Den coronabedingt online durchgeführten 24. Brandenburgischen Archivtag (im 25. Jahr des Bestehens des VdA-Landesverbandes Brandenburg) besuchten am 27.4.2022 teilweise mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Oberthema der Veranstaltung lautete „digital zusammenarbeiten“, das Schlagwort des Tages war indes – wiederkehrend in mehreren Vorträgen aufgegriffen – „Digitale Transformation“. Staatssekretär Steffen Weber (Brandenburgisches Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur) bezog sich in seinem Grußwort dabei auf das „Digitalprogramm“ des Landes Brandenburg (#dp25).
Elektronische Aktenführung erfordere digitales Verwaltungshandeln. Neue Infrastrukturen und neues Knowhow seien notwendig. Das Land Brandenburg ist zur digitalen Speicherung des elektronischen Archivgutes dem DAN-Verbund beigetreten. „DAN-kommunal“ starte im Juli 2022 als Pilotprojekt. Es gebe mehrere Kooperationspartner resp. kritische Begleiter. Maßgabe sei, in Netzwerken zu denken und zu planen.
Der VdA-Vorsitzende Ralf Jacob hielt in seinem Grußwort Verbundlösungen und Kooperationsangebote im Blick auf die digitale Archivierung für existenziell – insbesondere für kleinere (kommunale), ein bis zwei Personen umfassende Archive. Die Beratungsstelle am Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam sei für die DAN-Beteiligung begrüßenswert. – Wie die Grußworte, so hatte auch der erste Vortrag einen kultur- bzw. archivpolitischen Schwerpunkt, der die Forcierung der umfassenden Digitalisierung des Verwaltungshandelns verdeutlichen sollte.
Dr. Sarah Zalfen (Referentin für Digitalisierung) stellte in ihrem Referat die digitale Agenda ihres Brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) für den Kulturbereich in Lande vor. Die Digitale MWFK-Agenda sei eine „Verständigungs- und Arbeitsgrundlage“ (bzw. „eine Vision und ein Arbeitsinstrument“). Sie verfolge zwei strategische Ziele: 1. Kultureinrichtungen zu befähigen, die Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen. Dabei gehe es um Teilhabe an der besagten „Digitalen Transformation“. 2. Materielles und immaterielles kulturelles Erbe zu erschließen, zu schützen, zu vermitteln, zugänglich und erlebbar zu machen. Konkret schließt die „Digitale Transformation“ u.a. eine Strategieentwicklung der brandenburgischen Kultureinrichtungen bis 2025 ein. Dafür gebe es ein Förderprogramm namens „DiWa“ (Digitaler Wandel). Zudem bilden Wissenstransfer, Vernetzung und open source den Fokus. Das Ministerium fördert Verbünde und Netzwerke, damit das „Rad nicht überall neu erfunden“ wird. Es gehe hingegen um die Schaffung von Rahmenbedingungen.
Um das kulturelle Erbe zu sichern und zugänglich zu machen, würden verschiedene „fördernde und steuernde Maßnahmen“ etabliert, dies mit dem Fokus auf: 1. Retrospektive Digitalisierung (in Verbünden und eben auch für kleine Einrichtungen; auf regionalen, nationalen und internationalen Plattformen; in vielfältiger Nutzung, da es eine Vielfalt an Präsentationsformen gebe), 2. Archive und Archivierung (Nutzung von Standards; Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten bis hin zum Digitalen Lesesaal; DAN-Beitritt Brandenburgs für die Langzeitarchivierung – mit dem Angebot zur Magazinpartnerschaft); 3. Langzeitarchivierung im digitalen Verbundmagazin (wobei es auch um die Sicherung des digitalen Kulturgutes von Museen, Gedenkstätten etc. gehe).
Weitere digitale Felder des MWFK in Brandenburg seien Open Access und eine Erweiterung der OA-Strategie hin zu Open GLAM bzw. Open Culture. Auch werde Künstliche Intelligenz als Technologie eine Schlüsselstellung einnehmen; KI solle auch im Kulturbereich nutzbar gemacht werden, z.B. bei Nutzungsverhaltensprognosen oder bei Verschlagwortungsvorhaben etc. Und schließlich gehe es um die „Binnendigitalisierung“: Alle Zuwendungsverfahren sollen digitalisiert werden, im Frontend und im Backend, um die Arbeit zu vereinfachen für die Menschen, „die im Zentrum der Digitalisierung stehen“.
