Glanz und Niedergang des Bergbaus in Südtirol

Der Tiroler Bergbau hatte im Spätmittelalter seine Hochblüte. In Südtirol erlebte der Untertagebau nach der Annexion an Italien (1920) neuerlich einen Aufschwung. 1976 wurde das Landesamt für Bergbau errichtet. Schon bald wurden jedoch nahezu alle im Tiefbau tätigen Bergbaubetriebe eingestellt. Weiterhin von ökonomischer Bedeutung ist der Tagebau in Steinbrüchen und Gruben, wie in der Rubrik „Archivale des Monats“ (Mai 2022) des Südtiroler Landesarchivs ausgeführt wird.


Abb.: Nicht nur die Arbeit unter Tage fordert durch Schlagwetter, Stolleneinbrüche oder Grubenbrände ihre Opfer, auch im Tagebau kommt es durch Erdrutsche oder durch Muren zu Unglücken, 1942 (Südtiroler Landesarchiv, Amt für industrielle Innovation, Nr. 59)

Die Tiroler Montanwirtschaft hatte ihre Hochblüte vornehmlich mit dem Schwazer Silberbergbau vom Spätmittelalter bis ins ausgehende 16. Jahrhundert. Die wirtschaftliche Bedeutung, die dem Bergbau damals für den Landesfürsten zukam, ist etwa auch daran zu ermessen, dass die Bergleute ihren privilegierten Gerichtsstand vor eigenen Berggerichten genossen. Die zentralen Bergreviere auf dem Gebiet des heutigen Südtirols lagen oberhalb von Klausen am sogenannten Pfundererberg in Villanders, in Gossensaß und am Schneeberg, in der Gegend um Terlan und Nals sowie im Ahrntal. Den letzten großen Aufschwung erlebte der lokale Untertagebau nach der Annexion Südtirols an das zunehmend nach Autarkie strebende Königreich Italien. 1927 wurde folglich ein neues nationales Bergbaugesetz promulgiert. Nach der Verabschiedung des Sonderstatuts für das Trentino-Tiroler Etschland im Jahr 1948 durfte die Region durch ein eigenes Bergrevieramt mit Sitz in Trient (Ufficio minerario di Trento) den Bergbau selbst verwalten.

Durch das Zweite Autonomiestatut (1972) erlangte Südtirol schließlich auch primäre Gesetzgebungsbefugnis im Bereich des Bergbaus einschließlich der Mineral- und Thermalwässer, Steinbrüche, Gruben sowie Torfstiche. Während sich das Land zunächst vergeblich um die vom Staat gehaltenen Aktienpakete an Bergbau- und Thermengesellschaften (Bergwerk am Schneeberg, Fluormine in Deutschnofen, Meraner radioaktive Thermen) bemühte, gingen 1973 die Zuständigkeiten der regionalen Montanbehörde auf jeweils einen Ableger in Trient und Bozen über. Erst 1976 nahm das sodann aus der Taufe gehobene Landesamt für Bergbau seine Arbeit auf, dessen Agenden 1993 im Zuge von Umstrukturierungen in der öffentlichen Verwaltung dem Amt für industrielle Innovation übertragen wurden. 1978 folgte ein eigenes Landesbergbaugesetz.

Die Rentabilität des Südtiroler Untertagebaus war jedoch ab den 1960er bei den privat, etwas später auch bei den staatlich betriebenen Gruben in den 1970er Jahren an seine Grenzen gestoßen. – Heute vermittelt das Landesbergbaumuseum an vier Standorten (Schneeberg, Ridnaun, Prettau und Steinhaus) einen Einblick in die Geschichte dieses für den gesamten Alttiroler Raum so bedeutenden Wirtschaftszweiges.

Den vollständigen Beitrag „Archivale des Monats Mai 2022“ des Südtiroler Landesarchivs findet man zusammen mit einer Dokumenten- und Bildergalerie online.

Kontakt:
Südtiroler Landesarchiv
Armando-Diaz-Straße 8/B
39100 Bozen
Italien
Tel. +39 0471 411940
Fax +39 0471 411959
landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Archivale des Monats Mai 2022, 29.4.2022

Trierer Ausstellung über 225 Jahre »Zur blauen Hand«

Das Trierer Traditionsunternehmen „Zur blauen Hand“ begeht im Jahr 2022 sein 225-jähriges Jubiläum. Das Stadtarchiv Trier zollt dem in sechster Generation von der Familie Müller geführten Haus den gebührenden Respekt und erzählt die spannende Firmengeschichte seit dem 22. April 2022 in einer Kabinettausstellung im Foyer der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier/Stadtarchiv an der Weberbach 25. Gezeigt werden vor allem Exponate aus dem Firmenarchiv, das als Dauerleihgabe im Stadtarchiv verwahrt wird.

Das Unternehmen (Färberei und Tuchhandel am Weberbach) wurde 1797 durch den Blau- und Schönfärber Johann Nicolaus Müller errichtet, der erstmals das Färbeverfahren mit der indischen Indigopflanze nach Trier brachte. Der sprechende Firmenname „Zur blauen Hand“ rührt daher, dass der Firmengründer zugleich in der Färberei und im Geschäft tätig war und meist keine Zeit hatte, die blauen Farbrückstände von seiner Hand zu entfernen. Von seinen Söhnen durch den Anschluss einer Wollgarnspinnerei und Weberei zur Tuchfabrik erweitert.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges sind 40 % der Trierer Innenstadt zerstört. Auch „Zur Blauen Hand“ ist größtenteils ausgebrannt. So beginnt Wolfgang Müller 1946 durch eigene Tatkraft und mit Hilfe seiner heimgekehrten Mitarbeiter und anderer Helfer das Geschäftshaus wieder aufzubauen und Ware zu beschaffen. In den 50er Jahren gewinnt das Familienunternehmen über das Rhein- und Moselland hinaus in Fachkreisen den Ruf eines fortschrittlichen und leistungsfähigen Fachgeschäftes für Herren- und Knabenbekleidung. Nach zwei Jahrzehnten gelingt es 1966, das alte Geschäftsgebäude wieder aufzubauen und durch den Ankauf von zwei benachbarten Gebäuden um eine große Schauhalle und weitere Ladenräume zu erweitern. Doch die Perfektionierung der Fertigkleidung und ein erweitertes Größensystem verdrängen die Maßfertigung immer mehr. Deshalb gibt das Unternehmen diesen Geschäftszweig 1968 auf und übernimmt die Angestellten der Maßschneiderei in den Verkauf und ins Änderungsatelier.

