Kriminalfälle aus dem Kreisarchiv Stormarn

Der Trittauer Hexenprozess.

Im Kreisarchiv Stormarn schlummern interessante Kriminalfälle der Vergangenheit, die in Zeitungsartikeln und Fotos dokumentiert sind. Sie bilden die Grundlage für eine Artikelserie, die von Betrug bis Mord alles beinhaltet. Teil 1 von „Tatort Stormarn“ widmet sich dem „Trittauer Hexenprozess“.


Abb.: Prozess [„Hexenprozess“] gegen Martha Demuth wegen erwerbsmäßigen Besprechen von Krankheiten. Martha Demuth im Sitzungsraum vor Richterpodium mit Richter Gerhard Bluhm und Staatsanwalt (Name unbekannt) (Foto: Kreisarchiv Stormarn).

„Wenn man Böses dir getan, nagele es an der Eiche an“ – mit diesem Spruch, der nach altem Aberglauben Krankheiten bekämpft, schickte die Heilerin Martha Demuth Mitte der 1950er-Jahre eine schwer kranke Frau aus Kuddewörde nachts auf den Friedhof, wo sie einen Nagel in eine Eiche schlagen sollte. Damit sollte der Bann gebrochen werden, den angeblich ein Hexer über die kranke Frau gebracht hatte. Diese Praktiken sorgten dafür, dass die 62-jährige Martha Demuth im April 1956 vor dem Trittauer Amtsgericht erscheinen musste.

Dort wurde sie „wegen unerlaubter Ausübung des Heilgewerbes“ in sieben Fällen zu 35 DM Strafe an Stelle von sieben Tagen Haft verurteilt. Das Kreisarchiv Stormarn hat den „Trittauer Hexenprozess“ mit Texten und Fotos von Raimund Marfels archiviert. „Der Hexenprozeß … warf eine Anzahl von Fragen auf, die im Rahmen dieses Verfahrens nicht ausreichend geklärt werden konnten“, schrieb ein Berichterstatter der „Lübecker Nachrichten“ am 12. April 1956.

Fotos im Bestand des Kreisarchivs zeigen Martha Demuth mit Kopftuch und runder Brille vor Gericht, wo Richter Gerhard Bluhm das Urteil „wegen erwerbsmäßigen Besprechens von Krankheiten“ spricht. Zuvor hatte eine Reihe von Zeugen für die Frau ausgesagt, die vor Gericht angegeben hatte, das Besprechen im Alter von 40 Jahren von ihrer Mutter gelernt zu haben.

Bis heute gibt es im ländlichen Raum so genannte „weise Frauen“ oder auch Heiler, die bestimmte Krankheiten wie Gürtelrose, Furunkel oder Warzen durch Besprechen behandeln. Laut Tradition dürfen sie für ihre Heiltätigkeit kein Geld nehmen, ebenso ist es üblich, dass der Behandelte freiwillig eine Gabe oder auch etwas Geld zurücklässt.

So war es auch bei Martha Demuth. Vor Gericht sagten damals viele Zeugen für die Angeklagte aus. Laut Zeitungsartikel erklärte ein Tischlermeister aus Trittau, dass er wie seine Mutter an einer Gürtelrose gelitten habe, die kein Arzt habe heilen können. Erst als er die Krankheit von Martha Demuth habe besprechen lassen, sei sie verschwunden.

„Ich bin nur durch die Kunst dieser Frau geheilt“, zitiert ihn der Reporter. „Nach ihm beschwor ein 66jähriger Bauer, daß seine „Schweinsbeulen“ am Kopf durch „Abraten“ entfernt wurden. Am offenen Herdfeuer habe die Angeklagte den Zauberspruch gesagt: „Hier nehme ich sie weg und werfe sie hin, wo keine Sonne und kein Mond hinkommt“, zitiert das „Stormarner Tageblatt“ einen anderen Zeugen. Ein weiterer Mann sagte aus, dass die Heilerin ihn von seinen Koliken geheilt habe, derentwegen er gerade zu einer Kur geschickt werden sollte.

Vor Gericht gab Martha Demuth laut Archivmaterial an, nur Rosen, Koliken und andere leichte Krankheiten behandelt zu haben, bei deren Besprechung auch schon andere Heiler Erfolg gehabt hätten. „An dem Hokuspokus der Besprechung störten sich die meisten nicht“, hält der LN-Berichterstatter fest. Das habe man als notwendiges Beiwerk gesehen, „ebenso wie den leise gemurmelten Spruch, der einem alten Hexenbuch entnommen sein könnte.“

Aber einen Zeugen hatte es doch gestört: Ihn hatte die Angeklagte ihrerseits als „Hexer“ identifiziert und ihm deshalb eine Reihe von Tees verschrieben. Misstrauisch geworden hatte der solchermaßen Verunglimpfte die Tees in einer Apotheke untersuchen lassen – „mit dem Ergebnis, dass es sich um durchaus gesundheitsfördernde Kräutertees handele.“ In der Urteilsbegründung betonte der Richter laut „Stormarner Tageblatt“ die Gefahr des Besprechens von Krankheiten, weil dadurch die ärztliche Behandlung schwerer Krankheiten verzögert werden könnte, bis es zu spät sei.

„Zuhörer bei dem Trittauer Prozeß war auch der Leiter des Hamburger Archivs zur Bekämpfung des neuzeitlichen Hexenwahns, Johann Kruse“, berichteten die „Lübecker Nachrichten“ zehn Tage später noch einmal über den Prozess. Der Hexenforscher Kruse, der in den 1950er-Jahren viele Hexenprozesse verfolgte und als „Anwalt der Hexen“ in die Geschichte einging, hat sein Archiv 1978 als „Johann-Kruse-Archiv zur Erforschung des neuzeitlichen Hexenglaubens“ dem Hamburger Museum für Völkerkunde übergeben. Ein Foto von Marfels zeigt ihn in Trittau, wo er den Prozess gegen die Heilerin verfolgte.

Anlass der erneuten Berichterstattung war, dass die Lübecker Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Trittau Berufung eingelegt hatte. Sie kritisierte das Strafmaß von 35 DM Geldbuße. „Diese Strafe wurde von verschiedenen Seiten als zu milde angesehen“, so die Begründung. – In der Bevölkerung wurde das offenbar anders gesehen. Der Journalist berichtet, dass mehrere Leser sich zu dem Fall gemeldet hätten, die in der Tätigkeit der „weisen Frauen“ nichts Verwerfliches sähen. Auch Martha Demuth hatte vor Gericht angegeben, dass ihr kein Fall bekannt sei, bei dem ihre Heilkunst versagt habe. Ob es tatsächlich zu einem Berufungsverfahren kam, ist nicht dokumentiert.

Kontakt:
Kreisarchiv Stormarn
Mommsenstraße 14
23843 Bad Oldesloe
kreisarchiv@kreis-stormarn.de

Quelle: Kreis Stormarn, Pressemeldung, 24.1.2023

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