität Buenos Aires von Forschern des „National Security Archive“ vorgestellt wurden.
Am 7. Oktober 1976, ein gutes halbes Jahr nach dem Militärputsch, sagte Kissinger gegenüber seinem argentinischen Kollegen, Marineadmiral César Guzzetti: „Wir wünschen Ihren Erfolg. Ich bin der altmodischen Meinung, dass man Freunde unterstützen soll.“ In den USA werde nicht verstanden, dass in Argentinien ein „Bürgerkrieg“ stattfinde. Menschenrechtsprobleme würden beachtet, aber nicht der Kontext: „Je schneller Sie Erfolg haben, desto besser. Wir wollen eine stabile Situation. Wir werden Ihnen keine unnötigen Probleme verursachen.“ Anschließend warnte Kissinger vor möglichen Sanktionen durch das US-Parlament: „Wenn Sie fertig werden, bevor der Kongress seine Sitzungen [im Frühjahr 1977] wieder aufnimmt, umso besser.“ Diskret deutete er einen weiteren Grund für seine Eile an: den möglichen Sieg des Demokraten Jimmy Carter bei der bevorstehenden Präsidentenwahl.
Für Carlos Osorio vom „National Security Archive“ belegen die neuen Dokumente, dass US-Präsident Gerald Ford „eine offizielle und eine geheime“ Argentinien-Politik verfolgte. Öffentlich und in der Korrespondenz mit dem eigenen Botschafter in Buenos Aires versicherten hohe Regierungsbeamte, sie beharrten auf der Einhaltung der Menschenrechte. Als Botschafter Robert Hill empört nach Washington meldete, wie begeistert der Marineadmiral von seinem Treffen mit Kissinger zurückgekommen war, bekam er zur Antwort: „Guzzetti hörte nur das, was er hören wollte.“
Und noch ein aufschlussreiches Dokument präsentierten die Forscher: Argentiniens Armeegeheimdienst habe eine Liste von 22.000 zwischen 1975 und Mitte 1978 ermordeten oder „verschwundenen“ Menschen, berichtete 1978 ein chilenischer Geheimdienstagent seinen Vorgesetzten. Menschenrechtsgruppen gehen schon lange von 30.000 Todesopfern während des Militärregimes (1976 bis 1983) aus. Offiziell hingegen war stets von 9.000 Verschwundenen die Rede.
Quelle: taz Nr. 7227, 6.12.2003, 10.