Die Referentin wies in der anschließenden Diskussion auf die landeseigene „Digitalagentur“ hin, die einen Strategie-Baukasten für Kommunen entwickelt habe, der auch für Kultureinrichtungen sehr anwendbar sei. Prof. Dr. Mario Glauert (BLHA Potsdam) erwähnte zudem die Beratungstätigkeit der Landesfachstelle am BLHA Potsdam. Prof. Dr. Michael Scholz (FH Potsdam) betonte deren archivische Verbundtätigkeit für kleinere Einrichtungen.
Im folgenden Vortrag stellte Daniel Piskol (Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung) das elektronische Kommunalarchiv (elKA) für die Gemeinden, Städte und Landkreise in Sachsen bzw. bei der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD) vor.
Bei der SAKD als kommunaler Einrichtung gehe es derzeit darum, sächsische Kommunen für eine Beteiligung zu gewinnen. Piskol bot überdies einen engen, beratenden Austausch mit dem Land Brandenburg an. In Bezug auf die sächsische Situation beschrieb er die Hürden für Kommunen bei der Einführung eines eigenen elektronischen Archivs, insbesondere den hohen Ressourceneinsatz. Insofern projektierte man in Sachsen vor einigen Jahren den Aufbau eines zentralen elektronischen Kommunalarchivs als gemeinsame Lösung für sämtliche sächsische Kommunen (die Landeshauptstadt Dresden hingegen betreibe seit längerem eine eigene Lösung). Für das 2017 gestartete und auf vier Jahre angelegte Aufbauprojekt habe man lediglich 1,3 der beantragten 2,4 Mio. Euro einsetzen müssen. Der Aufbau erfolgte durch zentrale Mittel des Landes Sachsen. Der laufende Betrieb muss aber durch die teilnehmenden Kommunalarchive getragen werden, da es sich eben um eine kommunale Pflichtaufgabe handele. Aus den sächsischen Erfahrungen empfiehlt Piskol dem Land Brandenburg für das eigene Vorhaben, ebenfalls eine Lenkungsgruppe zu etablieren, sowie ein externes Projektcontrolling, um das Projekt zu einem Erfolg zu bringen. In Sachsen habe sich der Verbund bewährt. Dabei würden vom elKA zwei Möglichkeiten angeboten: selbst im DIMAG zu arbeiten oder über die Leitstelle eine Auftragsarchivierung durchführen lassen. Die für die sich beteiligenden Kommunen entstehenden Kosten seien gestaffelt; für kleine Gemeinden habe man die finanzielle Hürde niedrig gelegt. Zumindest 40 Kommunalarchive werden benötigt, um das Kostenmodell zum Tragen zu bringen. Man hofft, über die größeren sächsischen Archive eine Art Schneeballeffekt zur Beteiligung zu erzielen. Eine Beteiligung anderer Archivsparten jenseits der Kommunalarchive sei (derzeit zumindest) jedoch nicht vorgesehen.
Prof. Dr. Dr. Rainer Hering, der Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein, und Dr. Wulf Pingel, der Leiter des dortigen Digitalen Archivs, stellten anschließend die Digitale Archivierung im landesweiten Verbund Schleswig-Holstein vor. Während Hering die archivpolitischen Rahmenbedingungen und den längeren Prozess des Aufbaus seit 2016 erläuterte, fasste Pingel zunächst die damalige Ausgangslage zusammen. Erste Angebote für eine kommunale „Nachnutzung“ – die die große Herausforderung darstellt, um den Betrieb des Digitalen Archivs Schleswig-Holstein (DASH) wirtschaftlich zu sichern – sind insbesondere in einem im ganzen Land verbreiteten Beitrag in der Zeitschrift „Die Gemeinde“ (04/2017) kommuniziert worden. Der Betrieb sei in der Umsetzung recht komplex und weise grundlegende Unterschiede zum elKA in Sachsen auf. Es gebe aber die Hoffnung auf eine starke schleswig-holsteinische Verbundlösung.
