Durch das jahrzehntelange Chaos im Stadtarchiv Eisenberg ging vieles unter, so auch die Ehrenbürgerschaft von zwei ehemaligen Nazi-Größen. Im Zusammenhang mit dem Widerruf der Ehrenbürgerschaft der Stadt Eisenberg für die ehemaligen Nazis Sauckel und Marschner wurde mehrfach die Frage gestellt: Wieso hat man nicht früher gemerkt, dass diese Männer noch Ehrenbürger sind?
Kurz gefasst lautet die Antwort: Weil im Stadtarchiv über lange Zeiträume Chaos herrschte, vieles verloren oder verschütt´ gegangen ist. Ausführlich beantworten die heutigen Mitarbeiter die Frage im folgenden Text.
Das Stadtarchiv Eisenberg wurde im Jahre 1855 vom städtischen Hilfsschreiber Theodor May angelegt und erschlossen. Nach Abschluss seiner Arbeit wurde nicht weiter an dem Archiv gearbeitet, so dass sich viele Akten ansammelten und lose herumlagen. Untergebracht war das Archiv damals unterm Dach des Rathauses.
Der Dachstuhlbrand im Rathaus in der Silvesternacht 1905/1906 brachte eine noch größere Unordnung in die Akten und über 200 Aktenbände verbrannten vollständig, ein weiterer großer Teil ist seitdem stark angekohlt. Aus Platzmangel wurde das Archiv im Schloss untergebracht. Ab Anfang März 1906 begann Dr. Ernst Devrient aus Jena, es neu zu ordnen. Die alten Findbücher wurden in ihrem Originalzustand belassen und ein Schlagwortverzeichnis angelegt. Dieses ist leider heute nicht mehr vorhanden. Bis 1909 übernahm Professor Fischer die weitere Betreuung des Archivs.
Zwischen 1910 und 1912 betreute Herr Matthes, ein Stadtangestellter, das Archiv. Dann war es bis 1922 unbesetzt. 1922 wurde es wiederum von Dr. Devrient geordnet und ergänzt. Leider wurde das Archiv dann wieder sich selbst überlassen – bis 1945. Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges wurden sehr viele Akten von den damaligen Machthabem vernichtet und auch auf Anweisung der sowjetischen Militäradministration später Archivalien aus den Beständen entfernt.
Nach 1945 wurde das Archiv jeweils vom Standesbeamten mitverwaltet. 1952 kam es aus dem Schloss wieder ins Rathaus und wie schon vor 100 Jahren unters Dach. Aber nach kurzer Zeit wurde es wieder ausgeräumt und ohne jede Ordnung gestapelt und aus fachlicher Sicht völlig unzureichend in zwei weiteren Behelfsunterkünften untergebracht.
1957 erhielt das Archiv neue Räume in einem Seitengebäude des FDGB-Hauses, doch bei der Rekonstruktion 1975 kam es zu erheblichen Schäden am Archivgut und massiven Verschimmelung der Akten. Also alles zurück auf den Rathausboden.
1978 suchten Rat der Stadt und Rat des Kreises gemeinsam nach einer Lösung, z. B. im VEB Vereinigte Elektrobetriebe ,Am Pforrsbrunnen´, doch kein Plan führte zu einem Ergebnis.
Ende der 70-er Jahre kam das Archiv in die Karl-Liebknecht-Straße 9. Auch eine Notlösung, die Luftfeuchtigkeit war zu hoch, die Räume nicht beheizbar. Selbst in der ehemaligen „Ammerschen Fabrik“ in der Mühlenstraße verbesserten sich die Bedingungen für Archivgut und Mitarbeiter kaum.
Es gab weder Telefon, Toilette noch Waschbecken, im Winter herrschten Temperaturen um die null Grad.
Erstmals in der langjährigen, von vielen Widrigkeiten geprägten Geschichte erhielt das Archiv 1995 geeignete Magazinräume als „Gedächtnis der Stadt“: Im Verwaltungsgebäude II der Stadtverwaltung Eisenberg am Markt 13/14.
Nach der Archivgut wurde spätern auch die Büroräume der Mitarbeiter verlegt, ein separater Benutzerraum eingerichtet und der historische Buchbestand in Extraräumen im Hintergebäude Markt 13/14 untergebracht.
Seither stiegen auch die Benutzerzahlen deutlich an: Von 60 Anfragen (1993) über 856 (1998) auf 1045 (2002). Seit 1993 wurden auch erstmals historisch besonders wertvolle Archivalien restauriert. Der Bestandserhaltung dient auch die kontinuierliche Mikroverfilmung von Zeitungen und Akten.
Kontakt:
Stadtarchiv Eisenberg (Thüringen)
Markt 27
07607 Eisenberg (Thüringen)
Tel.: (036691) 73461
Fax: (036691) 73460 oder 45318
Email: Ebg.Stadt.Archiv@t-online.de
Quelle: OTZ, 23.8.2003