20 Jahre Kreisarchiv Stormarn

Kreisarchivar Stefan Watzlawzik über Akten, Fake News und KI.

Wäre das Kreisarchiv Stormarn ein Computerspiel, hätte es das nächste Level erreicht: 225.000 Archivalien sind jetzt online auf dem Archivportal-D und in der Deutschen Digitalen Bibliothek abrufbar, die Zugang zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe Deutschlands bieten. Im Interview erläutert Leiter Stefan Watzlawzik, was in den letzten 20 Jahren erreicht wurde und welche Rolle KI zukünftig spielen wird.


Abb.: Kreisarchivar Stefan Watzlawzik präsentiert digitales Angebot (Foto: Kreis Stormarn).

Warum sind die Portale für das Kreisarchiv wichtig?

Es ist die zentrale Aufgabe des Kreisarchivs, seine Daten nach außen zu tragen. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger sich mit Informationen zu Stormarn auseinandersetzen können. Dabei geht es um Transparenz und um den Rechtsstaat, denn letztendlich zeigt dies, dass Entscheidungen verlässlich nach Gesetzen getroffen werden. Im nationalen Portal sind die Informationen mit denen aus anderen Archiven vergleichbar.

Welche Archivalien aus Stormarn sind online abrufbar?

Es ist ein laufender Prozess, dass wir unsere Archivalien scannen und einstellen. Wir haben jetzt Dinge online, die alle nutzen können, aber auch Unterlagen, die nur die Verwaltung sehen darf, wenn es sich um personenbezogene Daten handelt, die geschützt werden müssen. Insgesamt sind es sogar mehr als 250.000 Archivalien, dahinter stecken rund drei Millionen Scans.

Warum kann man nicht alles sofort einsehen?

Ja, eine häufige Frage. Meist müssen wir aus urheberrechtlichen Gründen zunächst den Zugriff einschränken und erteilen erst auf Antrag die digitale Freigabe. Hier würde ich mir persönlich wünschen, dass auf europäischer Ebene geregelt wird, dass öffentliche Institutionen wie Archive, Bibliotheken und Museen keinen Schadensersatz leisten müssen, wenn Sie Texte und Bilder barrierefrei abrufbar machen, für die noch Leistungsrechte bestehen.

Wonach wird ausgewählt, was in das Internet eingestellt wird?

Ein Schwerpunkt ist die zentrale Verwaltungsüberlieferung, also Unterlagen aus der Kommunalpolitik, Umwelt, Planung, in geringerem Maß auch zu Identität, Gesundheit und Jugendfürsorge, aber ansonsten wird viel eingestellt, was nachgefragt wird. Die Nutzer/-innen bestimmen somit über die Digitalisierungsschwerpunkte mit.

Wo steht das Kreisarchiv im bundesweiten Vergleich?

Wir liegen auf Platz drei, was die Anzahl der gescannten Papierunterlagen angeht. Es gibt nur zwei Landesarchive, die mehr im Archivportal-D eingestellt haben. Das zeigt – weil alle Kreise ähnlich viele Akten haben müssten -, wie lang noch der Weg ist, bis alles online zugänglich ist. Das Kreisarchiv Stormarn hat schon vor 15 Jahren mit dem Scannen begonnen, deshalb sind wir jetzt einen Schritt voraus.

Wie haben Sie das geschafft?

Das ist eine Gemeinschaftsleistung: Da sind zunächst die Träger und Förderer zu nennen, die Kreispolitik, die Sparkassen-Kulturstiftung, die Bürgerstiftung Stormarn, die Jürgen-Wessel-Stiftung, das Land Schleswig-Holstein oder auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die viele Erschließungs- und Digitalisierungsprojekte gefördert haben. Wir haben viele Praktikanten gehabt, die uns in der Erfassung der Infos geholfen haben und seit eineinhalb Jahren bilden wir aus, was mich persönlich sehr freut. Die Leistung wurde also auf viele Schultern verteilt.

Wie hat sich das Kreisarchiv verändert, seitdem Sie 2003 Ihr Stelle angetreten haben?