„Die blaue Hand“ ist bis heute ein florierendes Textilunternehmen und damit ein Stück Trierer Wirtschaftsgeschichte.

Die Ausstellung ist bis 22. Mai 2022 montags 9 bis 13 Uhr, dienstags bis freitags 9 bis 17 Uhr sowie samstags und sonntags 10 bis 17 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

Kontakt:
Stadtarchiv Trier
Weberbach 25
54290 Trier
Tel.: 0651/718-4420/21/22
Fax: 0651/718-4428
www.stadtarchiv-trier.de

Quelle: Stadtarchiv Trier, Aktuelles; Zur blauen Hand, Über uns.

»digital zusammenarbeiten« auf dem 24. Brandenburgischen Archivtag

Den coronabedingt online durchgeführten 24. Brandenburgischen Archivtag (im 25. Jahr des Bestehens des VdA-Landesverbandes Brandenburg) besuchten am 27.4.2022 teilweise mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Oberthema der Veranstaltung lautete „digital zusammenarbeiten“, das Schlagwort des Tages war indes – wiederkehrend in mehreren Vorträgen aufgegriffen – „Digitale Transformation“. Staatssekretär Steffen Weber (Brandenburgisches Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur) bezog sich in seinem Grußwort dabei auf das „Digitalprogramm“ des Landes Brandenburg (#dp25).

Elektronische Aktenführung erfordere digitales Verwaltungshandeln. Neue Infrastrukturen und neues Knowhow seien notwendig. Das Land Brandenburg ist zur digitalen Speicherung des elektronischen Archivgutes dem DAN-Verbund beigetreten. „DAN-kommunal“ starte im Juli 2022 als Pilotprojekt. Es gebe mehrere Kooperationspartner resp. kritische Begleiter. Maßgabe sei, in Netzwerken zu denken und zu planen.

Der VdA-Vorsitzende Ralf Jacob hielt in seinem Grußwort Verbundlösungen und Kooperationsangebote im Blick auf die digitale Archivierung für existenziell – insbesondere für kleinere (kommunale), ein bis zwei Personen umfassende Archive. Die Beratungsstelle am Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam sei für die DAN-Beteiligung begrüßenswert. – Wie die Grußworte, so hatte auch der erste Vortrag einen kultur- bzw. archivpolitischen Schwerpunkt, der die Forcierung der umfassenden Digitalisierung des Verwaltungshandelns verdeutlichen sollte.

Dr. Sarah Zalfen (Referentin für Digitalisierung) stellte in ihrem Referat die digitale Agenda ihres Brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) für den Kulturbereich in Lande vor. Die Digitale MWFK-Agenda sei eine „Verständigungs- und Arbeitsgrundlage“ (bzw. „eine Vision und ein Arbeitsinstrument“). Sie verfolge zwei strategische Ziele: 1. Kultureinrichtungen zu befähigen, die Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen. Dabei gehe es um Teilhabe an der besagten „Digitalen Transformation“. 2. Materielles und immaterielles kulturelles Erbe zu erschließen, zu schützen, zu vermitteln, zugänglich und erlebbar zu machen. Konkret schließt die „Digitale Transformation“ u.a. eine Strategieentwicklung der brandenburgischen Kultureinrichtungen bis 2025 ein. Dafür gebe es ein Förderprogramm namens „DiWa“ (Digitaler Wandel). Zudem bilden Wissenstransfer, Vernetzung und open source den Fokus. Das Ministerium fördert Verbünde und Netzwerke, damit das „Rad nicht überall neu erfunden“ wird. Es gehe hingegen um die Schaffung von Rahmenbedingungen.

Um das kulturelle Erbe zu sichern und zugänglich zu machen, würden verschiedene „fördernde und steuernde Maßnahmen“ etabliert, dies mit dem Fokus auf: 1. Retrospektive Digitalisierung (in Verbünden und eben auch für kleine Einrichtungen; auf regionalen, nationalen und internationalen Plattformen; in vielfältiger Nutzung, da es eine Vielfalt an Präsentationsformen gebe), 2. Archive und Archivierung (Nutzung von Standards; Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten bis hin zum Digitalen Lesesaal; DAN-Beitritt Brandenburgs für die Langzeitarchivierung – mit dem Angebot zur Magazinpartnerschaft); 3. Langzeitarchivierung im digitalen Verbundmagazin (wobei es auch um die Sicherung des digitalen Kulturgutes von Museen, Gedenkstätten etc. gehe).

Weitere digitale Felder des MWFK in Brandenburg seien Open Access und eine Erweiterung der OA-Strategie hin zu Open GLAM bzw. Open Culture. Auch werde Künstliche Intelligenz als Technologie eine Schlüsselstellung einnehmen; KI solle auch im Kulturbereich nutzbar gemacht werden, z.B. bei Nutzungsverhaltensprognosen oder bei Verschlagwortungsvorhaben etc. Und schließlich gehe es um die „Binnendigitalisierung“: Alle Zuwendungsverfahren sollen digitalisiert werden, im Frontend und im Backend, um die Arbeit zu vereinfachen für die Menschen, „die im Zentrum der Digitalisierung stehen“.

