Der Vorlass des Wittenberger Theologen und Bürgerrechtlers Friedrich Schorlemmer wird derzeit gesichtet und für die Übernahme ins Archiv vorbereitet. Gemeinsam mit der Leiterin des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Christina Neuß, ordnet Schorlemmer derzeit seine Bibliothek und seine Schriftstücke, die mehr als 200 Regalmeter in seiner Wittenberger Altbauwohnung in Anspruch nehmen, wie die Mitteldeutsche Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ und die Mitteldeutsche Zeitung berichten. Diesen Schatz zu bergen und unter seiner Regie zu sortieren, sei eine Mammutaufgabe, so Archivarin Neuß gegenüber der MZ. Bei dem Vorlass handele sich um Skizzen, Andachten, Reden, Essays und Korrespondenzen des Theologen.
Abb.: Friedrich Schorlemmer spricht bei der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz: 500.000 Bürger beteiligten sich an einer Demonstration für den Inhalt der Artikel 27 und 28 der Verfassung der DDR. Auf dem anschließenden Meeting auf dem Alexanderplatz ergriff auch Pfarrer Schorlemmer aus Wittenberg das Wort (Bundesarchiv, Bild 183-1989-1104-038 / Link, Hubert / CC-BY-SA 3.0).
Friedrich Schorlemmer war zwischen 1971 und 1978 Studentenpfarrer in Merseburg, von 1978 bis 1992 Dozent am Evangelischen Predigerseminar sowie Prediger an der Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg. Von 1992 bis 2007 amtierte Schorlemmer als Studienleiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Der 1944 in Wittenberge (Prignitz) als Sohn eines evangelischen Pfarrers geborene Friedrich Schorlemmer erlangte im Zuge der friedlichen Revolution in der DDR gesamtdeutsche Bekanntheit. Er gehörte zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs „Für unser Land“ vom 26.11.1989, war Mitbegründer der Partei Demokratischer Aufbruch (DA) und wechselte bald zur Sozialdemokratischen Partei in der DDR über. Bis 1994 war er Fraktionsvorsitzender der SPD im Wittenberger Stadtparlament. Öffentlich artikulierte er sich immer wieder kritisch gegenüber den Globalisierungstendenzen. 2009 wurde Friedrich Schorlemmer, der krankheitsbedingt nicht mehr öffentlich in Erscheinung tritt, mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Bereits 1993 hatte er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten.
Die Vorbereitung seines Vorlasses begleitet er wohlwollend, aber mit gemischten Gefühlen, wie er der MZ verriet: „Wenn ich sehe, wie die Archivleiterin mit Sinn und Verstand an die Aufgabe rangeht, das gefällt mir und tut mir gut. Da muss ich nichts erklären“, lobt Schorlemmer die Archivarin. Es sei schon schmerzhaft, sich von all dem zu trennen. Aber was man nunmehr angefangen habe, das müsse auch zu Ende gebracht werden. Er habe das Glück, dass seine Arbeit nicht umsonst war und im Landeskirchlichen Archiv „in Magdeburg anstatt im Reißwolf landet“, freut sich Schorlemmer.
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Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 12.4.2022; Meine Kirchenzeitung, 13.4.2022; Art. Friedrich Schorlemmer, in: Wikipedia, 26.4.2022