Coronaarchiv – Sharing is caring

Das „Corona-Archiv“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Hamburg, Bochum und Gießen. Es handelt sich beim coronarchiv – so die selbstgewählte Schreibweise – um ein offenes Onlineportal, zu dem alle beitragen können und das allen zugänglich ist. Ziel des Corona-Archivs ist die fortlaufende Sammlung, Archivierung, Kontextualisierung und langfristige Bereitstellung von persönlichen Erinnerungen und Fundstücken zur „Corona-Krise“. Innerhalb eines Jahres sei das coronarchiv zu einer der weltweit größten digitalen Sammlungen zur Pandemie geworden, heißt es auf der Projektwebseite der Universität Hamburg.

»Abstandsregelungen, Ansteckungsrisiken, Ausgangsbeschränkungen – das Coronavirus verändert unseren Alltag, unser Arbeiten und unser Zusammenleben grundlegend. Schon 2020 wurden die Pandemie und ihre Folgen als historisch gekennzeichnet. Bislang ist ungewiss, wann und vor allem wie es „danach“ weitergehen soll. Obwohl Corona jede:n angeht, so sind doch alle ganz unterschiedlich davon betroffen. Und alle gehen ganz unterschiedlich damit um.

Eine vielfältige Gesellschaft braucht vielfältige Erinnerung. Wir wissen, wie ungleich und sozial bedingt die Überlieferung der Vergangenheit häufig ist. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, dass wir schon heute damit beginnen, die diversen Stimmen und Erfahrungen rund um Corona zu sammeln und zu archivieren. Denn irgendwann wird die Pandemie vorbei sein. Wie dann von der „Corona-Krise“ gesprochen und über sie gedacht wird, hängt wesentlich davon ab, welche  Zeitzeugnisse erhalten sein werden. Durch eine möglichst vielfältige Dokumentation der Gegenwart möchte das coronarchiv auf lange Sicht zur Pluralität und Diversität zukünftiger Erinnerung beitragen.«

Die Projektwebseite lädt dazu ein, persönlichen Corona-Erfahrungen zu teilen und beantwortet entsprechende Fragen zur Mitwirkung:

Wer kann zum coronarchiv beitragen?
Das coronarchiv lebt von Freiwilligen, die in ihrem Umfeld nach Geschichten und Objekten suchen und diese hochladen, die helfen, die Plattform und ihre Inhalte in andere Sprachen zu übersetzen und das Projekt in den sozialen Medien bekannt zu machen.

Was darf ich hochladen und was passiert mit meinen Beiträgen?
Das coronarchiv ist ein offenes Archiv, das von der Vielfalt seiner Beiträge lebt: Dies können alle digitalen Medien sein – sofern die Urheberrechte dafür bei den Beiträger:innen liegen bzw. keine Rechte Dritter verletzt werden: Von Texten, wie Tagebücher, Briefe, E-Mails, Gedichte, Einkaufszettel, Einsatzberichte, Aushänge, Warnhinweise, Verordnungen über Fotos, Zeichnungen, Bilder, Videos, Chats und Social Media Posts bis hin zu Sprachnachrichten, Songs und Lesungen.

Beiträge sollen nur über die Website eingereicht werden. Aus Gründen des Datenschutzes und des Urheberrechts dürfen keine Beiträge gespeichert und veröffentlicht werden, die über die Social-Media-Kanäle oder per Mail eingegangen sind.

Sammelt ihr auch richtige Objekte und Ausstellungsstücke?
Nein, es handelt sich um ein rein digitales Projekt. Wenn du „analoge“ Objekte hast, die du gern einem Museum übergeben möchtest, wende dich gerne an unsere Kooperationspartner. Bitte beachte die jeweiligen Sammlungsschwerpunkte und kontaktiert die Einrichtungen gern vorab!

Wer steckt hinter dem coronarchiv?
Das coronarchiv ist ein Kooperationsprojekt der Universitäten Hamburg, Bochum und Gießen und wird von den vier Historikern Prof. Dr. Christian Bunnenberg, Prof. Dr. Thorsten Logge, Benjamin Roers und Nils Steffen geleitet. Sie werden unterstützt durch ein Team aus Mitarbeiter:innen und studentischen Hilfskräften sowie einen wissenschaftlichen Beirat.

Kooperationspartner Darmstadt
In Kooperation mit dem coronarchiv ruft auch das Stadtarchiv Darmstadt alle Darmstädterinnen und Darmstädter dazu auf, ihre Eindrücke der Pandemie für ein besseren Verständnis der momentanen Lage und des Lebens in Darmstadt digital auf darmstadt.coronarchiv.de zu teilen.
Im Stadtarchiv Darmstadt ist darüberhinaus auch die Abgabe von analogen Dokumenten möglich. Auch das Hessische Landesarchiv nimmt derartige Zusendungen für die übrigen Städte und Gemeinden in Hessen an. Weitere Informationen gibt es im DAblog: https://dablog.hypotheses.org/11410.

Link: Beitrag einreichen

Kontakt:
Projekt „coronarchiv“
Prof. Dr. Thorsten Logge
Fachbereich Geschichte | Public History
Universität Hamburg
Überseering 35
22297 Hamburg
Tel.: +49 40 42838-9061
Fax: +49 40 42838-3955
thorsten.logge@uni-hamburg.de

https://coronarchiv.blogs.uni-hamburg.de/

Südtiroler Kirchenbücher 1565-1923 online

Im Zuge einer Pressekonferenz im Ansitz Rottenbuch (Südtiroler Landesdenkmalamt) stellten Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer, Kanzler Leo Haas, Landeskonservatorin Karin Dalla Torre und die Direktorin des Südtiroler Landesarchivs, Christine Roilo, die nunmehr bis zum Stichjahr 1923 online verfügbaren Südtiroler Kirchenbücher vor.


