Sachthematisches Online-Inventar zu den Akten und Karten der Abteilung Westfalen des Landesarchivs NRW
Überarbeitete und stark erweiterte Fassung des gleichnamigen Inventars von Ursula Schnorbus von 1983, Münster 2018 (Link). Die erste Auflage des Inventars und die in ihm aufgeführten Archivalien sind mit dem wachsenden Interesse an der Erforschung der Geschichte des Judentums häufig benutzt worden. Einer Vielzahl von Studien ist der Quellenzugriff zumindest erleichtert worden.
Zu nennen sind etwa die seitdem erschienenen Bände der Westfalica Judaica, sowie das Großunternehmungen des von der Historischen Kommission für Westfalen getragenen vierbändigen „Historischen Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe“. Die Bände dieses Werkes geben den Forschungsstand bis zum Jahr 2016 wieder. Auf sie sei daher in Bezug auf die aktuelle Forschungsdiskussion verwiesen. Angesichts der weiterhin großen Zahl der auf archivalische Quellen angewiesenen Projekte, sei es die Verlegung von Stolpersteinen, seien es Crowdsourcing-Projekte wie etwa das „Juden- und Dissidentenregister in Westfalen und Lippe“, erscheint eine Neuauflage des Inventars aus verschiedenen Gründen als sinnvoll: In den seit Erscheinen vergangenen 35 Jahren hat das damalige Staatsarchiv Münster, die heutige Abteilung Westfalen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, zahlreiche neue Unterlagen übernommen und erschlossen. Bei einer großen Zahl von bereits 1983 vorhandenen Beständen konnte die Verzeichnung seitdem außerdem verbessert werden. Das vorhandene Material hat sich also erheblich vermehrt und ist leichter zugänglich geworden. Auch inzwischen eingetretene Änderungen in der Tektonik und der Bestandsbenennung mussten eingearbeitet werden.
Wie bereits bei der ersten Auflage wurden diejenigen Dokumente berücksichtigt, aus deren Aktentitel oder Enthält-Vermerk ein Bezug zur Geschichte der jüdischen Menschen, ihrer Institutionen und Lebensumstände erschlossen werden konnte. In gleicher Weise wurde auf die inhaltliche Auswertung des Textbestandes von Handschriften, Protokollreihen und ähnlichem Archivgut verzichtet.
Den Bearbeitern des vorliegenden Inventars stellte sich die Problematik der Wahrung der archivgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechte: Zahlreiche vorhandene personenbezogene Unterlagen besonders der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beziehen sich auf Personen, die noch nicht verstorben sind oder deren Lebensdaten durch ein Archiv nicht mit vertretbarem Aufwand (oder überhaupt nicht) festgestellt werden können. Große Beständegruppen sind erst im Verlauf der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und nach ihrem Ende im Zuge der Rückerstattung entzogenen jüdischen Vermögens und des materiellen Ausgleichs von erlittenen Schäden sowie der Verfolgung der Täter entstanden. Hier waren die Interessen von Opfern und Zeugen zu berücksichtigen. Das vorliegende Inventar beansprucht daher nur bis zum Jahr 1933 eine relative Vollständigkeit.
Auf folgende wichtige Beständegruppen, die aus archivrechtlichen Gründen nicht berücksichtigt wurden sind, möchten die Bearbeiter besonders hinweisen: Die Akten der Devisenstellen (Bestand Oberfinanzdirektion, Devisenstelle) befassen sich der Kontrolle und Abschöpfung des Vermögens jüdischer Personen. Besonders Auswanderungswillige wurden so durch die Finanzbürokratie um den Großteil ihres Besitzes gebracht.7 Der Bestand der Abteilung Westfalen umfasst etwa 5.000 Akten, die das Schicksal von über 11.500 verfolgten Personen dokumentieren. Die Akten der Ämter für gesperrte Vermögen und die Rückerstattungsakten der Landgerichte beleuchten den Versuch der Vermögensrestitution in der Nachkriegszeit und ergänzen sich dabei inhaltlich. In der Abteilung Westfalen des Landesarchivs sind ca. 30.000 Einzelfallakten der Bezirks- und Kreisämter für gesperrte Vermögen der Regierungsbezirke Münster und Arnsberg überliefert sowie 16.000 Rückerstattungsakten aus sechs Landgerichten.
Neben diesem kleineren Teil der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts wurde durch den Gesetzgeber versucht, auch immaterielle Schäden durch Unterbrechung oder Verhinderung der beruflichen Ausbildung, der Berufstätigkeit, dem Entzug der Freiheit oder dem Verlust von Gesundheit oder des Lebens auszugleichen. Diese Entschädigungsleistungen nach dem s.g. Bundesentschädigungsgesetz sollten einen wesentlich größeren Umfang als die vorgenannten Maßnahmen annehmen. Die Verfahren gehen aus den so genannten Wiedergutmachungsakten hervor, von denen aus dem Regierungsbezirk Arnsberg ca. 28.000 Einzelfallakten vorliegen sowie ca. 12.000 aus dem Regierungsbezirk Münster. Weitere Beständegruppen enthalten ebenfalls zahlreiche Informationen zur Geschichte des Judentums in Westfalen. Hierzu gehören die Akten zur juristischen Aufarbeitung des Holocausts durch die deutschen Gerichte der Nachkriegszeit, die noch immer nicht abgeschlossen ist. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Akten der Staatsanwaltschaft Dortmund, Zentralstelle für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen, aber auch die Akten der anderen Staatsanwaltschaften. Dazu kommen die Unterlagen der Entnazifizierungsverfahren, die sich allerdings für die beiden durch die Abteilung Westfalen betreuten Regierungsbezirke Arnsberg und Münster nicht in Münster selbst befinden, sondern zentral für das ganze Land Nordrhein-Westfalen in der Abteilung Rheinland in Duisburg verwahrt werden. Im Bestand Personalakten sind Unterlagen zu zahlreichen jüdischen Beamtinnen und Beamten bzw. Beschäftigten von staatlichen Behörden des früheren Landes Preußen bzw. des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen vorhanden.
Als Inventar zu den in der Abteilung Westfalen lagernden Quellen zur Geschichte der Juden enthält die vorliegende Zusammenstellung nicht die in anderen Archiven verwahrten und die Geschichte der Juden in Westfalen betreffenden Archivalien. Für den heutigen Regierungsbezirk Detmold ist nur der Zeitraum bis etwa 1815 abgedeckt, während die Unterlagen der Behörden im Regierungsbezirk Minden bzw. Detmold sowie des früheren Landes Lippe sich in der Abteilung Ostwestfalen-Lippe befinden.
(Gerald Kreucher)
Link: http://www.archive.nrw.de/lav/abteilungen/westfalen/BilderKartenLogosDateien/Judeninventar.pdf
Kontakt:
Dr. Mechthild Black-Veldtrup
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen
Bohlweg 2
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Fax: 0251-4885100
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Quelle: Nachrichtensammlung Westfälische Geschichte, 8.10.2018