Die Referentin wies in der anschließenden Diskussion auf die landeseigene „Digitalagentur“ hin, die einen Strategie-Baukasten für Kommunen entwickelt habe, der auch für Kultureinrichtungen sehr anwendbar sei. Prof. Dr. Mario Glauert (BLHA Potsdam) erwähnte zudem die Beratungstätigkeit der Landesfachstelle am BLHA Potsdam. Prof. Dr. Michael Scholz (FH Potsdam) betonte deren archivische Verbundtätigkeit für kleinere Einrichtungen.

Im folgenden Vortrag stellte Daniel Piskol (Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung) das elektronische Kommunalarchiv (elKA) für die Gemeinden, Städte und Landkreise in Sachsen bzw. bei der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD) vor.

Bei der SAKD als kommunaler Einrichtung gehe es derzeit darum, sächsische Kommunen für eine Beteiligung zu gewinnen. Piskol bot überdies einen engen, beratenden Austausch mit dem Land Brandenburg an. In Bezug auf die sächsische Situation beschrieb er die Hürden für Kommunen bei der Einführung eines eigenen elektronischen Archivs, insbesondere den hohen Ressourceneinsatz. Insofern projektierte man in Sachsen vor einigen Jahren den Aufbau eines zentralen elektronischen Kommunalarchivs als gemeinsame Lösung für sämtliche sächsische Kommunen (die Landeshauptstadt Dresden hingegen betreibe seit längerem eine eigene Lösung). Für das 2017 gestartete und auf vier Jahre angelegte Aufbauprojekt habe man lediglich 1,3 der beantragten 2,4 Mio. Euro einsetzen müssen. Der Aufbau erfolgte durch zentrale Mittel des Landes Sachsen. Der laufende Betrieb muss aber durch die teilnehmenden Kommunalarchive getragen werden, da es sich eben um eine kommunale Pflichtaufgabe handele. Aus den sächsischen Erfahrungen empfiehlt Piskol dem Land Brandenburg für das eigene Vorhaben, ebenfalls eine Lenkungsgruppe zu etablieren, sowie ein externes Projektcontrolling, um das Projekt zu einem Erfolg zu bringen. In Sachsen habe sich der Verbund bewährt. Dabei würden vom elKA zwei Möglichkeiten angeboten: selbst im DIMAG zu arbeiten oder über die Leitstelle eine Auftragsarchivierung durchführen lassen. Die für die sich beteiligenden Kommunen entstehenden Kosten seien gestaffelt; für kleine Gemeinden habe man die finanzielle Hürde niedrig gelegt. Zumindest 40 Kommunalarchive werden benötigt, um das Kostenmodell zum Tragen zu bringen. Man hofft, über die größeren sächsischen Archive eine Art Schneeballeffekt zur Beteiligung zu erzielen. Eine Beteiligung anderer Archivsparten jenseits der Kommunalarchive sei (derzeit zumindest) jedoch nicht vorgesehen.

Prof. Dr. Dr. Rainer Hering, der Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein, und Dr. Wulf Pingel, der Leiter des dortigen Digitalen Archivs, stellten anschließend die Digitale Archivierung im landesweiten Verbund Schleswig-Holstein vor. Während Hering die archivpolitischen Rahmenbedingungen und den längeren Prozess des Aufbaus seit 2016 erläuterte, fasste Pingel zunächst die damalige Ausgangslage zusammen. Erste Angebote für eine kommunale „Nachnutzung“ – die die große Herausforderung darstellt, um den Betrieb des Digitalen Archivs Schleswig-Holstein (DASH) wirtschaftlich zu sichern – sind insbesondere in einem im ganzen Land verbreiteten Beitrag in der Zeitschrift „Die Gemeinde“ (04/2017) kommuniziert worden. Der Betrieb sei in der Umsetzung recht komplex und weise grundlegende Unterschiede zum elKA in Sachsen auf. Es gebe aber die Hoffnung auf eine starke schleswig-holsteinische Verbundlösung.

Im Anschluss an die Vorstellung verschiedener Verbundlösungen für die landesweite digitale Archivierung widmeten sich die drei Vorträge am Nachmittag des 24. Brandenburgischen Archivtages einigen praktischen Projekten digitaler Arbeit. Robert Büschel, Museumspädagoge im Stadtmuseum Cottbus, stellte eine auf der Plattform der Deutschen Digitalen Bibliothek realisierte virtuelle Ausstellung zum Cottbuser Kriegsgefangenenlager von 1914 bis 1924 vor. Diese Ausstellung ist maßgeblich durch die Entdeckung hunderter von Fotos über das Kriegsgefangenlager möglich geworden. Dabei ist es technisch nicht notwendig, mit den präsentierten Quellen bereits DDB-Teilnehmer zu sein, um das Präsentationstool zu nutzen.


Abb.: Ausschnitt aus der DDB-Ausstellung „Ankunft auf Zeit. Die Cottbuser Kriegsgefangenenlager von 1914 bis 1924“

Julia Moldenhawer vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam berichtete über das dortige sog. OFP-Projekt (OFP = Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, 1933-1945). Dabei geht es um die elektronische Auswertung von insgesamt 41.700 personenbezogenen Akten aus der NS-Zeit zur Ermittlung von Kunstbesitz und zur Lokalisierung von NS-Raubkunst. Im Fokus stehen die Akten der seit 1942 bestehenden Vermögensverwertungsstelle (und somit gleichsam „Täterakten“). Die Vortragsfolien sind auf Prezi hinterlegt (https://prezi.com/p/mpqbwbnwejve/vortrag-ofp-praxisbericht/), weitere Informationen zur Provenienzforschung im OFP-Projekt finden sich im taz-Artikel „Spurensuche nach mehr als 70 Jahren“ sowie im Beitrag von Dr. Irena Strelow zum OFP-Projekt im ARCHIVAR 1/2022 (S. 44).