Abb.: Taufbuch der Meraner Nikolauspfarrei mit dem Geburts- und Taufeintrag von Silvius Magnago (Foto: Südtiroler Landesarchiv).

Die Kirchenbücher im engeren Sinn (auch Matriken, Pfarrmatrikeln, Pfarrregister, Pfarrbücher), also die amtlichen Register der Pfarrer zur Beurkundung von Taufen, Firmungen, Trauungen und Sterbefällen einer Pfarrei, werden im Regelfall bei den Pfarrämtern verwahrt.

Das Trienter Konzil schrieb den katholischen Pfarreien 1563 erstmals das Führen von Tauf- und Trauungsmatrikeln verbindlich vor; für die Zeit vom 17. bis weit ins 19. Jahrhundert bilden Matrikeln für weite Teile Europas die bedeutendste Schriftquelle für historische Personen- und Bevölkerungsforschung. Von 1784 bis 1923 erfüllten die Kirchenbücher in den österreichischen Ländern bzw. in dem 1919 zu Italien geschlagenen südlichen Tirol auch die Funktion von Personenstandsregistern. Zum 1.1.1924 wurden hier nach italienischem Recht kommunale Zivilstandsregister eingeführt (Kgl. Dekret vom 24. September 1923, Nr. 2013).

Zwischen 1988 und 1991 wurden die Kirchenbücher der Diözese Bozen-Brixen mikroverfilmt, diese Mikrofilme den Besucherinnen und Besuchern des Südtiroler Landesarchivs anschließend zur Verfügung gestellt und seither intensiv genutzt. 2017 wurden die Mikrofilme der Kirchenbücher (insgesamt 464.132 Fotogramme) digitalisiert, die weiteren Schritte hin zur Online-Stellung der Digitalisate im Februar 2020 in einer Vereinbarung von Landesdenkmalamt und Generalvikariat verschriftlicht.

Veröffentlicht werden sämtliche als Mikrofilmdigitalisate verfügbaren Tauf-, Trauungs- und Totenbücher der katholischen Pfarreien der Diözese Bozen-Brixen von den Anfängen der Überlieferung bis zum Stichdatum 31. Dezember 1923. Mit diesem Schritt wird ein zeitgemäßer Zugang zu einer zentralen Quelle für die historische Forschung und Interessierte geschaffen.

Link: Kirchenbücher Südtirol: Kirchenbücher der Diözese Bozen-Brixen

Kontakt:
Südtiroler Landesarchiv
Armando-Diaz-Str. 8/b
I-39100 Bozen
Tel.: +39 0471 411941
landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Südtiroler Landesverwaltung, Aktuelles, 2.3.2022

Journal der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im Generallandesarchiv Karlsruhe

Zweite Ausgabe von RECHTS.GESCHEHEN erschienen.

Die neue Ausgabe von RECHTS.GESCHEHEN, dem Journal der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im Generallandesarchiv Karlsruhe, ist im März 2022 erschienen. Das Heft berichtet für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2021 über Aktivitäten rechter Netzwerke, über demokratiefeindliches Gedankengut und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Ein Themenschwerpunkt liegt auf den Corona-Protesten, die längst nicht mehr eine medizinisch-ethische Entscheidung sind, sondern von den Impfgegnern bewusst instrumentalisiert werden zur Delegitimierung unseres Gemeinwesens und seiner Organe. Das Anbringen von Judensternen an Bruchsalern Geschäften bildete im Dezember 2021 dabei einen weiteren traurigen Tiefpunkt.

 
Abb.: Ausgabe 1 und Ausgabe 2 von RECHTS.GESCHEHEN (zum Download).

Auf die Vorstellung der ersten Ausgabe von RECHTS.GESCHEHEN im November 2021 erhielt die Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im GLA Karlsruhe viele positive Reaktionen. Das Journal legt einen regionalen Schwerpunkt auf Baden-Württemberg, ohne dabei den Blick auf überregionale Ereignisse zu vernachlässigen. Die einzelnen Ausgaben besitzen auch eine historische „Tiefenschärfe“ bis zurück zur Begründung der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, im Jahr 1919. „Denn eine verantwortliche Erinnerungskultur ist unverzichtbarer Teil unserer historisch-politischen Bildungsarbeit“, heißt es in der Vorstellung der ersten Ausgabe von RECHTS.GESCHEHEN 2021.

Das Journal beruht auf der systematischen Auswertung von Zeitungen, Webseiten und sozialen Netzwerken. Durch die Sammlung des Journalisten Anton Maegerle steht der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im GLA Karlsruhe zudem ein einzigartiger Quellenfundus zur Verfügung, der in die Publikation einfließt.

Die Einrichtung der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im Generallandesarchiv Karlsruhe durch das Land Baden-Württemberg im Juli 2020 geht zurück auf eine Beschlussempfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses II im baden-württembergischen Landtag. Ministerin Theresia Bauer MdL präsentierte das Projekt auf einer Medienkonferenz am 15.7.2020 gemeinsam mit Vertretern des Landesarchivs Baden-Württemberg.

Im Januar 2021 trat die Dokumentationsstelle in der Auftakttagung „Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland“ mit renommierten Rechtsextremismus-ExpertInnen erstmals an die Öffentlichkeit. Die Aufzeichnung der Tagung ist auf dem YouTube-Kanal des Landesarchivs Baden-Württemberg zu finden:

  1. YouTube: Tagung „Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland“, 27.01.2021 (Tag 1)
  2. YouTube: Tagung „Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland“, 28.01.2021 (Tag 2)

Link: Bestellformular RECHS.GESCHEHEN

Kontakt:
Dokumentationsstelle Rechtsextremismus
Landesarchiv Baden-Württemberg
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe
Aylin Zafer, Dipl. Pol.
Gebhard Schultz, Dipl. Pol.
Nördl. Hildapromenade 3
76133 Karlsruhe
dokumentationsstelle@la-bw.de

Quelle: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Pressemitteilung, 25.6.2021; Landesarchiv Baden-Württemberg, Nachrichten, 15.3.2022

Neue und altbekannte Stadtarchivarin in Bonn

Auch Leitung des Stadthistorischen Zentrums Bonn besetzt.