Am Anfang hat das Kreisarchiv hauptsächlich nach außen gewirkt über Veröffentlichungen, Ausstellungen und Vorträge. Mitte der 1990er-Jahre hat der Kreis erkannt, dass Fachpersonal nötig ist. Wir haben den Schwerpunkt dann stärker dahin verlagert, Dienstleister für die Kreisverwaltung zu sein, damit sie verlässlich und effektiv arbeiten kann.

Was sind jetzt die Aufgaben des Kreisarchivs?

Die Sicherung der historisch wertvollen Unterlagen aus der Verwaltung ist gesetzlich festgelegt. Dazu kommt Material aus dem nicht-amtlichen Bereich, also von Privatpersonen und Firmen, Vereinen. Aber die Bereitstellung der Verwaltungsakten ist der wesentliche Kern, da sie öffentlichen Glauben besitzen und somit Grundlage sind, um Fake-News zu identifizieren. Insofern hat das Kreisarchiv eine zentrale Rolle als Verifizierungsstelle.

Welche Rolle hat das Kreisarchiv bei der Einführung der e-Akte?

Verwaltungen befinden sich in der größten Umstellung seit Jahrzehnten, die enorm viel Ressourcen beansprucht. Bürger/-innen sollen alles von zu Hause online beantragen können und eine kompetente Antwort möglichst zügig erhalten. Das Kreisarchiv hilft, den Berg an Informationen, die in Papier gebunden sind, digital verfügbar zu machen, damit die Prozesse effektiver werden und nebenbei auch digitales Homeoffice für die Mitarbeiter/-innen möglich wird.

Wie geht es weiter?

Wir haben im Kreisarchiv einen großen Teil der Akten und Sammlungen bereits digitalisiert, weitere Bereiche sollen folgen. Das ist eine riesige Datenbank. Für die Auswertung und Vermittlung haben wir das Stormarn-Lexikon, das ebenfalls online weiter wächst. Der nächste Schritt wird wahrscheinlich der Einsatz von KI sein, also dass die Forschung, aber auch die Verwaltung große Datenmengen automatisiert auswerten können. Unsere Hauptaufgabe bleibt aber weiterhin das Bereitstellen von Informationen mit verlässlichen Fakten.

Abb.: Screenshot von der Deutschen Digitalen Bibliothek mit den Daten des Kreisarchivs Stormarn (Foto: Kreis Stormarn).

In der Fachwelt wird der Umstand, dass das Kreisarchiv Stormarn bereits eine große Menge von Archivalien online verfügbar gemacht hat, begrüßt. Durch die aktive Bereitstellung von Daten für Online-Portale wie die Deutsche Digitale Bibliothek gelinge es dem Kreisarchiv und darüber hinaus seiner Kreisverwaltung, den heutigen Bedürfnissen nach barrierefreiem Zugang zu Unterlagen zu entsprechen, erklärt Ralf Jacob, Vorsitzender des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA).

Für Johannes Rosenplänter, Vorsitzender des Verbands Schleswig-Holsteinischer Kommunalarchivarinnen und –archivare (VKA), ist es „ein großartiger Erfolg, dass jetzt 225.000 digitale Archivalien aus Stormarn auf dem Archivportal D zur Verfügung stehen.“ Davon profitierten nicht nur Wissenschaft und Verwaltung, sondern alle im Kreis Stormarn. „Das Kreisarchiv Stormarn hat es mit überschaubaren Ressourcen geschafft, zu einem Modell für Archive im digitalen Zeitalter zu werden.“

Kontakt:
Kreisarchiv Stormarn
Mommsenstraße 14
23843 Bad Oldesloe
E-Mail: kreisarchiv@kreis-stormarn.de

Quelle: Kreis Stormarn, Pressemeldung, 20.3.2024.

Corvey und das Erbe der Antike: Kaiser, Klöster und Kulturtransfer im Mittelalter

Große Sonderausstellung 2024 im Diözesmuseum Paderborn.

