Sonderausstellung im Deutschen Hygienemuseum Dresden läuft noch bis zum 6. Januar 2019 – Ein Bericht von Christoph Schwab (Kurator des Museums auf der Hardt der Archiv- und Museumsstiftung der VEM) über Exponate der Kolonialzeit.
Wie kamen Gegenstände aus Afrika, Asien oder Ozeanien während der Kolonialzeit in europäische Museen? – Das ist nur eine der Fragen, die in der Ausstellung »Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen« im Deutschen Hygiene-Museum derzeit gestellt wird. Es ist aber auch eine Frage, die nahezu alle Einrichtungen in Europa und Nordamerika bewegt, die eine Sammlung mit derartigen Gegenständen aus dieser historischen Epoche ihr Eigen nennen. Das gilt auch für die Archiv- und Museumsstiftung der VEM. Sie war aus eben diesem Grund bereit, ein solches »sensibles Objekt« aus ihrer Namibiasammlung als Leihgabe für die Dauer der Ausstellung nach Dresden zu geben.
Abb.: Dieses »sensible Objekt« aus der Namibiasammlung der Archiv- und Museumsstiftung der VEM ist eine Leihgabe für die Rassismus-Ausstellung in Dresden.
Das dort ausgestellte Reibholz und die Astgabel stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Familienbesitz des Herero-Chiefs Omuhona Kukuri. Sie wurden vermutlich im Zusammenhang mit dem Ahnenfeuer des Clans benutzt, dem Chief Kukuri vorstand. Alle Handlungen, die mit dem Ahnenfeuer in Zusammenhang standen, waren für die Herero von zentraler Bedeutung: für ihre Verbindung zu den Vorfahren, den verwandtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Gegenwart und die Fortschreibung ihrer Stammeslinie in die Zukunft.
Unsere Nachforschungen haben bisher ergeben, dass die Dinge zusammen mit weiteren Gegenständen Ende des 19. Jahrhunderts an den rheinischen Missionar Johann Jakob Irle übergeben wurden. Zwar kannten sich Irle und Kukuri bereits über viele Jahre, doch die Gegenstände erhielt der Missionar mutmaßlich erst kurz vor dem Tod des Chiefs, als dieser bereits schwer erkrankt war. Auch die Frage um Kukuris Taufe spielte in diesem Zusammenhang eine Rolle. Alle seine Familienangehörigen waren zu diesem Zeitpunkt bereits Christen. Die genauen Umstände der Aushändigung werden aber wohl nicht mehr vollständig zu klären sein. Der Dialog mit Experten und Einrichtungen aus den Herkunftsländern über den richtigen Umgang mit Gegenständen dieser Art vor dem Hintergrund ihrer besonderen Erwerbsumstände ist deshalb ein wichtiges Anliegen der Stiftung.
Außerdem zeigt die Dresdner Ausstellung auch die von einem rheinischen Missionar 1905 angefertigte Skizze. Sie zeigt das nach dem Kolonialkrieg von der deutschen Verwaltung für die Herero und Nama eingerichtete Konzentrationslager auf der Haifischinsel. Auch dieses Dokument stammt aus den Archivbeständen der Archiv- und Museumsstiftung der VEM und wird normalerweise in der Dauerausstellung des Museums auf der Hardt gezeigt.
(Christoph Schwab: VEM-Journal 03/2018, S. 30)
Einführung in die Ausstellung „RASSISMUS – Die Erfindung von Menschenrassen“
Rassismus ist eine menschenfeindliche Ideologie und gleichzeitig eine alltägliche Praxis, durch die viele Menschen unter uns mit Diskriminierung und Gewalt konfrontiert sind. Aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Aussehens, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Sprache machen sie immer wieder erniedrigende Erfahrungen, die für andere Teile der Bevölkerung nur schwer vorstellbar sind. Rassismus verletzt aber nicht nur die Einzelnen, er widerspricht auch den Idealen menschlicher Gleichheit und Freiheit, die unserer demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen.
Die Sonderausstellung fragt danach, welcher Zusammenhang zwischen dieser Form des Rassismus und dem Begriff der „Rasse“ selbst besteht. Dabei geht es weniger um die Geschichte dieses gefährlichen Wortes, das in unserer Gesellschaft inzwischen weitgehend geächtet ist, als um die Struktur und Wirkung dieser langlebigen Idee. Denn mit der Kategorie „Rasse“ werden nur scheinbar menschliche Unterschiedlichkeiten beschrieben, in Wahrheit dient sie dazu, politische, soziale und kulturelle Ungleichheit zu begründen.
Obwohl die Menschen überall auf der Welt ganz unterschiedlich aussehen – so etwas wie „Menschenrassen“ gibt es nicht. „Rassen“ sind eine wissenschaftliche Erfindung, die seit dem 18. Jahrhundert ihre unheilvolle Macht entfaltet hat. Die Ausstellung analysiert die Methoden, mit denen dieses Denken entwickelt wurde, und sie zeigt die Bilder und Medien, in denen sie sich verbreitet haben. Eine eigene Abteilung thematisiert die Rolle des Deutschen Hygiene-Museums als Propagandamaschine der sogenannten „Rassenhygiene“ während des Nationalsozialismus. Ein weiteres Kapitel ist der rassistischen Herrschafts- und Ausbeutungspolitik in der Epoche des Kolonialismus gewidmet, deren Folgen bis zu den Fluchtbewegungen unserer Tage nachwirken.
Neben dieser kulturhistorischen Betrachtung des „Rasse“-Begriffs, kommen in allen Abteilungen auch solche Persönlichkeiten und Bewegungen zu Wort, die sich kritisch und widerständig mit rassistischen Ideologien auseinandergesetzt haben. Zahlreiche Medienstationen, Interview-Filme und Video Installationen stellen aktuelle Themenfelder zur Diskussion: Alltagsrassismus, die Debatte um die Populationsgenetik, die Rückgabe von geraubten Kulturgütern oder die Herausforderungen einer postmigrantischen Gesellschaft.
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