Dr. Yvonne Leiverkus hat im März 2022 die Leitung von Stadtarchiv und Stadthistorischer Bibliothek in Bonn übernommen. Die langjährige Stellvertreterin von Dr. Norbert Schlossmacher rückt damit an die wissenschaftliche Leitungsspitze. Bonns Kulturdezernentin Dr. Birgit Schneider-Bönninger überreichte Dr. Leiverkus am 7.3.2022 ein Schreiben der Oberbürgermeisterin Katja Dörner zur Bestellung als Stadtarchivarin und gratulierte zu der neuen Position.

Dr. Yvonne Leiverkus ist neben archivfachlichen Aufgaben, zum Beispiel der Betreuung von Nachlassgeberinnen und -gebern oder qualitätssichernden Maßnahmen, wie der Festlegung von Standards, verantwortlich für den Bereich der Digitalisierung sowie für das Einrichten eines digitalen Langzeitarchivs für die Stadt Bonn. Auch wissenschaftliche Publikationen und die Vermittlungsarbeit werden weiterhin von ihr wahrgenommen.


Abb.: Dr. Yvonne Leiverkus ist neue Leiterin des Stadtarchivs und der Stadthistorischen Bibliothek (Foto: Stadt Bonn).

Von Beginn an begleitet Leiverkus das Projekt ‚Um- und Neubau des neuen Standortes des Stadtarchivs in der ehemaligen Pestalozzischule‘. „Ich freue mich darauf die anstehenden Zukunftsprozesse im Stadtarchiv zu steuern und auf eine starke stadthistorische Präsenz am künftigen Standort. Dieser wird Bürger*innen, Initiativen und Forscher*innen erweiterte Möglichkeiten geben Geschichte zu erforschen, zu erfahren und zu erleben. Zukünftig möchte ich die digitale Präsenz und Vernetzung des Stadtarchivs und der Stadthistorischen Bibliothek weiter ausbauen und so die wertvollen Bestände sichtbarer und zugänglicher machen“, sagt Dr. Yvonne Leiverkus.

Das Stadtarchiv Bonn ist, wie Stadtmuseum und Gedenkstätte, ein Institut im neuen Zentrum für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen, das organisatorisch zum Kulturamt gehört und seit 1.3.2022 von Dr. Philipp Hoffmann geleitet wird. Unter dem Dach des stadthistorischen Zentrums möchte Dr. Leiverkus die Vernetzung mit lokalen, regionalen und internationalen Partnern ausbauen.

Die 46-Jährige studierte Geschichte und Romanistik in Düsseldorf und promovierte zu einem spätmittelalterlichen Thema. Nach mehrjähriger Tätigkeit als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte absolvierte sie das Archivreferendariat für die Laufbahn des höheren Archivdienstes beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen und an der Archivschule Marburg.

Seit 2009 war sie stellvertretende Leiterin im Bonner Stadtarchiv. Neben Veröffentlichungen zur mittelalterlichen Geschichte hat sie sich mit unterschiedlichen Aspekten der Bonner Stadtgeschichte beschäftigt, zuletzt mit der Rezeption von Beethovens Tod in Bonn und mit einem Ablassbrief für das Benediktinerinnenkloster in Vilich aus dem Jahr 1329. Dr. Leiverkus habe in ihrer bisherigen Wirkungszeit entscheidende Weichen für die Zukunftsfähigkeit des Stadtarchivs im Bereich analoge und digitale Schriftgutverwaltung sowie der Sicherung der laut Archivgesetz NRW aufbewahrungspflichtigen Unterlagen und Kulturguts gestellt.

Dr. Philipp Hoffmann übernahm am 1.3.2022 die Leitung des unter dem Dach des Kulturamtes neu geschaffenen Zentrums für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen. Seit Juni 2021 war er Leiter des Bonner Stadtmuseums. Im neuen Zentrum werden die individuellen Schwerpunkte und Profile der drei Institute Stadtarchiv, Stadtmuseum und Gedenkstätte weiterentwickelt und Querschnittsaufgaben gemeinschaftlich umgesetzt.


Abb.: Dr. Philipp Hoffmann leitet das Zentrum für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen (Foto: Stadt Bonn).

„Durch die Gründung des Zentrums für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen werden wir das kulturelle Erbe unserer Stadt nachhaltig stärken. Ich freue mich auf die neue Herausforderung und die noch engere Zusammenarbeit mit den Instituten der Stadtgeschichte“, sagt Dr. Hoffmann zu seiner neuen Aufgabe.

Die Sport- und Kulturdezernentin der Stadt, Dr. Birgit Schneider-Bönninger, freut sich über den Start des Zentrums unter der neuen Leitung: „Herr Dr. Hoffmann hat, seit er die Leitung des Bonner Stadtmuseums übernommen hat, mit großem Elan und hoher Kompetenz gezeigt, dass er in der Lage ist, die Institute, die sich mit dem historischen Erbe der Stadt befassen, gemeinsam mit den wissenschaftlichen Leitungen in die Zukunft zu führen und weiter für die Stadtgesellschaft zu öffnen.“

Dr. Philipp Hoffmann ist 1986 in Köln geboren, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Nach dem Studium der Geschichte, Politik und Soziologie in Bonn und Wien sowie seiner Promotion zur Wirtschaftsgeschichte Kölns im 20. Jahrhundert, war er zunächst Mitarbeiter im Kölnischen Stadtmuseum für die verknüpfte Digitalisierung musealer und archivischer Überlieferungen. Weitere berufliche Stationen waren am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn sowie im Technikum und Archiv der Deutz AG. Zudem war er als kulturpolitischer Referent tätig.

