Seit dem hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs werden im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg monatlich wechselnde „Schlaglichter“ in Form einer kleinen Präsentation gezeigt. Ausgewählte Dokumente, Fotografien und Objekte, zumeist aus den Beständen des Archivs (und ab und an auch in Kooperation mit regionalen Sammlern und Heimatforschern) werden über einen Zeitraum von jeweils vier Wochen gezeigt. Die Präsentationen finden regelmäßig Anklang in der Presse und werden von den Besucher*innen des Archivs gerne angenommen. Die jeweiligen Präsentationstexte sowie ausgewählte Bilder werden seit dem August 2014 über die Homepage des Archivs dokumentiert (Rückblick).
Das aktuelle Thema ist ein Fall von Desertion in Aschaffenburg Ende 1917/Anfang 1918:
Am 9. Dezember 1917 hatte der Wachtmeister Franz Dernbach in Hösbach einen Mann aufgegriffen und ihn wegen Verdachts auf Wehrpflichtsverletzung verhaftet. Am nächsten Tag lieferte ihn die Aschaffenburger Gendarmerie in das Amtsgerichtsgefängnis ein.
Abb.: Foto von Theodor Schrage, der wegen Fahnenflucht gesucht wurde, 1918 (SSAA, SBZ I 2314)
Die Ermittlungen bei Melde- und Militärbehörden konnten die Angaben zu seiner Person zunächst nicht belegen, so dass die Aschaffenburger Kriminalpolizei erkennungsdienstliche Untersuchungen einleitete. Neben Fotografien wurden auch Fingerabdrücke angefertigt und der Polizeidirektion in München zugeschickt. Da dort keine übereinstimmenden Beweismittel vorlagen, sandte die Münchener Behörde die Fingerabdrücke zur weitergehenden Prüfung an die Sammelstellen in Basel, Berlin, Bern, Budapest, Dresden, Hamburg, Nürnberg, Stuttgart, Wien, Brünn, Luzern und Zürich.
Anfang des Jahres 1918 erreichte eine Mitteilung aus Hamburg die Aschaffenburger Staatsanwaltschaft, wonach der Verhaftete „personengleich“ mit dem im deutschen Fahndungsblatt von der Staatsanwaltschaft Trier „wegen Diebstahls zur Verhaftung ausgeschriebenen“ Landarbeiters Theodor Schrage war.
Über Waltrop, dem Geburtsort Schrages, gelang den Aschaffenburger Ermittlern schließlich die Verbindung zur zuständigen militärischen Einheit: Ende Dezember 1917 hatte das 1. Ersatzbtaillon des Infanterie-Regiments 168, einen Steckbrief veröffentlicht und in Waltrop um „Nachforschung“ gebeten. Man vermutete, „daß sich Schrage unter falschem Namen umhertreibt, da er sich während seines unerlaubten Entfernens im Mai 1916 / März 1917 die Namen Stanislaus Michalowski und Bernhard Model beilegte.“
Am 18. Januar 1918 verfügte der Zivilvorsitzende des Aushebungsbezirks Aschaffenburg, dass Theodor Schrage „an das Transportkommando des Ersatz-Bataillons des Infanterie-Regiments Nr. 168 in Offenbach a.M. abgeliefert werden“ könne. Dies erfolgte noch am gleichen Tag, wie Sergeant Keßler, Transportführer der 3. Kompanie des Infanterie-Regiments Nr. 168, der Gefängnisverwaltung bestätigte.
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