Politik, Philosophie, Kunst und Literatur – so manches, was unsere freiheitliche Gesellschaft bis heute prägt, hat seine Wurzeln in der Antike. Und doch ist vieles, was wir über die Zeit von Homer, Caesar, Tacitus und Co. wissen, nur in der Überlieferung des Mittelalters erhalten. Mit der großen Sonderausstellung Corvey und das Erbe der Antike vom 21.9.2024 bis 26.1.2025 zeigt das Diözesanmuseum Paderborn anhand einzigartiger und faszinierender Leihgaben aus Europa und den USA, wie antikes Wissen und Kultur durch die Jahrhunderte übermittelt wurden und unsere europäische Gesellschaft bis heute prägen.

Anlass der Ausstellung ist die Gründung des Klosters Corvey vor über 1.200 Jahren und das 10-jährige Jubiläum seiner Ernennung zum Welterbe der UNESCO.

Kaiser, Klöster und die Think-Tanks des Mittelalters
Bedeutende Klöster wie die Reichsabtei Corvey an der Weser spielten bei der vom Frankenkaiser Karl dem Großen (747/48–814 n. Chr.) geförderten Wissenssammlung und -organisation eine entscheidende Rolle. Deren Bibliotheken waren nicht allein Horte des Wissens zur Antike, sondern auch Relaisstationen für dessen Verbreitung. Doch nur das, was man in den Think-Tanks der Herrschenden für überlieferungswürdig hielt, wurde auch abgeschrieben und weiterverbreitet. Gleichzeitig entstanden in den Bauhütten und Werkstätten der mittelalterlichen Klöster und Königspfalzen faszinierende Werke der Architektur, der Goldschmiede- und Elfenbeinkunst in antiker Tradition. Mitunter arbeiteten die mittelalterlichen Handwerker antike Originale um oder integrierten sie prominent in ihre eigenen Werke. Vereinnahmt und geprägt vom jeweiligen Zeitgeist, erzählen sie eigene, neue Geschichten und geben uns bis heute Rätsel auf.

Wie kam Odysseus an die Weser?
Ein solch rätselhaftes Werk findet sich noch heute an den Wänden des Westwerks Corvey. Vor mehr als 1.000 Jahren entstanden hier Malereien, die den Kampf des antiken Helden Odysseus gegen das Meeresungeheuer Skylla zeigen. Es ist die älteste erhaltene mittelalterliche Darstellung dieses antiken griechischen Epos. Doch woher kannten ihre Schöpfer die Geschichte? Warum war die Erzählung von Odysseus im Mittelalter noch so wichtig, dass sie an den Innenräumen eines bedeutenden kirchlichen Gebäudes angebracht wurde? Die Auftraggeber solcher Wandmalereien, aber auch imposanter Werke der Schatzkunst und aufwändiger Abschriften antiker Texte zählten zu den Mächtigsten im Reich. Doch was wussten sie eigentlich über die Antike?

Die Sonderausstellung geht diesen Fragen anhand zahlreicher historischer Exponate nach. Arbeiten zeitgenössischer Kunst, die den Themenkanon der Antike aufgreifen, erhalten zudem ein eigenes Ausstellungskapitel. Dabei wird die kulturelle Aneignung der Antike nicht als reine Erfolgsgeschichte präsentiert. Denn gerade in Gebieten wie Westfalen, die nie zum Römischen Reich gehört hatten, wurde Wissen traditionell mündlich weitergegeben. Vieles davon ist für immer verloren. Auch das wird Thema der Ausstellung sein.


Abb.: Die Odysseus/Skylla-Szene an der Nordwand unter der Westempore des Johanneschors im Westwerk der Klosterkirche Corvey (Foto: Kalle Noltenhans).