Vor seinem Wechsel auf die Selle des Leiters des Bonner Stadtmuseums zum 1. Juni 2021, war er wissenschaftlicher Referent der Abteilung für Kölnisches Brauchtum im Kölnischen Stadtmuseum und dort seit Januar 2020 deren Abteilungsleiter. Im Stadtmuseum Bonn startete er mit der Neukonzeption, Bürgerbeteiligungen sowie mit dem Aufbau des neuen Workshop- und Ausstellungsraumes studio_bnx.

Für das Zentrum für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen sieht Dr. Philipp Hoffmann in den kommenden Jahren vor allem vier Leitprojekte, die in enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter*innen der Institute umgesetzt werden sollen:

  • Der anstehende Umzug und die inhaltliche Neuaufstellung von Stadtarchiv/Stadthistorischer Bibliothek, Gedenkstätte/ NS Dokumentationszentrum und Stadtmuseum.
  • Die Digitale Transformation aller Institute auf Grundlage einer digital-analogen Strategie.
  • Der Ausbau von übergreifenden, ganzheitlichen Bildungs- und Vermittlungsprogrammen sowie
    die Etablierung agiler Strukturen und innovationsfördernder Prozesse.
  • Durch diese ersten Leitprojekte sollen Querschnittsaufgaben gebündelt und Synergien geschaffen werden.

Hierzu braucht es maßgeschneiderte Lösungen, die die spezifischen Aufgaben der einzelnen Institute berücksichtigen. Hinzu kommt der Start des Projektes „Aktive Erinnerungskultur“, das als Koordinierungsstelle im Zentrum angesiedelt ist.

Innerhalb des Zentrums arbeiten alle drei Institute weiterhin mit eigener wissenschaftlicher Leitung. Die Leitung des Stadtmuseums Bonn wird zeitnah öffentlich ausgeschrieben.

Kontakt:
Stadtarchiv/Stadthistorische Bibliothek Bonn
Stadthaus
Berliner Platz 2
53111 Bonn
Tel.: 0228 774688
stadtarchiv@bonn.de

Quelle: Stadt Bonn, Pressemitteilung, 7.3.2022; Stadt Bonn, Pressemitteilung, 1.3.2022

Kooperation zwischen Stadtarchiv Brilon und Arolsen Archives

Mit einem Kooperationsvertrag besiegeln die Arolsen Archives und das Stadtarchiv Brilon ihre Zusammenarbeit und geben damit Briloner Opfern des Nationalsozialismus einen Namen in der weltweit umfassendsten Dokumentation zu NS-Verfolgten. Es geht um die Herstellung und Veröffentlichung von Reproduktionen von öffentlichem Archivgut des Briloner Stadtarchivs, konkret um die seit ca. 1929 geführte „Judenkartei“, die seit ca. 1940 geführte Ausländer- bzw. Landarbeiterkartei und die Kartei zur Kriegsgräberakte der Stadt Brilon, die ab ca. 1944 beim den Einwohnermeldeämtern der Stadt Brilon und des Amtes Thülen geführt wurden. Das Material umfasst ca. 1.200 Karteikarten zu ca. 1.400 Personen.


Abb.: Die Vertragsunterzeichnung erfolgte durch Ute Hachmann, Leitung Stadtarchiv Brilon, und Steffen Baumheier, dem stellvertrenden Direktor der Arolsen Archives. – Im Bild von links nach rechts: Dr. Anke Münster, Arolsen Archives, Ute Hachmann, Steffen Baumheier, Christina Wegener, Stadtarchiv Brilon (Foto: Stadt Brilon).

Reproduktionen, die nicht den Schutzfristen nach dem Archivgesetz NRW unterliegen, werden die Arolsen Archives unter anderem auf der Plattform „Zooniverse – #everynamecounts“ bereitstellen. Diese Initiative ist ein digitales Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Hier werden Namen und Verfolgungswege erfasst. Mit #everynamecounts baut Arolsen das weltweit größte Online-Archiv über Verfolgte des Nationalsozialismus auf. Dem Stadtarchiv Brilon werden kostenfrei Kopien der erstellten Reproduktionen zur Verfügung gestellt. Das Stadtarchiv wird die Kopien in seiner Archivdatenbank einstellen und zugänglich zu machen.

Ute Hachmann, verantwortlich für das Stadtarchiv Brilon: „Die projektorientierte Partnerschaft mit den Arolsen Archives ist uns eine Herzensangelegenheit. Wichtig, dass auch die Namen der Briloner Opfer und Verfolgten des Nazi-Regimes nicht vergessen werden. „#everynamecounts“ ist eine großartige Initiative, die im Moment aber im Hinblick auf den Ukraine-Krieg mehr als traurig stimmt.“

Die Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution/International Tracing Service (ITS) sind das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Die internationale Organisation wurde kurz nach dem zweiten Weltkrieg gegründet. 11 Mitgliedsstaaten, 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Fördervolumen von 15,4 €.