Ein drittes ebenso spannendes wie aktuelles Projekt stellte schließlich Franziska Schubert (Arolsen Archives) vor, indem sie anhand des im Jahr 2020 als Schülerprojekt gestarteten Online-Denkmals „Every Name counts“ (#everynamecounts) die Möglichkeiten und Grenzen von Crowdsourcing auslotete.

Dieses mittlerweile sehr umfangreiche Crowdsourcing-Projekt mit rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in drei Teams (Datenteam; Workflowteam zur Erstellung der Eingabemasken; Community-Management) entwickelte sich immer mehr zu dem Vorhaben, ein digitales Denkmal zu kreieren. Es geht dabei vorrangig um Bildungsaspekte und um Öffentlichkeitsarbeit, womit man Zeichen für Vielfalt, Respekt und Demokratie, sowie gegen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz in der Bevölkerung setzen möchte. Schubert machte deutlich, dass Crowdsourcing im Prinzip weder gedacht noch geeignet sei, um die komplexe Fachaufgabe der archivischen Erschließung zu übernehmen.

Der 24. Brandenburgische Archivtag, der von Dr. Wolfgang Krogel (Evangelisches Landeskirchliches Archiv Berlin), dem scheidenden, langjährigen Vorsitzenden des Landesverbandes Brandenburg im VdA geleitet und von Prof. Glauert und Prof. Scholz mit moderiert worden ist, mündete in eine kombinierte Aktuelle Stunde und Mitgliederversammlung. Michael Scholz gab dabei einen Rückblick auf 25 Jahre Geschichte des VdA-Landesverbandes und verabschiedete die langjährigen Vorstandsmitglieder Wolfgang Krogel, Brigitta Heine (Kreisarchiv Barnim) und dem bereits 2020 in den Ruhestand getretenen ehemaligen BLHA-Direktor Prof. Dr. Klaus Neitmann. Scholz stellte überdies in Vertretung für Sabine Stropp (Landesfachstelle für Archive und Öffentliche Bibliotheken Brandenburg) den Bericht aus der Landesfachstelle für die Jahre 2019 bis 2022 vor. – Der inhaltlich intensive und anregende Brandenburgische Archivtag soll, so die Hoffnung, im nächsten Jahr wieder in Präsenz stattfinden können.

Der Landesverband Brandenburg des VdA wurde am 12. März 1997 gegründet. Vorläufer war der am 18. Juni 1991 gegründete Arbeitskreis der Kommunalarchive des Landes Brandenburg, der zwischen 1992 und 1996 Kommunalarchivtage veranstaltete und dessen Arbeit in den Aktivitäten des Landesverbandes aufging.

(Jens Murken)

Link: Programm 24. Brandenburgischer Archivtag, 27.4.2022

Kontakt:
Landesverband Brandenburg des VdA
https://www.vda.archiv.net/lv-brandenburg/

Tag der offenen Tür im Stadt- und Kreisarchiv Gütersloh

Hatte der letzte Tag der offenen Tür im Stadt- und Kreisarchiv Gütersloh Mitte November 2018 noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie und anlässlich der damaligen Eröffnung der neuen, gemeinsam in einem ehemaligen Schulgebäude untergebrachten Archive stattfinden können, so bot in diesem Jahr der Tag der Archive den inhaltlichen Rahmen für einen sonntäglichen Einblick hinter die Kulissen von Stadtarchiv und Kreisarchiv. „Fakten, Geschichten, Kurioses“, so das auch in Gütersloh aufgegriffene Motto des bundesweiten Tags der Archive, präsentierten Julia Kuklik (Stadtarchiv Gütersloh) und Ralf Othengrafen (Kreisarchiv Gütersloh) gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden in und um das Gebäude in der Moltkestraße am 24.4.2022.


Abb: Güterslohs Kulturdezernent Andreas Kimpel, Kreisarchivar Ralf Othengrafen und Stadtarchivarin Julia Kuklik im Außenbereich des Stadt- und Kreisarchivs Gütersloh, 25.4.2022. Der Magazintrakt ist erkennbar mit dem Begriff „Zeitzeugen“ beschriftet.

Und so begrüßte Güterslohs Kulturdezernent Andreas Kimpel die Besucherinnen und Besucher bei bestem Wetter vor dem Archivgebäude und auf dessen letzter Baustelle – die Pflasterung des Parkplatzes steht an – und nahm dies als Sinnbild für die archivarische Tätigkeit an der Geschichte: stets in Arbeit, nie vollendet und eine notwendige Aufgabe sowie kontinuierliche Verpflichtung für Politik und Verwaltung in Stadt und Kreis. Kimpel verwies dabei insbesondere auf die aktuelle wissenschaftliche Fortschreibung der Gütersloher Stadtgeschichte anlässlich des 2025 anstehenden 200-jährigen Stadtjubiläums.* Er machte deutlich, wie wertvoll die gemeinsame Archivarbeit unter einem Dach für die beteiligen Institutionen sei, zumal das Stadt- und Kreisarchiv Gütersloh Raum für Öffentlichkeitsarbeit und Archivpädagogik, für Ausstellungen und Vorträge böten.

Entsprechend hatten beide Archive ein abwechslungsreiches Programm für ihren Tag der offenen Tür vorbereitet. Die Archivare Othengrafen und Kuklik führten durch die Baugeschichte und durch das Gebäude mit seinen auf mehreren Etagen gelegenen Magazinen. Dabei präsentierten sie Quellen, die „Fakten, Geschichten und Kurioses“ anhand lokaler Persönlichkeiten, ungewöhnlicher Ereignisse und besonderer Objekte boten, hatten diese Inhalte aber zugleich für eine Ausstellung mit Rollup-Displays und Vitrinen aufbereitet: Es ging dabei u.a. um „Fake News“ im Ersten Weltkrieg, die sich in den Tagebuchaufzeichnungen von Schuldirektor Christian Frederking fanden, um einen am 17.4.1851 im heutigen Gütersloher Stadtteil Kattenstroth niedergegangenen Meteroiten und um den Patentanwalt und wissenschaftlichen Begründer der Staubtechnik Prof. Dr. Robert Meldau (1891-1978), der für seine Staubforschung mit dem Ziel, Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu erzielen, mehrere in- und ausländische Ehrungen und Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, erhielt. Meldau war, wohlgemerkt, kein Archivar, sondern promovierter Ingenieurwissenschaftler.

