Unter dem Titel „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ informiert das Stadtarchiv Gera vierteljährlich über aktuelle Entwicklungen und historische Themen rund um eigene Arbeit und vermittelt damit einen Einblick in die Vielgestaltigkeit und die inhaltliche Bandbreite der im Stadtarchiv verwahrten Unterlagen.
Die zweite diesjährige Ausgabe der „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ wirft unter anderem einen Blick zurück auf den Besuch der Kaiserin Auguste Viktoria (1858-1921) in Gera vor 130 Jahren. In einem anderen Artikel wird das Sterbebuch des Jahres 1922 statistisch ausgewertet und den Zahlen manche familien- und individualhistorisch interessante Fragestellung entlockt. Der abschließende Beitrag wendet sich der Namensgebung der heutigen „Gagarinstraße“ vor 60 beziehungsweise 30 Jahren zu und ermöglicht einen Blick auf den Besuch des russischen Fliegermajors in Gera im Jahr 1963.
Abb.: Besuch der Kaiserin Auguste Viktoria am 8. Mai 1905 anlässlich der Konfirmation ihres Patenkindes Prinzessin Feodora Reuß jüngerer Linie in Gera(Quelle: Stadtmuseum Gera, A2 –0711)
Ein weiterer Beitrag, der von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadtverwaltung Gera, Dr. Lilia Uslowa, und der Soziologin Judy Slivi verfasst worden ist, nimmt Bezug auf die von Zeitgenossen als „Clara Zetkin von Gera“ bezeichnete Frauenrechtsaktivistin Anna Schneider (1876-1953), die von 1919 bis 1933 sowie nach 1945 in Gera kommunalpolitisch tätig war und auch über die Stadtgrenzen hinaus Bekanntheit erlangte.
Die angelernte Weberin Anna stand im Alter von 15 Jahren zum ersten Mal als Streikposten bei der Firma Bauer und Focke. 1897 heiratete sie in Gera den Eisendreher Carl Gustav August Schneider, welcher der politischen Arbeit von Frauen fortschrittlich gegenüber stand. 1908 trat Anna Schneider in die SPD ein. Sie besuchte häufig Versammlungen der SPD-Frauen, was nicht alle sozialdemokratischen Männer gern sahen. Anna Schneider sprach völlig frei und konnte Menschen in ihren Bann ziehen. Sie war eine Zeit lang auch Mitarbeiterin der von Clara Zetkin geleiteten Zeitung „Die Gleichheit“. Das alles schaffte sie, obwohl sie mit ihrem Mann insgesamt elf Kinder hatte.
Während der Novemberrevolution 1918 war sie Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates in Gera. Von 1919 bis 1933 war Anna Schneider Abgeordnete der SPD im Stadtrat und ist damit die einzige Frau, die über die gesamte Weimarer Republik in Gera kommunalpolitisch tätig gewesen ist. Im August 1944 wurde sie im Alter von fast 70 Jahren verhaftet, war einige Tage im Gestapo-Gefängnis Leipzig und Weimar inhaftiert und wurde anschließend im Konzentrationslager Ravensbrück interniert.
Nach 1945 war Anna Schneider erneut Mitglied der SPD und nahm am Vereinigungsparteitag der KPD und SPD zur SED in Gotha teil. Sie wurde Mitglied des Geraer Frauenausschusses und war im Vorstand des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) tätig. Sie leitete die Frauengruppe Gera-West und war Patin für einen großen Kindergarten. Außerdem war Anna Schneider Mitglied des Kreisvorstandes der SED und aktives Gemeinderatsmitglied. Sie wurde von ihren Zeitgenossen das „soziale Gewissen der Stadt“ genannt.
Anna Schneider starb am 29. November 1953 in Gera.
Link: Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 2/2021
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