Links:

Kontakt:
Stadtarchiv Brilon
Gartenstraße 13
59929 Brilon
Tel.: 02961 / 794-244
stadtarchiv@brilon.de
https://www.stadtarchiv-brilon.de/

Quelle: Stadt Brilon, Brilon aktuell, 15.3.2022; WP: Brilon: Digitales Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus, 15.3.2022

Stadtarchiv Blieskastel erhält wertvolle Unterlagen zu Ballweiler-Wecklingen

Der Stadtarchivar von Blieskastel, Kurt Legrum, konnte kürzlich einzigartige und wertvolle Unterlagen zu BallweilerWecklingen in Empfang nehmen. Telefonisch wurde von einer Privatperson bei Legrum nachgefragt, ob er Interesse an Büchern und Karten zu Ballweiler habe. Diese wolle man abgeben. Es wurde ein Termin vereinbart. Vor Ort wurde ein größeres Paket vorgelegt. Verschiedene Gegenstände waren sorgfältig und z. T. einzeln in Packpapier eingeschlagen.

Die Neugier schlug in Begeisterung um, als ersichtlich war, dass im ersten Paket drei Bücher mit dem Grundsteuer-Kataster von Ballweiler-Wecklingen aus dem Jahr 1844 und das „Haus=Steuer=Kataster“ von 1845 verwahrt wurden. Diese waren noch in einem sehr guten Zustand. Des Weiteren lagen noch entsprechende bayerische Katasterkarten aus der Zeit dabei. Diese Unterlagen sind nicht nur von großem Interesse für die Siedlungsgeschichte des Ortes, sondern auch für die genealogische Geschichte der Einwohner.


Abb.: Renovatur- und Bann=Buch des Dorffes Ballweiller aus dem Jahre 1781 (Foto: Uwe Brengel).

Aber die Faszination beim Archivar sollte sich noch steigern: Ein weiteres Paket, wie sich später herausstellte 7 kg schwer, war ein in geprägtes Ganzleder gebundenes Buch, 16 cm dick, mit Büttenpapier im Folioformat. Es war das „Renovatur- und Bann=Buch des Dorffes Ballweiller“ aus dem Jahre 1781, der Zeit der Grafen von der Leyen. Die entsprechenden handschriftlichen Einträge in dem Buch machte der hierzu verpflichte Feldmesser Schwarz. Gedruckt wurde das Bannbuch in „Bliescastell, bey P. L. Leonard, Hof=Buchdrucker“. Die handschriftlichen Einträge beinhalten z.B. eine Land- und Grenzbeschreibung des Dorfes. Auf den verschiedenen Gewannen des Ortes werden 71 verschiedene Eigentümer von Häusern, Wiesen, Gärten, Äckern und Ödland aufgeführt, ergänzt durch Angaben zur Steuerklasse. Dies sei ein wichtiges und einzigartiges Dokument zur Sozialgeschichte des Dorfes im ausgehenden 18. Jahrhundert, wie Legrum bemerkte.

Auf dem Boden des Paketes lag schließlich noch ein längliches, flaches Gebinde. Stadtarchivar Legrum verschlug es die Sprache, als er es öffnete. Es war eine zum Katasterbuch gehörige Mappe mit den kolorierten Bannkarten aus dem 18. Jahrhundert. Die Mappe war noch vollständig mit einer Übersichtskarte, dem „Geometrischen Plan des Hochgräfflich Leyschen Dorffes Ballweiler“, und den 15 Detailkarten zu den Gewannen des Ortes. Gezeichnet und koloriert wurden sie vom Renovator Johann Philipp Schwarz, datiert sind sie vom 1. Mai 1783. Die Karten haben die Abmaße 72 x 52 cm. Eingebunden in diese Mappe ist am Ende noch der „Plan des Herrschafftlichen Wecklinger Hof=Bannes“, gefertigt „6ten Mertz 1789“. Es mag als kleines Wunder erscheinen, dass diese Utensilien die vergangenen Jahrhunderte so gut überstanden haben.


Abb.: Blieskastels Bürgermeister Bernd Hertzler (l.) und Stadtarchivar Kurt Legrum bei der Erforschung des historisch bedeutungsvollen Materials (Foto: Uwe Brengel).

Das Bannbuch und die zugehörigen farbigen Bannkarten sind absolute Unikate. Sie dürften nur noch in diesen Exemplaren existieren. Auch im Fürstlich von der Leyen‘schen Archiv in Waal gab es kein Exemplar mehr.

Die Überraschung war komplett, als Legrum mitgeteilt wurde, dass er das ganze Konvolut für das Stadtarchiv Blieskastel kostenlos übereignet bekomme. Es werden die Gegenstände nun im Bestand: Bann- und Katasterbücher und in der Plan-und Kartensammlung im Archiv verzeichnet und aufbewahrt.

Bürgermeister Bernd Hertzler zeigte sich gleichfalls begeistert von den z. T. über 200 Jahre alten Büchern und Bann- bzw. Katasterkarten aus der Von der leyen‘schen und bayerischen Zeit. Er bedankte sich sehr herzlich bei dem anonymen Spender. Hertzler legte dar, dass dies ein beredtes Bespiel dafür sei, dass das Stadtarchiv oft auf Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen sei. Denn ohne die Unterstützung von Dritten könnten oftmals die Lücken in der Historie der Stadt Blieskastel und ihrer Stadtteile nicht geschlossen werden. Diese Lücke sei jetzt für Ballweiler-Wecklingen kleiner geworden.

Kontakt:
Stadtarchiv Blieskastel
Kurt Legrum M.A.
Rathaus III (Haus des Bürgers)
Luitpoldplatz 5
66440 Blieskastel
Tel.: (06842) 926-1321
Fax: (06842) 926-2324

Quelle: Stadt Blieskastel, Aktuelles, 15.3.2022

Grevener NS-Opfer nun digital in »Stolpersteine NRW«

Die im August 1942 in den Bockholter Bergen wegen „verbotenen Umgangs“ hingerichteten polnischen Zwangsarbeiter Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski sind nun auch Teil des innovativen und lobenswerten WDR-Angebotes „Stolpersteine NRW – Gegen das Vergessen“, das seit Ende Januar 2022 online ist.