Das weitere Programm zum Tag der offenen Tür im Stadt- und Kreisarchiv beinhaltete Vorträge von Norbert Ellermann zu Tipps für Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie von Roland Linde zum Einstieg in die Familienforschung online und im Archiv. Es gab überdies einen Bücherflohmarkt und auch ein Kinderprogramm mit der Möglichkeit, eigene Wappen zu entwerfen. Aber auch die drei Bagger auf der letzten Baustelle vor dem imposanten Archivgebäude leisteten ihren Beitrag zur Kinderbetreuung. …

* Das erwähnte Forschungsprojekt zur Stadtgeschichte Gütersloh wird übrigens am 5.5.2022 neuerlich in der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Thema lautet: Gütersloh schreibt Geschichte – von 1945 bis in die unmittelbare Gegenwart. Das ist die Zeitspanne, die das Forschungsprojekt des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte in Münster und der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg umfasst. Ein dreiköpfiges Forschungsteam unter der Leitung von Privatdozent Dr. Christoph Lorke untersucht die Stadtentwicklung vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute und schließt damit an die erste wissenschaftliche Stadtgeschichte an, die zum Stadtjubiläum im Jahr 2000 erschien. Dabei betrachtet das Projekt die Facetten und Wandlungen der Stadt und Stadtgesellschaft: von der unmittelbaren Nachkriegszeit und der Wirtschaftswunderzeit über Strukturwandel und Globalisierung bis in die unmittelbare Gegenwart hinein.

Links:

Kontakt:
Stadt- und Kreisarchiv Gütersloh
Moltkestraße 47
33330 Gütersloh
Tel. 05241/85-2003
R.Othengrafen@kreis-guetersloh.de
Tel. 05241 / 82-2302
julia.kuklik@guetersloh.de

Freiwillige Feuerwehr ergänzt Stadtarchiv Nastätten

Das Stadtarchiv der Stadt Nastätten im Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz verwahrt Bilder, Zeitungen, Karten und allgemein Schriftgut der Nastätter Vergangenheit. Es ist damit das Gedächtnis der Stadt, in dem die Vergangenheit für die Nachwelt aufbewahrt wird. Seit der Gebietsreform von 1969 gehört die Stadt zum Rhein-Lahn-Kreis und wurde 1972 Sitz der neu geschaffenen Verbandsgemeinde Nastätten.

Auch die vor fast 125 Jahren gegründete Freiwillige Feuerwehr Nastätten ist Teil der Geschichte, die es gilt für die Nachwelt aufzubewahren. So sahen dies auch die Alterskameraden Rolf Strobel und Lutz Heidecker, die sich um die Sortierung und Aufarbeitung der Geschichte der FFW Nastätten kümmern wollen.


Abb.: Freiwillige Feuerwehr ergänzt Stadtarchiv Nastätten: Freuen sich auf eine gute (ehrenamtliche) Zusammenarbeit v.l. Marco Ludwig (Stadtbürgermeister), Wolfgang Villmann (Stadtarchiv), Florian Strobel (Wehrführer), Rolf Strobel, Lutz Heidecker (Feuerwehrarchiv) (Foto: Stadt Nastätten).

Zu dem im Stadtarchiv Nastätten teilweise mehrere Jahrhunderte alten Schriftgut, kommen Nachlässe von Bürgern, Vereinen und Firmen hinzu, Sonderbestände aus Zeitungen und Sammlungen, wie etwa Karten und Pläne. Dabei machte die engagierte Arbeit um das Archivteam von Wolfgang Villmann und Gudrun Gerhards auf sich aufmerksam. Was lag also näher, auch das Feuerwehrarchiv der Freiwilligen Feuerwehr Nastätten zu integrieren. Damit erhalten auch diese Dokumente einen Platz, an dem sich viele Generationen erfreuen können – inklusive der Digitalisierung.

Im ersten Schritt geht es darum, das Schriftgut und die historischen Bilder der Freiwilligen Feuerwehr in einem Findbuch zu erfassen. Hierzu hat das Stadtarchiv ein „DokuWiki“ zur Dokumentation und Suche aufgebaut. Dieses „DokuWiki“ der Stadt kommt nun auch für die Freiwillige Feuerwehr Nastätten zum Einsatz.

Soweit es rechtlich zulässig ist, bietet das Stadtarchiv damit allen Interessierten öffentlich Zugang zu einer umfassenden und strukturierten Recherche bis hin zu einzelnen Archivalien. Das Angebot wird regelmäßig aktualisiert und erweitert, entsprechend dem Fortschritt der ehrenamtlichen Arbeit des Stadtarchivteams. Dabei erstreckt sich die Suche sowohl über das analoge als auch das digitale Archivgut.

Mit viel Einsatz und Herzblut für die Stadtgeschichte bietet das Archiv den jeweils aktuellen und vollständigen Überblick über die historische Überlieferung der Stadtgeschichte. Dennoch sind Fehler oder Lücken niemals auszuschließen. Deshalb ist das Stadtarchiv ebenso wie die Freiwillige Feuerwehr für Hinweise und Ergänzungen, die der Nachwelt erhalten bleiben sollen, dankbar und möchte die Bevölkerung ausdrücklich ermuntern, mit ihnen in Kontakt zu treten. Auch eine temporäre Leihe hilft. Nach der Digitalisierung werden die Leihgaben unversehrt zurückgegeben.