Im Anschluss an die Vorstellung verschiedener Verbundlösungen für die landesweite digitale Archivierung widmeten sich die drei Vorträge am Nachmittag des 24. Brandenburgischen Archivtages einigen praktischen Projekten digitaler Arbeit. Robert Büschel, Museumspädagoge im Stadtmuseum Cottbus, stellte eine auf der Plattform der Deutschen Digitalen Bibliothek realisierte virtuelle Ausstellung zum Cottbuser Kriegsgefangenenlager von 1914 bis 1924 vor. Diese Ausstellung ist maßgeblich durch die Entdeckung hunderter von Fotos über das Kriegsgefangenlager möglich geworden. Dabei ist es technisch nicht notwendig, mit den präsentierten Quellen bereits DDB-Teilnehmer zu sein, um das Präsentationstool zu nutzen.
Abb.: Ausschnitt aus der DDB-Ausstellung „Ankunft auf Zeit. Die Cottbuser Kriegsgefangenenlager von 1914 bis 1924“
Julia Moldenhawer vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam berichtete über das dortige sog. OFP-Projekt (OFP = Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, 1933-1945). Dabei geht es um die elektronische Auswertung von insgesamt 41.700 personenbezogenen Akten aus der NS-Zeit zur Ermittlung von Kunstbesitz und zur Lokalisierung von NS-Raubkunst. Im Fokus stehen die Akten der seit 1942 bestehenden Vermögensverwertungsstelle (und somit gleichsam „Täterakten“). Die Vortragsfolien sind auf Prezi hinterlegt (https://prezi.com/p/mpqbwbnwejve/vortrag-ofp-praxisbericht/), weitere Informationen zur Provenienzforschung im OFP-Projekt finden sich im taz-Artikel „Spurensuche nach mehr als 70 Jahren“ sowie im Beitrag von Dr. Irena Strelow zum OFP-Projekt im ARCHIVAR 1/2022 (S. 44).
Ein drittes ebenso spannendes wie aktuelles Projekt stellte schließlich Franziska Schubert (Arolsen Archives) vor, indem sie anhand des im Jahr 2020 als Schülerprojekt gestarteten Online-Denkmals „Every Name counts“ (#everynamecounts) die Möglichkeiten und Grenzen von Crowdsourcing auslotete.
Dieses mittlerweile sehr umfangreiche Crowdsourcing-Projekt mit rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in drei Teams (Datenteam; Workflowteam zur Erstellung der Eingabemasken; Community-Management) entwickelte sich immer mehr zu dem Vorhaben, ein digitales Denkmal zu kreieren. Es geht dabei vorrangig um Bildungsaspekte und um Öffentlichkeitsarbeit, womit man Zeichen für Vielfalt, Respekt und Demokratie, sowie gegen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz in der Bevölkerung setzen möchte. Schubert machte deutlich, dass Crowdsourcing im Prinzip weder gedacht noch geeignet sei, um die komplexe Fachaufgabe der archivischen Erschließung zu übernehmen.
Der 24. Brandenburgische Archivtag, der von Dr. Wolfgang Krogel (Evangelisches Landeskirchliches Archiv Berlin), dem scheidenden, langjährigen Vorsitzenden des Landesverbandes Brandenburg im VdA geleitet und von Prof. Glauert und Prof. Scholz mit moderiert worden ist, mündete in eine kombinierte Aktuelle Stunde und Mitgliederversammlung. Michael Scholz gab dabei einen Rückblick auf 25 Jahre Geschichte des VdA-Landesverbandes und verabschiedete die langjährigen Vorstandsmitglieder Wolfgang Krogel, Brigitta Heine (Kreisarchiv Barnim) und dem bereits 2020 in den Ruhestand getretenen ehemaligen BLHA-Direktor Prof. Dr. Klaus Neitmann. Scholz stellte überdies in Vertretung für Sabine Stropp (Landesfachstelle für Archive und Öffentliche Bibliotheken Brandenburg) den Bericht aus der Landesfachstelle für die Jahre 2019 bis 2022 vor. – Der inhaltlich intensive und anregende Brandenburgische Archivtag soll, so die Hoffnung, im nächsten Jahr wieder in Präsenz stattfinden können.
Der Landesverband Brandenburg des VdA wurde am 12. März 1997 gegründet. Vorläufer war der am 18. Juni 1991 gegründete Arbeitskreis der Kommunalarchive des Landes Brandenburg, der zwischen 1992 und 1996 Kommunalarchivtage veranstaltete und dessen Arbeit in den Aktivitäten des Landesverbandes aufging.
(Jens Murken)
Link: Programm 24. Brandenburgischer Archivtag, 27.4.2022
Kontakt:
Landesverband Brandenburg des VdA
https://www.vda.archiv.net/lv-brandenburg/