Das Unternehmensarchiv der öffentlich-rechtlichen Sparkassenversicherung Hessen-Thüringen ist eigentlich erst vor drei Jahren richtig entstanden. Damals beschloss der Vorstand, den Archivar Dr. Rainer Maaß, der heute im Staatsarchiv Darmstadt arbeitet, die Bestände der historischen Überlieferung des Unternehmens an den drei Standorten Darmstadt, Kassel und Wiesbaden sichten, bewerten und verzeichnen zu lassen. Heute lagern große Teile der registrierten und archivgerecht verpackten Bestände in einem Kellerraum am Direktionssitz Wiesbaden in der Bahnhofstraße 69. Eine Benutzungsgenehmigung für die Unterlagen kann auf Antrag gewährt werden.
Der Aufbau des Archivs orientiert sich an den Ursprüngen des traditionsreichen Regionalversicherers, den Hessen-Nassauischen Versicherungsanstalten und den drei hessischen Brandversicherungsanstalten, die aufgrund landesherrlicher Verordnungen im 18. beziehungsweise frühen 19. Jahrhundert entstanden waren. Bis 1994 verfügten die Brandversicherungsanstalten über so genannte Pflicht- oder Monopolrechte: Alle Gebäude mussten bei ihnen versichert werden, beziehungsweise konnten nur bei ihnen versichert werden.
Der Umfang der vorgefundenen Überlieferung war abhängig von den Kriegsverlusten. Von der Brandversicherungsanstalt Darmstadt konnte nur die Nachkriegsregistratur übernommen werden, da außer den Rechnungsbänden im wesentlichen kein weiteres Schriftgut die Kriegszerstörungen überdauert hat. Ähnlich verhielt es sich mit den Registraturen der Nassauischen Brandversicherungsanstalt, die nicht nur durch den Krieg, sondern auch in Folge des Umzuges aus dem Landeshaus in Wiesbaden stark dezimiert wurden.
Vollständig erhalten haben sich hingegen die Registraturen der ältesten hessischen Brandversicherungsanstalt in Kassel. Die Hauptregistratur reicht bis 1867 zurück und dokumentiert lückenlos das Alltagsgeschäft der Behörde und vermittelt zudem Einblicke in die Lebenswelten der dort Beschäftigten, beispielsweise während der Zeit des Nationalsozialismus. Besonders vielfältig ist das Kasseler Schriftgut auch hinsichtlich der Themenbereiche Brandverhütung und -bekämpfung. So ist als Bestandteil der Hauptregistratur eine komplette, rund 1000 Einheiten umfassende Aktenserie über die Unterstützungen erhalten, welche die Brandversicherungsanstalt den Ortsfeuerwehren Kurhessens zuteil werden ließ. Diese Akten sind für die Ortsgeschichtsschreibung interessant. Ins Archiv mit einbezogen wurden natürlich auch Fotografien von Festveranstaltungen oder Bränden, Versicherungsscheine, Hauszeitschriften oder Tonbandmitschnitte von Ansprachen.
Vieles von dem, was Dr. Maaß aus vergangenen Zeiten vorfand, ist nun im Unternehmensarchiv bereits komplett verzeichnet. Und wie sieht die Zukunft aus? Seit 1997 wird das eingehende Schriftgut bei der Sparkassenversicherung „optisch archiviert“. In der Dokumentenservicestelle – die so genannte elektronische Poststelle – arbeiten unter Leitung von Willi Jakowski in der Wiesbadener Zentrale zwanzig Mitarbeiter. Hier werden täglich rund 20.000 Blatt Papier – im Jahr also rund fünf Millionen! – „papierlos“ gemacht. Das heißt, die Bearbeitungseingänge werden eingescannt, erhalten eine Vertragsnummer und werden von hier aus als Datei an die zuständigen elektronischen Postkörbe im gesamten Unternehmen zur Weiterverarbeitung geschickt. „Auf die Datensicherheit muss ich mich dabei verlassen“, sagt Willi Jakowski. Das reale beschriebene Papier wird nach vier bis fünf Wochen Aufbewahrungszeit datenschutzgerecht vernichtet.
Wird das Archiv der Zukunft in einem Rechner Platz haben? Nun, auch hier bei der Sparkassenversicherung werden die Personalakten, der Schriftverkehr des gesamten Vorstands, Pfändungsunterlagen und auch größere Geschäftsvorgänge und besonders komplizierte Schadensfälle weiterhin als Papierakten angelegt und nicht optisch archiviert. Das traditionelle Archiv wird also auch hier nicht aussterben.
Info:
Rainer Maaß: Das Unternehmensarchiv der Sparkassen-Versicherung Hessen-Nassau-Thüringen am Direktionssitz Wiesbaden. In: Archivnachrichten aus Hessen Nr. 3/2003 oder unter der Rubrik Fachbeiträge im Internet unter www.stad.hessen.de
Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 8.10.2003