Lager Sandbostel: Denkmalschutz, Forschung und Gedenken

Anlässlich des Tags des offenen Denkmals hat der Rotenburger CDU-Kreisvorsitzende Albert Rathjen gefordert, den Denkmalschutz zu intensivieren. Das greift der Rotenburger Historiker Dr. Dietmar Kohlrausch auf. Sein Anliegen: Der Kreis soll eine Baracke des ehemaligen NS-Kriegsgefangenenlagers bei Sandbostel erwerben. So würde zum einen historische Bausubstanz erhalten. Und zum anderen böte das Gebäude die Möglichkeit, am authentischen Ort eine Dokumentations- und Gedenkstätte zu schaffen.

In aller Kürze: 1939 wurde zwischen Sandbostel und Augustendorf ein Sammellager für Kriegsgefangene errichtet. „Darin wurden bis zu 40.000 Menschen gleichzeitig eingesperrt“, berichtet Kohlrausch. Zum Vergleich: Die Stadt Rotenburg hat derzeit rund 20.000 Einwohner. Ein prominenter Häftling etwa war der Schriftsteller Giovanni Guareschi (Don Camillo und Pepone).

Insgesamt wurden mehr als eine Million Menschen aus 46 Nationen nach Sandbostel gebracht. Zehntausende von ihnen überlebten die Gefangenschaft nicht. Sie starben an Hunger, Seuchen oder wurden ermordet.

Im April 1945 wurden rund 20.000 Menschen aus dem KZ-Neuengamme von ihren SS-Bewachern nach Sandbostel getrieben. Sie wurden dort so schlecht behandelt, dass es vor lauter Hunger zu Kannibalismus kam. Am 29. April wurde das Lager durch britische Truppen befreit.

Nach dem Krieg dienten die Baracken zunächst als Gefängnis für SS-Täter, später als Übergangsheim für Flüchtlinge aus der DDR. Seit Mitte der 70er Jahre wird das Gelände als Gewerbegebiet genutzt. Idyllischer Name: Immenhain.

Die meisten erhaltenen Gebäude wurden in den 90er Jahre unter Denkmalschutz gestellt. Kohlrausch: „Es handelt sich deutschlandweit um das größte Ensemble dieser Art.“ Dennoch verfallen die Baracken. „Denn natürlich kann niemand die Eigentümer zwingen, sie zu erhalten“, erklärt der Historiker, beruflich Archivar der Stadt Rotenburg.

Seit 1992 Jahre kümmert sich ein Verein um die Dokumentation der Lagergeschichte. Ehrenamtlich werden ehemalige Häftlinge und deren Angehörige betreut, die Sandbostel besuchen. Allerdings – der Rahmen, in dem das auf einem Gewerbegebiet möglich ist, ist mehr als fraglich. „Viele Besucher empfinden ihn zu Recht als unwürdig“, berichtet Kohlrausch, der im Vorstand des Vereins mitarbeitet.

Ziel ist daher, endlich direkt auf dem Lagergelände eine Gedenkstätte zu errichten. Lange Zeit wurde ein Neubau diskutiert. Der aber wäre erstens relativ teuer. Zweitens müsste das Geld auf einen Schlag zur Verfügung stehen. Und drittens ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, einen geeigneten Bauplatz zu ergattern.

Jetzt jedoch wird eine noch recht gut erhaltene Baracke zum Verkauf angeboten. Gelegenheit zum Umdenken. Vorteile nämlich: Das Gebäude könnte nach und nach renoviert werden. So müsste in jedem Jahr nur eine vergleichsweise kleine Summe aufgebracht werden. Mit dem Geld würde eine der Baracken dauerhaft exemplarisch erhalten. Und schließlich hätte die Gedenkstätte einen wirklich authentischen Ort.

Kohlrausch hofft, dass diese Argumente stechen. Er rechnet mit Kosten von 170.000 Euro für das gesamte Projekt. Verteilt auf viele Jahre. Und verteilt auf viele Schultern: Verein, Kreis, Land, Bund und EU. Am einfachsten wäre, wenn der Kreis den Anfang macht – indem er die Baracke kauft, dem Verein als Träger zur Verfügung stellt und so die weitere Entwicklung ermöglicht.

Kontakte:
Dr. Dietmar Kohlrausch
Am Föhrenhof 2
27356 Rotenburg

Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel e.V.
Postfach 1516
27425 Bremervörde
www.dokumentationsstaette-sandbostel.de
info@dokumentationsstaette-sandbostel.de

Quelle: Rotenburger Rundschau, 1.10.2003

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