Abb.: Ausschnitt aus der WDR-App „Stolpersteine NRW“: Wacław Ceglewski

Die rund 15.000 Stolpersteine in Nordrhein-Westfalen bzw. die Geschichte der Menschen hinter den Steinen des Künstlers Gunter Demnig stehen dabei im Mittelpunkt und sind jetzt auch digital zugänglich: mit Texten, historischen Fotos, Audios, Illustrationen und Augmented-Reality-Elementen („erweiterte Realität“). Letztere ermöglichen es, sich bei ausgewählten Stolpersteinen vor Ort alte Aufnahmen der heutigen Umgebung anzuschauen. Zudem lassen sich zum Gedenken virtuelle Kerzen an den Steinen entzünden.

Die Informationen zu den beiden NS-Opfern aus Greven beruhen vor allem auf den Forschungsergebnissen des Historikers Christoph Leclaire, der das Projekt für die Stadt Greven unterstützte und weiterhin betreuen wird. Neben Texten und Bildern wurde für die in Greven Hingerichteten auch eine der wenigen Graphic Stories erstellt, die mit wirklich eindrucksvollen Bildern der Künstlerin und Illustratorin Marthe Viehmann (siehe Abb.: Porträt der beiden NS-Opfer Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski. Foto: WDR/Marthe Viehmann) und einem begleitenden Audiokommentar den Tag der Hinrichtung erlebbar machen. „Stolpersteine NRW“ ist als App auf dem Smartphone sowie am PC/Laptop im Desktop-Browser (stolpersteine.wdr.de) nutzbar und wird fortlaufend aktualisiert.


Abb.: Ausschnitt aus der WDR-App „Stolpersteine NRW“: Franciszek Banaś

Quelle: WN, Der letzte Tag von Franciszek und Wacław, 23.2.2022; Christoph Leclaire: Erste „Stolpersteine“ für Greven, in: AUGIAS.Net, 12.11.2017

Stadtgeschichten auf dem Smartphone

Neue App »Aschaffenburger Geschichten« öffentlich im Digitalladen präsentiert.

Im Rahmen einer Präsentation am 14.3.2022 ist im Aschaffenburger Digitalladen die neue App „Aschaffenburger Geschichten“ präsentiert worden. – Das im Jahr 2020 erfolgreich gestartete Digitalprojekt „Aschaffenburg 2.0“ ist jetzt auch in einer hochmobilen Version verfügbar. Die neue App ist ab sofort in den üblichen App-Stores kostenlos abrufbar und steht sowohl für Android- wie iOS-Smartphones bereit. Die von einem Aschaffenburger Start-Up entwickelte App bietet zahlreiche Features und spannende Möglichkeiten der Interaktion für die Nutzerinnen und Nutzer. Basierend auf der schon im digitalen Stadtlabor „Aschaffenburg 2.0“ zentralen Stadtkarte werden sogenannte „Points of Interest“ hervorgehoben. Die Nutzerinnen und Nutzer können sich eigene Routen durch die Stadt erschließen bzw. vorgegebene Routen entdecken. Neben den Beschreibungen und Abbildungen stadtgeschichtlich interessanter Orte stehen auch kurze Audiobeschreibungen zur Verfügung.

Bürgermeister und Digitalreferent Eric Leiderer verwies im Rahmen der Präsentation auf den touristischen Mehrwert des neuen Angebots: Die neue App biete auch für Besucherinnen und Besucher der Stadt die Möglichkeit, „einfach und mobil verlässliche Informationen zur Stadtgeschichte, aber auch Lebensberichte und Erinnerungen aus den letzten Jahrzehnten zu erhalten. Auch touristisch interessante Erweiterungen, beispielsweise hin zu Augmented Reality-Anwendungen, sind denkbar. Es freut mich sehr, dass die neue App im Kontext des Digitalreferats der Stadt entstanden ist.“ Sie sei ein wichtiger Teil unserer dialogorientierten Digitalstrategie, bei der kulturhistorische Angebote für die Bürgerinnen und Bürger einen wichtigen Schwerpunkt darstellen. „Und das Stadtlabor ‚Aschaffenburg 2.0‘ als Grundlage der App ist gleichzeitig ein großes bürgerwissenschaftliches Mitmachprojekt!“

Die für die jüngere Stadtgeschichte und das Stadtlabor “Aschaffenburg 2.0” zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg, Dr. Vaios Kalogrias und Helena Knuf, sowie Archivleiter Dr. Joachim Kemper unterstrichen die Nachhaltigkeit der App: Regelmäßige inhaltliche und technische Aktualisierungen seien vorgesehen, so dass Stadtgeschichte und -kultur für die Zukunft und alle Bürgerinnen und Bürger digital erhalten und bereichert werden.

Kontakt:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
Dr. Joachim Kemper
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Telefon 06021 456105-0
stadtgeschichte20@aschaffenburg.de

Quelle: Stadt Aschaffenburg, Pressemitteilung, 14.3.2022

Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg

Kommission legt Abschlussbericht vor.

​​​​​​​In Hamburg wird bis heute über den Umgang mit Straßennamen diskutiert, die nach möglicherweise NS-belasteten Personen benannt wurden. Das Staatsarchiv Hamburg hat sich in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Einzelfällen beschäftigt. Seit 1986 erhielten insgesamt 17 Straßen aufgrund des Nachweises einer schwer wiegenden NS-Belastung ihrer Namensgeber einen neuen Namen. Die Behörde für Kultur und Medien hat im September 2020 eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten für erinnerungspolitische Fragestellungen berufen, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte. Die Kommission hat seitdem zehn Mal getagt und jetzt einen Abschlussbericht mit Vorschlägen zum weiteren Verfahren vorgelegt.


