Theunissens Blick entgeht kein Riss

Skalpell, Fimo, Bienenwachs und Knetgummi gehören genauso zu seinem Handwerkszeug wie feinstes Japanpapier und gutes Leder. Alles nicht nur gut erreichbar, sondern äußerst sorgfältig bereit gelegt, denn zu Ferdinand Theunissens Arbeit gehört Genauigkeit und feine Abstimmung unbedingt dazu.

Der 64-Jährige ist Restaurator im Stadtarchiv Neuss. Über einen Mangel an Arbeit kann sich der gebürtige Mönchengladbacher, der als Kunstbuchbinder angefangen hat und seit 1983 in Neuss arbeitet, nicht beklagen. Allein von den 120 laufenden Metern des Preußenbestandes (der bis 1945 datiert wird) sind 50 Prozent so stark beschädigt, dass sie unbedingt restauriert werden müssen.

„Alles, was den Archivaren in die Hand fällt“ – beim Durchforsten des Bestandes – landet letzten Endes in der mustergültig aufgeräumten Werkstatt im hinteren Teil des historischen Gebäudes. Dort sind wegen der empfindlichen alten Akten und Bücher Luftfeuchtigkeit und Temperatur genauestens geregelt – und schaffen zudem mit 50 Prozent und 20 Grad ein angenehmes Arbeitsklima -; dort liegen Bücher und Urkunden manchmal für Wochen, bis sie endlich wieder einen Zustand erreicht haben, der die Lagerung für die „nächsten hundert Jahre“ möglich macht.

Denn für seine Arbeit muss Theunissen nicht nur mit dem Skalpell umgehen können, wenn er zum Beispiel Lücken eines uralten Papierbogens mit feinem Japanpapier schließt, sondern seinen „Patienten“ auch Zeit geben. Ein Buch zu restaurieren zum Beispiel, braucht viele Wochen, weil der Prozess durch ständiges Reinigen, Wässern und Glättern sich in die Länge zieht: „Vor jedem nächsten Schritt muss es vollständig getrocknet sein.“ Doch wenn etwa das fertig restaurierte „Missa Coloniense“, eines der ersten Gutenberg-Drucke, vor einem liegt, lässt sich ermessen, wie wunderbar haptisch ein Arbeitserfolg sein kann.

Wenn er Akten hervorholt wie jene von 1816 – „Auswanderungen betreffend“ -, deren Seiten sich einrollen und Deckel eingerissen sind, ist sein Griff fest und behutsam zugleich. Dass der Restaurator seinen Beruf liebt, ist indes nicht nur seinen ebenso kompetenten wie verständlichen Erklärungen anzumerken, sondern vermittelt sich auch durch sein Engagement für den Nachwuchs: Seit Jahren sitzt Theunissen im Prüfungsausschuss der Handwerkskammer und leitet im Stadtarchiv Praktikanten der Fachhochschule Köln an. – Fimo, Knetgummi und Bienenwachs braucht der Restaurator übrigens, um Siegel nachzuarbeiten.

Kontakt:
Stadtarchiv Neuss
Oberstr. 15
41460 Neuss
Tel.:02131-90-4257
Fax.:02131-90-2433

Quelle: ngz-online, Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 4.7.2003 (mit Foto).

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