Stadtarchiv Stuttgart mit Tagung zum Thema Obdachlosigkeit

Das Stadtarchiv Stuttgart lädt zur Tagung mit dem Thema „Obdachlosigkeit. Historische und aktuelle Perspektiven auf ein ungelöstes Problem“ ein und widmet sich damit dem „Extremfall der Armut“ (Heribert Prantl). Die Tagung, in der historische und aktuelle Perspektiven gleichermaßen berücksichtigt werden findet in Kooperation mit der Ambulanten Hilfe e.V. und dem Caritasverband für Stuttgart e.V. am 13.10.2022 statt.


Abb.: Protest der Wohnsitzlosen in Stuttgart 1980 (Foto: Stadtarchiv Stuttgart).

Am Vormittag startet die Tagung mit drei Vorträgen, die sich dem Thema Obdachlosigkeit aus historischer Perspektive annähern. Zuerst spricht Prof. Dr. Martin Dinges (Stuttgart) zum Thema „Nichtsesshafte in der Frühen Neuzeit“. An welche Menschen(gruppen) dachte man in der Frühen Neuzeit beim Thema Obdachlosigkeit? Unterscheiden sich die damaligen Problemlagen von den aktuellen? Welche Ängste waren mit den Nichtsesshaften assoziiert? Prof. Dr. Martin Dinges war bis März 2019 stellvertretender Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert‐Bosch‐Stiftung (Stuttgart) und ist seit 2000 außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Universität Mannheim.

Aus historischer Perspektive
PD Dr. Beate Althammer (Humboldt‐Universität Berlin) widmet sich in ihrem Vortrag der Wohnungslosigkeit im 19. Jahrhundert. Ausgehend von individuellen Menschen, die wegen Bettelns, mittellosen Wanderns und Obdachlosigkeit ins Visier administrativer Maßnahmen gerieten, skizziert dieser Vortrag die Herausbildung des Problemfelds Wohnungslosigkeit in Deutschland vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Weimarer Republik. Dr. Beate Althammer ist Historikerin und Privatdozentin an der Universität Trier. Derzeit leitet sie das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt „Die Grenzen des Wohlfahrtsstaats. Migration, Soziale Rechte und Ausweisung (1850−1933)“ an der Humboldt‐Universität zu Berlin.

Vom 19. Jahrhundert bis heute
Den historischen Teil schließt der Vortrag von Dr. des. Nadine Recktenwald (Institut für Zeitgeschichte München‐Berlin) zum Thema „Obdachlosigkeit in der Stadt im 20. Jahrhundert“ ab. Der Vortrag zeigt den Weg der Obdachlosen in die Stadt und die dadurch hervorgerufenen Wechselwirkungen zwischen Obdachlosigkeit und Urbanität in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der frühen Bundesrepublik und gibt Einblicke in die Lebensräume der Betroffenen. Obdachlose galten als kriminelle sowie gesundheitliche Gefahr und wurden insbesondere im Nationalsozialismus von öffentlichen Ort verdrängt und verfolgt. Zugleich bot ihnen die Stadt vielfältige Angebote und die Möglichkeit, urbane Strukturen für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Nadine Recktenwald wurde 2019 mit der Dissertation „Räume der Obdachlosen. Obdachlosigkeit und Stadt, 1924−1974“ an der Ludwig‐Maximilians‐Universität promoviert.

Herausforderungen der Wohnungslosenhilfe
Am Nachmittag wird es in einem zweiten Teil um aktuelle Bezüge zum Thema Obdachlosigkeit gehen. Zunächst rekapitulieren Prof. Dr. Andreas Strunk und Prof. Dr. Michael Monzer die Geschichte der Ambulanten Wohnungslosenhilfe in Stuttgart in den Jahren 1975 bis 2022. In zwei von Dieter Kaufmann moderierten Gesprächsrunden sprechen Expertinnen und Experten über die Frage der Ambulanten Wohnungslosenhilfe heute (Hans‐Peter Sturm, Falk Roscher, Rotraud Weeber, Andreas Strunk) und über die aktuellen Herausforderungen der Wohnungslosenhilfe heute (Verena Rosenke, Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Michael Knecht, Ambulante Hilfe e.V., Harald Wohlmann, Caritas Stuttgart und Jan Peter, Sozialamt Stuttgart).

Stream auf Youtube
Anlass der Tagung ist die Übernahme des Vorlasses von Prof. Dr. Andreas Strunk in die Bestände des Stadtarchivs Stuttgart. Diese umfangreiche Dokumentation, in der sich eine jahrzehntelange berufspraktische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik widerspiegelt, wird künftig allen Interessierten dauerhaft zur Verfügung stehen. Obdachlosigkeit ist ein historisches Phänomen, das eine lange Geschichte hat. Zugleich bleibt sie, anders als andere Risiken menschlichen Daseins, ein ungelöstes soziales Problem. Trotz steigenden Wohlstands der Gesellschaft ist ihr Verschwinden nicht absehbar.

Die Vortragsreihe beginnt um 9 Uhr und endet voraussichtlich um 17.30 Uhr im Vortragssaal des Stadtarchivs Stuttgart, Bellingweg 21. Es wird um eine Anmeldung unter stadtarchiv@stuttgart.de gebeten. Die Tagung wird zudem auf dem YouTube‐Kanal des Stadtarchivs Stuttgart gestreamt:
www.youtube.com/channel/UC15lKXFyR6clDjsgcbkPi0g

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Bellingweg 21
70372 Stuttgart
Tel.: 0711 21691512
stadtarchiv@stuttgart.de

Quelle: Stadt Stuttgart, Information, 4.10.2022

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