Abb.: Abschlussbericht der Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg

Die von Hamburgs Kultursenator Dr. Carsten Brosda eingesetzte Kommission hat sich mit Kriterien für Umbenennungen und mit Biographien NS-belasteter Namensgeberinnen und Namensgeber auseinandergesetzt. In ihrem Abschlussbericht hat sie dabei deutlich gemacht, dass eine Ehrung in Form einer Straßenbenennung nicht haltbar ist, wenn das Handeln der Person die heutigen Wertvorstellungen deutlich verletzt. Eine Umbenennung sei geboten, wenn eine Benennung nach einer Person erfolgt ist, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen oder wissentlich bei ihren Handlungen den Tod eines Menschen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Eugenik, einkalkuliert hat. Dies gelte auch für Benennungen nach Personen, die aktiv anderen Menschen aufgrund der durch sie vertretenen NS-Ideologie dauerhaft geschadet haben. Allein eine NSDAP-Mitgliedschaft sei dabei aber kein Grund für eine Umbenennung. Es bedarf grundsätzlich der Einzelfallprüfung. Wichtig sei, stets auch ein Augenmerk auf Brüche oder Uneindeutigkeiten in der Biografie, ebenso wie auf eine spätere kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln während der NS-Zeit zu legen.

Empfehlungen der Kommission für Umbenennungen
Auf Grundlage der oben genannten Kriterien empfiehlt die Kommission in elf Fällen eine Umbenennung, wobei nach erfolgter Umbenennung auf die „Biografie“ der Straße und die Gründe für die Umbenennung hingewiesen werden solle:

  • Hamburg-Mitte: Högerdamm
  • Altona: Julius-Brecht-Straße
  • Hamburg Nord: Walter-Bärsch-Weg, Heynemannstraße, Oehleckerring, Paul-Stritter-Brücke/Paul-Stritter-Weg, Strüverweg
  • Wandsbek: Reinckeweg
  • Bergedorf: Elingiusplatz, Schorrhöhe
  • Harburg: Albert-Schäfer-Weg.

Ausführliche Begründungen finden sich in dem Abschlussbericht, der unter www.hamburg.de/bkm/strassennamen/13512150/ns-belastete-strassennamen einzusehen ist.

Die Kommission empfiehlt zudem bei weiteren elf Straßenbenennungen nach NS-belasteten Personen, das Straßenschild zu kontextualisieren, da die oben aufgeführten Kriterien eine Umbenennung nicht zwingend erfordern. Dies eröffne die Möglichkeit, sich mit den Biografien und dem Geschehenen zu beschäftigen und aus der Geschichte zu lernen. Die Kommission empfiehlt, folgende Personen, nach denen Straßen benannt sind, mit weiterführenden Informationen kritisch zu kontextualisieren, wobei die Auflistung nicht abschließend zu verstehen ist: Elsa Bromeis, Felix Dahn, Theodor Fahr, Carsten Fock, Heidi Kabel, Rudolf Klophaus, Friedrich Köhne, Kurt A. Körber, Friedrich Lademann, Carl-Hans Lungershausen und Walter Schlenzig. Auch hier finden sich ausführliche Begründungen im Abschlussbericht.

Die Kommission hat auch Straßenbenennungen und -umbenennungen in den Blick genommen, die zwischen 1933 und 1945 vorgenommen wurden. Dies betrifft insbesondere Straßen, die seinerzeit umbenannt wurden, weil ihre Namensgeber Juden waren oder nach der rassistischen NS-Ideologie als Juden galten, oder die aus politischen oder anderen Gründen verfolgt wurden und deren Namen aus dem Straßenbild entfernt werden sollten. Die Kommission empfiehlt in drei Fällen eine Rück- beziehungsweise Wiederbenennung nach der Person, nach der die Straße ursprünglich benannt war, wenn sie in der Zwischenzeit keine neue Straßenbenennung an anderer Stelle erhalten haben. Konkret sollten rückbenannt werden die Walter-Flex-Straße in Wilstorf, die vor der Umbenennung 1933 Käthe-Kollwitz-Straße hieß, und der Kraepelinweg in Barmbek-Süd, der vor der Umbenennung 1938 Juliusweg hieß. Der Wurmsweg in Hamm, der vor 1938 Veitsweg hieß, sollte nicht umbenannt werden, da sein Namensgeber weiterhin geehrt werden solle. Dafür solle aber prioritär eine Straße neu nach dem ursprünglichen Namensgeber Philipp Veit benannt werden.

Die Kommission spricht sich zudem dafür aus, die „Biografie“ eines Straßennamens und Hintergründe zu den Namensgebern und -geberinnen sichtbar zu machen, zum Beispiel über einen Verweis per QR-Code auf eine ausführliche Erläuterung auf einer Webseite beziehungsweise bestehende Datenbanken.

Die hier entwickelten Empfehlungen sollten in eine Überarbeitung der bisherigen Benennungs-Bestimmungen einfließen. Sowohl die Kriterien für die Benennung als auch für die Umbenennung von Straßen müssten laut Kommission deutlich geschärft werden.

Alle Vorschläge sollen jetzt gemeinsam mit den Bezirken diskutiert werden. Diese werden dann die Umbenennungen zusammen mit neuen Namensvorschlägen beim Staatsarchiv Hamburg einreichen, bevor diese der Senatskommission zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden.

Für weitere Umbenennungen beziehungsweise Kontextualisierungen von nach NS-belasteten Personen benannten und bestehenden Verkehrsflächen bedürfe es laut Kommission auch zukünftig der Recherchearbeit und einer historisch-kritischen Einordnung der Biografie jeder einzelnen Person. Dies könne in den Bezirken zum Beispiel durch Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchive, bei der Befassung durch die zuständigen Ausschüsse der Bezirksversammlungen oder durch die Vergaben von entsprechenden Werkverträgen erfolgen. Parallel geht auch der Prozess zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit und in dem Zusammenhang auch der Umgang mit kolonial belasteten Straßennamen weiter.

