Aufruf zur Erforschung der LSBTIQ-Geschichte der Landeshauptstadt Mainz mit Schwerpunkt ab 1946.
Es sei wichtig, „die Diskriminierungsgeschichte aufzuarbeiten, besonders, wenn man sich bewusst macht, dass immer noch Gesetze und Strukturen in der Bundesrepublik existieren, die nach wie vor eine diskriminierende Wirkung haben“, sagt der Leiter der städtischen Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LSBTIQ in Mainz, Oliver Bördner gegenüber dem Radiosender SWR2.
Abb.: Junge Demoteilnehmer tragen Regenbogenflaggen auf ihren Schultern, SWR2, Kultur Aktuell, Der Podcast, 25.2.2022 (6:53 min.)
Das Stadtarchiv Mainz und die Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LSBTIQ der Landeshauptstadt Mainz rufen aus diesem Grund zur Erforschung der LSBTIQ-Geschichte in Mainz mit Schwerpunkt ab 1946 auf. Das Stadtarchiv Mainz bittet die Bevölkerung um Zeitdokumente aller Art, die die Lebenswirklichkeit beispielsweise von schwulen Männern oder lesbischen Frauen Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts wiedergeben.
In dem von Prof. Dr. Wolfgang Dobras, dem Leiter des Stadtarchivs Mainz, und Oliver Bördner, dem Leiter der Mainzer Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LSBTIQ unterzeichneten Aufruf heißt es:
Historische Quellen zu Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transidenten, Intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ) befinden sich in allen Archivbeständen. In der Regel sind sie dort aber nicht als solche gekennzeichnet, weshalb LSBTIQ in der Geschichtsschreibung oft kaum auftauchen und deshalb nicht sichtbar sind. Dies wollen wir gerne ändern!
In vielen Kellern und auf Dachböden liegen wahre Schätze für die historische Forschung zu LSBTIQ: Briefe, Fotografien, Dokumente, Sammlungen von Zeitdokumenten, persönliche Erinnerungsstücke oder Alltagsgegenstände. Ohne solche Unterlagen aus privaten Beständen erfährt das Stadtarchiv nur wenig über die Lebenswege von Personen.
In der jungen Bundesrepublik waren die Verbrechen des Nationalsozialismus an Menschen mit LSBTIQ-Hintergrund lange verschwiegen worden. Menschen, deren Lebensführung, sexuelle Orientierung und gelebte Geschlechtsidentität nicht den gesellschaftlichen Normen entsprachen, wurden verachtet, diskriminiert und ausgegrenzt.
Haben auch Sie ein Familienalbum mit einem „blinden Fleck“, einem Familienmitglied, über das fast nichts (mehr) bekannt ist oder über das man nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen hat? Steht bei Ihnen vielleicht ein Koffer einer verstorbenen Tante oder eines Großonkels, die lesbisch, schwul, bisexuell, transident, intergeschlechtlich oder eben queer waren? Uns interessieren Dokumente und Unterlagen von Menschen, die mehr oder weniger offen ihre sexuelle Orientierung bzw. ihre Geschlechtsidentität gelebt haben und die für ihre Art zu lieben und zu leben auch diskriminiert oder strafrechtlich verfolgt wurden.
Oder sind Sie im Besitz von eigenen Dokumenten, Fotos und weiteren Materialien zur jüngeren LSBTIQ-Geschichte in Mainz? Ihre Schenkung und Ihr Beitrag sind uns hoch willkommen!
Mit diesem Aufruf soll queere Geschichte als Teil der Stadtgeschichte sichtbar gemacht und Grundlagen für weitere Forschungen geschaffen werden.
Die ermittelten Quellen werden unter Wahrung aller Persönlichkeitsrechte in einem Findbuch zusammengetragen, das online abrufbar sein soll. So wollen wir Menschen mit LSBTIQ-Hintergrund buchstäblich aus der historischen Unsichtbarkeit in die Mitte der Gesellschaft holen. Von der Veröffentlichung profitiert die interessierte Öffentlichkeit ebenso wie die wissenschaftliche Forschung.
Kontakt:
Stadtarchiv Mainz
Rheinallee 3b
55116 Mainz
Ansprechpartner: Dr. Frank Teske
Tel.: 06131/12 34 23
frank.teske@stadt.mainz.de
Quelle: Stadt Mainz, Pressemitteilung, 14.2.2022; Stadt Mainz: Aufruf zur Erforschung der LSBTIQ-Geschichte, 14.2.2022; SWR2, Leben & Gesellschaft: Gespräch, 25.2.2022