Kontakt:
Stadtarchiv Nastätten
Bürgerhaus – Schulstraße 29
56355 Nastätten
info@stadtarchiv-nastaetten.de
https://stadtarchiv-nastaetten.de

Quelle: Wolfgang Villmann, Freiwillige Feuerwehr ergänzt Stadtarchiv Nastätten – Zusammenarbeit startet, 25.4.2022

100 Jahre Tiroler Film- und Kinogeschichte

Knapp 200 Jahre ist es her, dass der Osttiroler Simon Stampfer (1790-1864) den stroboskopischen Effekt entdeckte – und damit die Grundlage dafür, warum wir Filme sehen können. Später flimmerten die ersten Stummfilme über die Leinwand, es entstanden Spielfilme und Tirol wurde zum Filmland. Die Ausstellung „… uuund Schnitt! Film und Kino in Tirol“ im Innsbrucker Museum im Zeughaus widmet sich der Ära des Films als er noch von der Rolle kam.


Abb.: Standbild aus dem Film „Winter in Tirol“ von Theo Hörmann, 1967 (Foto: Filmarchiv Walter Hörmann, Mils)

Im Fokus der Sonderausstellung vom 22.4.2022 bis 2.10.2022 steht dabei die Film- und Kinolandschaft Tirols. So erzählt die Schau von Geschichte und Geschichten zu Spiel- und Dokumentarfilm und gibt Einblicke in die Produktionstechnik von früher. Neben ausgewählten Filmszenen versetzen zahlreiche historische Ausstellungsobjekte die Besucherinnen und Besucher in vergangene Zeiten und lassen einen Hauch Nostalgie aufkommen.

„Das Besondere am Film in Tirol war immer die Kulisse“, erklärte Kuratorin Dr. Claudia Sporer-Heis bei einer Presseführung. Filmschaffende nutzten von Beginn der Geschichte des Films bis zum heutigen Tag – etwa für indische Bollywoodproduktionen – die Landschaft Tirols. Anfang der 1920er-Jahre zeigte sich dies in den sogenannten „Bergfilmen“. Paradebeispiel dafür ist der 1931 präsentierte Film „Der weiße Rausch“ von Arnold Fanck, bei dem auch Luis Trenker und Leni Riefenstahl mitwirkten.

Viel Raum wird in der Ausstellung dem Thema Krieg und Propaganda eingeräumt. Man wollte den Aspekt „zwischen privat und öffentlich“ herausarbeiten, erklärte der Direktor der Tiroler Landesmuseen, Dr. Peter Assmann. Wobei man bei der Öffentlichkeit auch gleich bei der politischen Dimension lande, und zwar bei dem „was man sagt und was man nicht sagt“.

Kontakt:
Tiroler Landesmuseen
Museum im Zeughaus
Zeughausgasse 1
6020 Innsbruck
T +43 512 594 89 – 313
F +43 512 594 89 – 318
zeughaus@tiroler-landesmuseen.at
https://www.tiroler-landesmuseen.at/haeuser/zeughaus-in-innsbruck/

Quelle: ORF Tirol, 21.4.2022; Tiroler Landesmuseen, „… uuund Schnitt!“, April 2022

documenta-Archiv erhält Konzeptkunst von Mischa Kuball zu Emil Nolde

Der Düsseldorfer Konzeptkünstler Mischa Kuball schenkt dem documenta archiv fünf großformatige Arbeiten seiner Werkserie research_desk_nolde/kritik/documenta (2021). Die Bildtafeln wurden am 8.4.2022 feierlich im documenta archiv überreicht. Sie reflektieren Kuballs intensive Auseinandersetzung mit der Künstlerpersönlichkeit Emil Nolde (1867-1956) im Spiegel der documenta in Kassel.


Abb.: Mischa Kuball: nolde/kritik/documenta, 2022

Im Dezember 2022 eröffnet in den Räumen des Kasseler Kunstvereins im Fridericianum, begleitet von Vortrags-​ und Diskussionsformaten, die Ausstellung „nolde/kritik/documenta – ein Projekt des documenta archivs, der Draiflessen Collection, der Nolde Stiftung Seebüll und Mischa Kuball“. Im Zentrum der Schau stehen die Bildwelten Noldes und ihre historisch gebrochene Wahrnehmung. Nolde zählt zu den bekanntesten Künstlern der klassischen Moderne und stellte dreimal auf der documenta aus. Die Serie sei eine Resonanz auf jene Forschungen, die Noldes ambivalentes Verhältnis zum NS-Regime offenlegen, so Kuball.


Abb.: documenta archiv-Archivdirektorin Dr. Birgitta Coers und Konzeptkünstler Mischa Kuball (Foto: documenta archiv / Foto: Michael Gärtner)

Die Schenkung bereichert die Kunst- und Objektsammlung des documenta archivs um einen wichtigen am Archivmaterial entwickelten Werkkomplex künstlerisch forschender Praxis und profiliert das Portfolio der documenta und Museum Fridericianum gGmbH. – Mischa Kuball (Jg. 1959) ist seit 2007 Professor für public art an der Kunsthochschule für Medien, Köln, assoziierter Professor für Medienkunst an der Hochschule für Gestaltung/ZKM in Karlsruhe und seit 2015 Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Künste NRW in Düsseldorf.

Kontakt:
documenta archiv
Untere Karlsstr. 4
34117 Kassel
Tel. +49 561 70 72 73 100
archiv@documenta.de
https://www.documenta-archiv.de/de/

Quelle: documenta archiv, Neuigkeiten, 8.4.2022; DeutschlandfunkKultur, 24.4.2022; Art. Mischa Kuball, in: Wikipedia, 21.3.2022

Filmrecherche zu Anton Wilhelm Amo im Nds. Landesarchiv Wolfenbüttel

In der Dokumentationsreihe „Untold Past“ erzählt der niederländische Schriftsteller, Musiker und Produzent Orville Breeveld europäische Geschichte aus dem Blickwinkel von People of Color. In einer Folge wird auch der Philosoph Anton Wilhelm Amo (ca. 1703-1753) vorgestellt, der im 18. Jahrhundert am Wolfenbütteler Hof lebte.