Einzigartige Schätze und multimediale Installationen
Die einstige Bibliothek der Abtei Corvey besaß bedeutende, teils kunstvoll gestaltete Pergamenthandschriften, die heute in alle Welt verstreut sind. Für die Sonderausstellung werden einige der wichtigsten noch erhaltenen Werke in Paderborn wieder vereint. Architekturfragmente, wunderbar gearbeitete Elfenbeine, Schatzkunst, Stuck- und Wandmalereifragmente beantworten darüber hinaus die Frage, wie antike Kunsttechniken, die in der Zeit nach dem Untergang des Römischen Reiches fast verloren schienen, im Mittelalter wieder aufleben konnten.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die kostbaren Originale. Flankiert werden sie von virtuellen Interventionen, die exklusive Einblicke in die Tätigkeit von Restauratoren, Forschern und Naturwissenschaftlern geben, die heute das antike Erbe für uns bewahren.

Kontakt:
Erzbischöfliches Diözesanmuseum
und Domschatzkammer
Markt 17
33098 Paderborn
Tel. +49 (0) 5251-1251400
museum@erzbistum-paderborn.de

Quelle: Diözesanmuseum Paderborn, Pressemitteilung, 2.11.2023

Erzähl mal – Workshopreihe zur Spurensuche in der NS-Familiengeschichte

Mitgemacht, profitiert, weggeschaut, verfolgt – wie erlebten die eigenen Vorfahren das NS-Regime, wie haben sie sich dazu verhalten?

Eine kostenlose Workshopreihe des Geschichtsorts Villa ten Hompel macht Interessierte aus Münster und dem Münsterland ab April fit, sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen, und begleitet sie dabei – von Einstiegsworkshops vor Ort über digitale Formate und Sprechstunden bis hin zu einem Gesprächsabend. Seit 1. März sind Anmeldungen über tenhomp@stadt-muenster.de möglich.


Foto: Villa ten Hompel.

Wo recherchiert man am besten, welche Archive sind Anlaufstellen, wie stellt man Anträge und wie geht man mit dem Material um, was man vielleicht schon zuhause hat? Das ist Thema in den Einstiegsworkshops, die bei den Partnerarchiven in Steinfurt, Warendorf, Münster und Hörstel an folgenden Terminen stattfinden:

Im Mai und Juni geht es mit digitalen Themenworkshops weiter mit vertiefenden Fragen. Die Themen bestimmen die Teilnehmenden je nach Fragen und Interessensgebieten selbst: Sütterlin lesen? Feldpostbriefe deuten? Fotoalben erschließen? Oder etwas ganz anderes – die digitalen Workshops am 14., 21., 28. Mai und 4. Juni, jeweils dienstags um 18 Uhr, bieten Raum für verschiedene Fragen. Die digitalen Themenworkshops können gesamt oder separat je nach Interesse besucht werden.


Foto: Villa ten Hompel.

Derweil unterstützen die Archivare der Partnerarchive – Dr. Philipp Erdmann für das Stadtarchiv Münster, Jannik Schröder für das Kreisarchiv Steinfurt und Dr. Knut Langewand für das Kreisarchiv Warendorf – sowie die Projektleiterinnen Annina Hofferberth und Karolin Baumann beim Vorgehen bei den eigenen Recherchen und fachlichen Fragen.

Im September schließlich gibt es Gelegenheit, in einer öffentlichen Abschlussveranstaltung zurückzublicken und ins Gespräch zu kommen: Was hat man herausgefunden? Welche Fragen stellen sich noch? Und welche Rolle spielt die Familiengeschichte im eigenen Erinnern? In verschiedenen Formaten – Text, Bild oder im Gespräch – sind die Teilnehmenden eingeladen, ihre eigenen Recherchen zu reflektieren und mit einem interessierten Publikum ins Gespräch zu kommen.

Das Projekt wird gefördert durch das RKP – Regionale Kultur Programm NRW. Es findet statt in Kooperation mit dem Stadtarchiv Münster, dem Kreisarchiv Steinfurt und dem Kreisarchiv Warendorf.

Zur Veranstaltungsseite.

Kontakt:
Geschichtsort Villa ten Hompel
Kaiser-Wilhelm-Ring 28
48145 Münster
Tel. 02 51/4 92-71 01
Fax 02 51/4 92-79 18
tenhomp@stadt-muenster.de

Quelle: Villa ten Hompel, Pressemitteilung, 29.2.2024