Überwachte Computerfans in der DDR

In seinem Themenbeitrag „Spielefans unter Beobachtung“ beschäftigt sich das Stasi-Unterlagen-Archiv, das seit Mitte 2021 Teil des Bundesarchivs ist, ausführlich mit der Computerszene in der DDR. Die SED-Führung stand dem neuen Medium ambivalent gegenüber und beauftragte ihre Geheimpolizei, die Computerfans zu überwachen.

Die Entstehung der digitalen Spieleszene in der DDR hing eng mit den wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen der 70er und 80er Jahre zusammen. In den 1970er Jahren erlebte die Mikroelektronik einen weltweiten Aufschwung, von dem auch die DDR nicht unberührt blieb. Auf der 6. Tagung des Zentralkomitees der SED im Juni 1977 erklärte die politische Führungsspitze die Mikroelektronik zur Schlüsseltechnologie. Von da an forcierte die DDR ihre Anstrengungen in diesem Bereich und scheute dafür weder Kosten noch Mühen: Bis 1989 flossen Milliarden in die Mikroelektronik. Doch trotz der enormen Investitionen hinkte die DDR den Entwicklungen im Westen bis zuletzt um Jahre hinterher.


Abb.: Zwei Videospiele für die US-amerikanische Spielekonsole Atari 2600, die das MfS bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmte, um 1985 (Quelle: BArch, MfS, HAXX, Fo, Nr. 809 – Ausschnitt).

Mit der neuen wirtschaftspolitischen Ausrichtung kamen Mitte der 1980er Jahre auch die ersten Heimcomputer in der DDR auf den Markt. Ab 1984 wurde in den VEB Mikroelektronik „Wilhelm Pieck“ Mühlhausen und Robotron-Meßelektronik „Otto Schön“ Dresden die Kleincomputer-Reihe KC produziert. Bis 1989 liefen ca. 30.000 Geräte vom Band. Im Gegensatz zu anderen Modellen aus DDR-eigener Produktion, wie dem Lerncomputer LC 80 oder dem Robotron Z 1013, fand die KC-Reihe aufgrund ihrer vergleichsweise fortgeschrittenen Technik auch bei Spielebegeisterten Anklang. Neben der Hardware stellten die VEB in Dresden und Mühlhausen außerdem die passende Software her: Insgesamt neun Spielesammlungen erschienen in den 80er Jahren für den KC. Dabei handelte es sich um harmlose Spiele, die dem offiziell propagierten friedliebenden Charakter des Sozialismus entsprachen: Geschicklichkeitsspiele, Brettspielumsetzungen und Kopien westlicher Arcade-Spiele, wie z. B. des japanischen „Pengo“.

Die Mitte der 80er Jahre einsetzende private Nutzung von Heimcomputern beschäftigte ab 1986 verstärkt auch die Stasi. Die Geheimpolizei wollte wissen, was die jungen Menschen mit ihren Geräten anstellten. Dafür nahm sie verschiedene „operative“ Aspekte in den Blick: die Kontakte von Computerfans in den Westen, die Gefahr von Virenübertragungen auf DDR-Rechner in Betrieben und staatlichen Stellen, den Schmuggel von Computertechnik und die Einfuhr von Software mit verbotenen Inhalten.

Im April 1988 fasste die ZAGG ihre „Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Nutzung privater Computertechnik“, die sie seit Mitte der 80er Jahre gesammelt hatte, in einem zwölfseitigen Dokument zusammen. Dabei stellte sie großes „Interesse breiter Bevölkerungsschichten an der Technik“ fest. Im Rahmen ihrer „vorbeugenden, schadensabwendenden Abwehrarbeit“ nahm sie auch digitale Spiele ins Auge. Vor allem der „Handel mit verbotener Software (z.B. Software mit revanchistischen oder antikommunistischen bzw. mit antisemitistischen [sic!] Inhalt)“ sollte unterbunden und die verantwortlichen Personen „aufgeklärt“ bzw. „unter operativer Kontrolle gehalten werden“. Darunter verstand die Stasi das Sammeln weiterer Informationen und die Überwachung relevanter Personen. Der Verfasser des Berichts, Wilfried Fetsch, wies außerdem darauf hin, dass in der DDR zunehmend Computertechnik aus dem Westen genutzt werde. Besorgt werde diese über entsprechende familiäre und nicht-familiäre West-Kontakte.

Link: Themenbeitrag: Spielefans unter Beobachtung. Die Computerszene in der DDR

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