In der aktuellen Debatte um Rassismus und die Folgen des Kolonialismus tauchte auch der Name Anton Wilhelm Amo in den Diskussionen auf, mit der Umbenennung der Berliner „Mohrenstraße“ in „Anton Wilhelm Amo-Straße“ wurde er einem breiten Publikum bekannt. Nun ist Amo in das Interesse eines niederländischen Filmteams gerückt, das für Dreharbeiten ins Niedersächsisches Landesarchiv Wolfenbüttel kam, wo sich Spuren des ersten bekannten Philosophen und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft in Deutschland finden.


Abb.: Orville Breeveld lässt sich von Dr. Brage Bei der Wieden und Dr. Silke Wagener-Fimpel im Niedersächsischen Landesarchiv Abt. Wolfenbüttel Originalquellen zu Anton Wilhelm Amo zeigen (Foto: Nds. Landesarchiv Abt. Wolfenbüttel).

Anton Wilhelm Amo war aus Guinea in die Niederlande verschleppt worden. In jungen Jahren diente er am Wolfenbütteler Hof, so dass Orville Breeveld, der Initiator der Dokumentationsreihe, sich von Archivdirektor Dr. Brage Bei der Wieden und der Archivarin Dr. Silke Wagener-Fimpel einige Quellen zeigen ließ. So ist im Kirchenbuch der Wolfenbütteler Schlosskapelle 1708 Amos Taufe als „kleiner Moor“ verzeichnet, Taufpate und Namensgeber waren Herzog Anton Ulrich und dessen Sohn August Wilhelm. Im braunschweigisch-Wolfenbütteler Hofkalender bzw. Adressbuch wird „Anthon Wilhelm Amo, der Mohr, Log. aufm Schloß“ 1721 aufgeführt. Und verschiedene Kammerrechnungen geben Auskunft über das Gehalt, das Amo bezog, auf zwei Quittungen hat sich auch seine Unterschrift erhalten. Ein Kupferstich gibt einen Eindruck vom Schloss Salzdahlum, wo Amos Taufe stattfand und wo er sich als Bediensteter des Hofes vermutlich oft aufhielt.

Orville Breeveld wuchs in den 1980er Jahren in den Niederlanden auf und erlebte, so berichtet er, als Schüler selbst, wie Geschichte aus einem europazentrierten Standpunkt vermittelt wurde, erzählt er. In der sechsteiligen Reihe „Untold Past“ will Breeveld nun europäische Geschichte aus dem Blickwinkel afrikanischer Minderheiten erzählen. Ausgehend von ihren Biografien stellt er Persönlichkeiten aus Kultur, Musik, Kunst und Politik vor, die es aufgrund ihrer Hautfarbe nicht in die Geschichtsbücher geschafft haben, die aber im Zuge des gesellschaftlichen Diskurses der vergangenen Jahre neu entdeckt wurden. Dafür begibt Breeveld sich auf die Spuren dieser historischen Persönlichkeiten, er nimmt den Zuschauer mit an die Plätze, an denen nicht nur „black history“, sondern europäische Geschichte geschrieben wurde und trifft Historiker und Zeitzeugen. „Geschichte sollte nicht auf Hautfarbe schauen“, sagt er.

Orville Breeveld stellte mit Bedauern fest, dass zu Amos persönlichen Lebensumständen und privaten Verhältnissen keine Quellen erhalten sind. „Sie könnten beim Schlossbrand 1830 in Braunschweig vernichtet worden sein“, vermutet Brage Bei der Wieden. Auch private Korrespondenz von Amos Dienstherrn Herzog August Wilhelm, wie z.B. Briefe an oder von Amo, ist nicht überliefert. Die Arbeiten an der sechsteiligen Reihe sollen Ende des Jahres 2022 abgeschlossen sein, Anfang 2023 wird sie im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt.

Kontakt:
Niedersächsisches Landesarchiv Abt. Wolfenbüttel
Forstweg 2
38302 Wolfenbüttel
Telefon: (+49) 5331 935 0
Fax: (+49) 5331 935 211
Wolfenbuettel@nla.niedersachsen.de

Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv, Neuigkeiten, März 2022

Leiter des LWL-Archivamtes zum Honorarprofessor an der FH Potsdam ernannt

Der Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam hat den Leiter des LWL-Archivamtes der Westfalen in Münster, Dr. Marcus Stumpf, zum Honorarprofessor ernannt. In seiner Antrittsvorlesung stellt sich der Chefarchivar des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) am 22.4.2022 der Öffentlichkeit in Potsdam vor. Stumpf, der seit 2008 das LWL-Archivamt leitet, lehrt seit 2013 in Potsdam in den Studiengängen Archiv, Archivwissenschaft sowie in der Fernweiterbildung Archiv der Hochschule.


Abb: Dr. Marcus Stumpf, Leiter des LWL-Archivamtes in Münster (Foto: Birgit Geller)

Der Titel der Antrittsvorlesung lautet: „Auf einer Insel gleichsam im Getriebe der Staatsverwaltung. Einige archivtypologische und berufsständische Betrachtungen anhand des Romans ‚Der Archivar‘ von August Sperl.“ August Sperl (1862-1926) war als Archivar im staatlichen Archivdienst in Bayern tätig, bekannt war er aber vor allem als erfolgreicher Autor vielgelesener historischer Romane. 1921 erschien sein Roman „Der Archivar“, in dem der titelgebende Archivar aber nur eine Nebenrolle spielt.

