Komponisten, Maler, Astronome, Kaufmänner, Dramatiker. Die Berliner Familie Beer, Meyerbeer und Richter, die im geistigen und wirtschaftlichen Leben Berlins und seiner jüdischen Bürgerschaft seit dem 17. Jahrhundert eine ganz entscheidende Rolle spielte, zählte fünf Generationen lang zu den einflussreichsten und wohlhabendsten Familien der Stadt. Durch den bedeutenden Nachlass dieser Familie ist Berlins Stadtmuseum um eine Schenkung reicher geworden.
Die beiden Stifter Elisabeth Beare und Dr. Reinhold Richter, die dem Stadtmuseum Berlin in Gestalt der Hans-und-Luise-Richter-Stiftung große Teile des Nachlasses vermachen, gehören zur Familie. Die Stiftung trägt den Namen des Enkels von Giacomo Meyerbeer, Hans Richter (1876-1955) und seiner Frau Luise (1891-1978): Sie retteten die wichtigsten Teile des künstlerisch und kulturhistorisch bedeutsamen Familienerbes über die Zeit des Nationalsozialismus. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung dieser Schenkung, die einen Wert von knapp einer Million Euro hat, wurde zur Bewahrung, Pflege und weiteren wissenschaftlichen Erschließung eine Körperschaft in der Rechtsform einer unselbständigen Stiftung innerhalb der Stiftung Stadtmuseum Berlin geschaffen. Für die Stifter gehören die Bestände „einfach nach Berlin“.
Die Familie lebte seit 1671 in Berlin. Ihr Aufstieg begann mit dem Kaufmann Liebmann Meyer Wulff. Liebmann (1745-1812) brachte es zum Hofjuden der Kurfürsten Friedrich Wilhelm und Friedrich III. und galt um 1800 als der reichste Jude Preußens. Mit ihm setzte jene Familiengeschichte ein, die fast zwei Jahrhunderte lang das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Leben Berlin maßgeblich prägen sollte. Giacomo Meyerbeer, im 19. Jahrhunderts ein sehr bekannter Opernkomponist („Les Huguenots“, „Le Prophète“, „L´Africaine“), Generalmusikdirektor an der Königlichen Oper Berlin und wohl berühmtester Sproß der Familie, war ein Enkel Liebmanns. Seine Mutter Amalie (1767-1854) galt als Schönheit. Sie unterhielt einen der ersten Salons Berlins; in ihren Räumen ging das gelehrte Berlin ein und aus. Wilhelm, auch er ein Sohn von Amalie, verdiente seinen Unterhalt als Zuckersieder, bekannt jedoch wurde er als Astronom. Sein Bruder Michael kam als der erste jüdische Dramatiker zu Anerkennung.
Zur Familie gehörte auch das Ehepaar Gustav (1823-1884) und Cornelie Richter (1842-1922), geborene Meyerbeer und Enkelin von Amalie. Er: Maler, sie: Gastgeberin für Künstler und Intellektuelle. Die Wohnsitze der Familie, zunächst das Haus in der Spandauer Straße, dann seit 1803 die Beersche Villa im Tiergarten sowie das Meyerbeersche Palais neben dem Brandenburger Tor, wurden dank der vorzüglichen Beziehungen, die die Familie zum Hof und zum preußischen Adel unterhielt, ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Neben vielen Künstlern und Gelehrten zählte auch Alexander von Humboldt zu den Gästen.
Hunderte von Gegenständen, Briefen, Bildern, Fotoalben, Möbeln, Plastiken und Dokumenten geben einen Einblick in das Leben des jüdisch-deutschen Großbürgertums Berlins über zweieinhalb Jahrhunderte. Musik- und operngeschichtlich aufschlußreiche Objekte von besonderem Wert, wie das Pleyel-Reiseklavier Giacomo Meyerbeers von 1849, sind Teil der Schenkung. Genauso Bilder, Familienportraits, Büsten, Skulpturen, Schnapsbecher, und das goldene Armband, das Kaiserin Friedrich 1901 Cornelie Richter vermachte. Ein Teil des Nachlasses von Giacomo Meyerbeer wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg der Staatsbibliothek Berlin vermacht und gelangte als Folge des 2. Weltkrieges teilweise nach Krakau in die Biblioteka Jagiellonska.
In diesem Jahr noch sollen die Stiftungs-Bestände aufgearbeitet werden und im März 2004 im Märkischen Museum, dem Stammhaus der Stiftung Stadtmuseum Berlin, im Rahmen einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Danach sollen die aussagekräftigsten Stücke als ein wesentlicher Teil in die Dauerausstellung einfließen.
Quelle: Damals, 25.8.2003