Ja Ja Ja Ja Ja, Ne Ne Ne Ne Ne statt ta ta ta taa – so erklang es 2013 viele Minuten lang zur Verblüffung der zahlreichen Gäste zu Beginn der Verabschiedung von Ilona Schmiel als Intendantin des Bonner Beethovenfestes in den Räumen der Deutschen Welle.
Die legendäre Aufnahme der Fluxus-Veranstaltung von Joseph Beuys (1921-1986) aus dem Jahr 1968 statt einer Einspielung des Beethoven-Orchesters Bonn, der rheinische Schamane statt des einsamen Revolutionärs – eine gewollte Irritation, ja vielleicht sogar Provokation?
Beides passt neben der rheinischen Herkunft zu Beethoven und Beuys; darüber hinaus zeugt der Beitrag von Beuys zu Mauricio Kagels Film Ludwig van mit der Installation und Performance „Beethovens Küche“ von einer intensiven Beschäftigung des Künstlers mit dem großen Komponisten.
Joseph Beuys, dessen 100. Geburtstag am 12. Mai 2021 überall und natürlich auch in Bonn gefeiert wird, hatte vielfältige Beziehungen zu Bonn. Nicht nur, dass er ein bönnsches Mädchen, die heute 88-jährige Eva, geb. Wurmbach, Tochter eines Zoologie-Professors aus Dottendorf, 1959 in der Doppelkirche von Schwarz-Rheindorf ehelichte, auch seine künstlerischen und politischen Aktionen fanden in Bonn besonderes Interesse und sind in der Fotosammlung des Stadtarchivs Bonn detailliert dokumentiert.
Bereits 1973 stellte der engagierte Galerist und Art Cologne-Preisträger Erhard Klein in der Königstraße alle Multiples des Aktionskünstlers in Beuys‘ Beisein aus, so auch den berühmten Schlitten, und ließ in den kommenden Jahren viele weitere Ausstellungen folgen, immer verbunden mit der Bitte: mach et nisch zu teuer …
Berühmt wurde 1983 eine Aktion im Zusammenhang mit Beuys‘ ökologischem Projekt Difesa della natura, bei der Kartons von 12 mit Beuys-Etiketten versehenen Rosé-Flaschen zugunsten der von ihm in Düsseldorf gegründeten Free International University bei Klein verkauft werden sollten.
Abb.: Joseph Beuys signiert 1983 in der Galerie Erhard Klein im Rahmen seines Projekts DIFESA DELLA NATURA (Foto: Franz Fischer, Stadtarchiv Bonn)
Das Farbfoto von Franz Fischer zeigt Beuys bei genau dieser Veranstaltung. Der Galerist hatte auf der Einladung den Hinweis vergessen, an wen der Erlös gehen sollte, worauf Beuys die übrig gebliebenen Einladungskarten mit der Aufschrift ERHARD KLEIN UNKONZENTRIERT bedrucken ließ, sie signierte, nummerierte und zum Verkauf anbot. Dies löste eine mehrjährige künstlerische Kettenreaktion aus: Albert Oehlen/Martin Kippenbergers Edition ERHARD KLEIN VOLLKONZENTRIERT, Georg Herold mit 10 Wodka Flaschen ERHARD KLEIN KONZENTRAT, ein Notenheft von Friedrich Meschede ERHARD KLEIN KONZERTANT und schließlich das von Reiner Speck und Friedrich Schroers verfasste Jubiläumsheft zum 20-jährigen Bestehen der Galerie ERHARD KLEIN VOLL KONZENTRIERT.
Beuys‘ „erweiterter Kunstbegriff“ umfasste sein politisches und ökologisches Engagement. Seine Ideen zur direkten Demokratie propagierte er 1973 in der Galerie Magers, sein Konzept zur Städteplanung („Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“) 1984 in der Bonner Universität vor einem teils andächtig lauschenden, teils skeptischen Publikum.
Der Pop-Künstler Andy Warhol verewigte ihn 1980 nach einer Begegnung in München; das Porträt schenkte der Bonner Galerist Hermann Wünsche der Stadt für ihr Kunstmuseum, das durch den Erwerb der Sammlung Ulbricht, ergänzt um spätere Ankäufe, und durch die Schenkung der vollständigen Beuys-Bibliothek von Erhard Klein zur ersten Adresse für die Werke dieses Künstlers wurde. Die hauseigene Website verzeichnet immerhin 450 Beuys-Objekte.
Das Bonner Stadtarchiv verfügt über bedeutende und teilweise einzigartige Aufnahmen nicht nur der Bonner Auftritte des Künstlers, vorwiegend gesehen und festgehalten von den (nicht verwandten) Fotografen Camillo Fischer und Franz Fischer.
So hat zum Beispiel Camillo Fischer durch reinen Zufall 1967 von einer der frühen Beuys-Aktionen HAUPTSTROM UND FETTRAUM in Darmstadt erfahren und sie auf Zelluloid gebannt, die einzige Dokumentation dieses 10-stündigen Ereignisses überhaupt, die 1993 im Bonner Syndikat gezeigt wurde. Das Foto zeigt einen Teil dieser Performance.
Abb.: Joseph Beuys 1967 während seiner Aktion HAUPTSTROM UND FETTRAUM in der Galerie Franz Dahlem in Darmstadt (Foto: Camillo Fischer, Stadtarchiv Bonn)
Das legendäre Streitgespräch zwischen Beuys und dem Gründer der Artist-Placement-Group, John Latham 1978 im Bonner Kunstverein über Kunst als soziale Strategie fotografierte hingegen Franz Fischer, der zahlreiche Ausstellungen und Aktionen von Joseph Beuys begleitet und festgehalten hat, zum Beispiel die Kehraktion in Düsseldorf und auch manche private Situation. Auch die letzte Aufnahme wenige Tage vor Beuys Tod im Januar 1986, nach der Verleihung des Lehmbruck-Preises, stammt von Franz Fischer und war das Titelfoto der Ausstellung zu dessen 80.Geburtstag 2017 im Foyer des Stadthauses.
Wie wichtig und weithin anerkannt beide Fotografen für die Dokumentation des Schaffens dieses auch durchaus umstrittenen Künstlers sind, zeigen die Ausstellungen in Salzburg und Wien 1994 von Camillo Fischer und die Verwendung eines Großfotos von Franz Fischer in der Züricher Ausstellung 1993 sowie im Eingangsbereich der bedeutendsten Beuys Dauerausstellung in Schloss Moyland.
Auch nach seinem Tod war Joseph Beuys weiter in Bonn präsent: mit Ausstellungen, Vorträgen und Dokumentationen. Anlässlich seines 100. Geburtstags am 12. Mai 2021 ehren ihn die Bundeskunsthalle und das Kunstmuseum mit Sonderausstellungen.
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Quelle: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn, Zeitfenster, Mai 2021