In der Antrittsvorlesung werden einige Szenen des Romans in den Blick genommen, die im Archiv spielen oder das Arbeiten im Archiv thematisieren. Der Vergleich mit der heutigen Archivwelt offenbart Parallelen, die man – je nach Standpunkt – als amüsant, verblüffend oder auch als erschreckend charakterisieren könne, so Stumpf.

Zur Person:
Dr. Marcus Stumpf (*1967) studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Germanistik und Historische Hilfswissenschaften und Archivkunde an den Universitäten Mainz, Aachen und Bonn. Er wurde 1998 in Mittelalterlicher Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert. Nach seinem Archivreferendariat in Münster und Marburg von 1999 bis 2001 war er bis 2004 Dezernent am NRW Staatsarchiv Münster. Anschließend übernahm er die Projektleitung für den Aufbau des Technischen Zentrums und von 2005 bis 2008 die Dezernatsleitung Bestandserhaltung des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Technisches Zentrum. Seit 2008 leitet Dr. Marcus Stumpf das LWL-Archivamt für Westfalen und ist Archivdirektor der Vereinigten Westfälischen Adelsarchive e.V.

Seit 2008 ist er Mitglied der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag (BKK) und Leiter des BKK-Unterausschusses Aus- und Fortbildung, seit 2018 Vorsitzender der BKK. Als Lehrbeauftragter ist er seit 2013 am Fachbereich Informationswissenschaften der FH Potsdam für Archivtypologie in der Fernweiterbildung „Archiv“ und für Archivgeschichte und Archivtypologie im berufsbegleitenden Masterstudiengang „Archivwissenschaft“ tätig. Seit 2020 ist er ebenfalls Lehrbeauftragter für Archivmanagement im Bachelorstudiengang „Archiv“

Kontakt:
LWL-Archivamt für Westfalen
Dr. Marcus Stumpf
Leiter des LWL-Archivamtes für Westfalen
Jahnstraße 26
48147 Münster
Tel.: 0251 / 591-3890
Fax : 0251 / 591-269
marcus.stumpf@lwl.org

Quelle: FH Potsdam, Pressemitteilung, 14.4.2022; LWL, Pressemitteilung, 21.4.2022

Steigende Abfragen beim Arolsen-Online-Archiv für NS-Opfer

Bis heute suchen Angehörige aus der ganzen Welt nach Informationen zu Familienmitgliedern, die durch das NS-Regime verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Dabei nutzen immer mehr Menschen das Online-Archive der Arolsen Archives. Eine Studie belegt insbesondere ein steigendes Interesse an der NS-Thematik bei Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren.


Abb.: Nutzer des Online-Archivs (Foto: Johanna Groß / Arolsen Archives)

Die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer stieg im Vergleich zum Vorjahr um 10,9 Prozent. In über 900.000 Sitzungen wählten Menschen den digitalen Zugang zu 32 Millionen Dokumente der Arolsen Archives, die zum UNESCO Weltdokumentenerbe zählen. Durch die Crowdsourcing-Initiative #everynamecounts werden die Dokumentenbestände immer leichter für Nutzerinnen und Nutzer durchsuchbar gemacht: Mehr und mehr Informationen lassen sich durch eine einfache Schlagwort-Suche finden.

Tausende von Angehörigen und Überlebenden wenden sich jedes Jahr an die Arolsen Archives, um Auskünfte über Verfolgungswege zu bekommen. Mit über 15.500 Anfragen zu rund 23.000 Personen sank diese Zahl 2021 jedoch erstmals seit 2015 (-8,3 Prozent zum Vorjahr). Während der Anteil von Angehörigen leicht gestiegen ist, halbierten sich die Anfragen von Überlebenden im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts des hohen Alters der letzten Zeitzeugen wird sich diese Entwicklung fortsetzen.

Fast die Hälfte der Anfragen kam aus Deutschland, Polen und Frankreich. Insgesamt konnten die Arolsen Archives bei mehr als zwei Dritteln der Anfragen Auskünfte in den Dokumenten finden und Informationen zu den Verfolgungswegen geben. Diese Zahl ist in den letzten Jahren weiter gestiegen, da die digitale Auswertung der Sammlung immer besser wird.

Die große zeitliche Distanz zur NS-Verfolgung führt zu keinem sinkenden Interesse an dieser Epoche: Im Gegenteil – 75 Prozent der jungen Menschen in Deutschland interessieren sich für die NS-Zeit. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Rheingold-Instituts, die im Auftrag der Arolsen Archives die Haltung von 16- bis 25-jährigen zum Thema Nationalsozialismus untersucht hat. 49 Prozent der Befragten wünschen sich ein digitales und leicht verständliches Angebot, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Anfragen aus der Ukraine
Jedes Jahr erreichen eine große Anzahl von Anfragen aus allen Staaten der ehemaligen Sowjetunion die Arolsen Archives. Noch lässt sich nicht sagen, welche Auswirkungen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine darauf hat: „Aktuell sehen wir bei den Arolsen Archives keinen Rückgang an Anfragen aus der Ukraine“, sagt Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives. Die Entwicklung sei aber auf Grund der aktuellen politischen Lage unklar. „Die Erinnerungskultur der Ukraine ist durch den Krieg, durch den gewaltsamen Tod von Zeitzeugen und die Zerstörung von historisch bedeutsamen Dokumenten bedroht. Wir arbeiten mit daran, sowohl die Überlebenden und ihre Familien zu unterstützen als auch Archive bei der Sicherung der Sammlungen.“

Kontakt:
Arolsen Archives
Große Allee 5 – 9
34454 Bad Arolsen
Telefon: +49 (0)5691 629-0
Fax: +49 (0)5691 629-501
https://arolsen-archives.org/

Quelle: Arolsen Archives, News, 21.4.2022