Kultursenator Dr. Carsten Brosda: „Der Umgang mit problematischen Straßennamen wird uns auch künftig begleiten. Es ist gut und wichtig, dass wir uns dem endlich umfassend stellen, hilft es uns doch, uns unserer Geschichte bewusster zu werden, uns zu ihr zu verhalten und aus ihr für die Zukunft zu lernen. Die Kommission hat einen sehr fundierten Bericht vorgelegt, der wichtige Hinweise für den künftigen Umgang mit Benennungen nach NS-belasteten Personen gibt. Diese müssen nun in den Bezirken diskutiert werden, damit wir gemeinsam daraus die notwenigen Schlüsse ziehen. Ich danke der Kommission sehr für ihre wertvolle Arbeit.“

Dr. Rita Bake, stellv. Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung a. D. und Mitglied der Kommission: „Straßenumbenennungen sind nichts Neues und wurden in den letzten hundert Jahren immer mal wieder durchgeführt. Sie werden unter anderem deshalb vorgenommen, weil ein Straßenname ein kollektives Eigentum und die persönliche Adresse vieler Menschen ist. Straßennamen sollen Orientierung bieten – und zwar nicht nur geographisch, sondern auch kultur- und gesellschaftspolitisch. Deshalb bekommen in Zeiten des erstarkenden Rechtsextremismus die nach NS-belasteten Personen benannten Straßen eine besondere Bedeutung. Die kritische Beschäftigung mit ihnen ist keine Petitesse.“ Rita Bake hatte sich in ihrem Aufsatz „Umgang mit nach Personen benannten Hamburger Straßennamen, die als NS-belastet gelten könnten“ [Stand: November 2021] bereits grundlegend mit diesem Thema auseinandergesetzt.

Prof. Dr. Miriam Rürup, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam und Mitglied der Kommission: „Straßennamen sind immer auch historische Zeitspuren. Und wie wir mit diesen historischen Zeugnissen umgehen, sagt viel über unser gegenwärtiges Selbstverständnis als Gesellschaft aus. Es geht uns mit unseren Empfehlungen nicht um eine vergangenheitspolitische Flurbereinigung – keineswegs möchten wir mit dem revisionistischen Radiergummi durch die Geschichte der Stadtkarte ziehen. Dennoch müssen wir uns auch der Gegenwart unzeitgemäßer Ehrungen stellen. Diese historischen Zeitschichten, gleichsam die Biographie einer Straße, eines Straßennamens sichtbar zu machen, sollten wir als Chance sehen für einen aufklärerischen und damit zukunftsgewandten Umgang mit der Vergangenheit.“

Hans-Peter Strenge, Staatsrat a.D. und Mitglied der Kommission: „Wie schon in anderen Städten in Deutschland hat die Kommission nun auch in Hamburg beim Umgang mit Straßennamen von Personen mit Belastungen aus der NS-Zeit ein geregeltes Verfahren für Umbenennungen und gegebenenfalls historische Erläuterungen auf Straßenschildern oder QR-Codes beraten und einmütig verabschiedet. Dass die Schilder mit Erläuterung an der Sophie-Rahel-Jansen-Straße in Nienstedten – vormals nach Georg Bonne benannt – schon angebracht sind, erfreut mich auch als früherer Bezirksamtsleiter von Altona.“

Mitglieder der Kommission waren:
Dr. Rita Bake, stellv. Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung a. D.
Prof. Dr. Detlef Garbe, Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen
Senatorin a.D. Christa Goetsch
Senatorin a.D. Dr. Herlind Gundelach
Prof. Dr. Rainer Nicolaysen, Vorsitzender des Vereins für Hamburgische Geschichte
Prof. Dr. Miriam Rürup, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam
Staatsrat a.D. Hans-Peter Strenge
Prof. Dr. Malte Thießen, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte

Links:

Quelle: Behörde für Kultur und Medien Hamburg, Pressemitteilung, 10.3.2022; Behörde für Kultur und Medien Hamburg, Pressemitteilung, 30.9.2020; Behörde für Kultur und Medien Hamburg, NS-belastete Straßennamen

Aschaffenburgs virtueller Raum in die Romantik

»ZeitRaum Brentano«.

Mit 174.600 Euro fördert die Kulturstiftung des Bundes das neue digitale Projekt „ZeitRaum Brentano“, eine Kooperation des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg mit dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main.

Im virtuellen Interaktionsraum von „ZeitRaum Brentano“, der bis Jahresende 2022 aufgebaut werden soll, können die Nutzerinnen und Nutzer in die Epoche der Romantik, ausgehend von der Familie Brentano, eintauchen: Was hat die Menschen bewegt? Wie sah ihr Alltag aus? Was erzählen ihre Briefe oder ihre literarischen Texte darüber? Im „ZeitRaum Brentano“ werden unter anderem diese Quellen anschaulich vermittelt und in einen zeithistorischen Kontext gesetzt. Während dieser Zeitreise ist es den Nutzerinnen und Nutzern möglich, sich über die Kameras ihrer PCs sozusagen live zu sehen und sich in Gesprächen auszutauschen.


Abb.: Haarlocke des romantischen Dichters Clemens Brentano (gest. 1842 in Aschaffenburg), inmitten von Familienbriefen. Die Haare waren nach dem Tod des Dichters zur Erinnerung abgeschnitten worden und befinden sich bis heute im Familienarchiv Brentano im Stadt- und Stiftsarchiv (Foto: Stadt- und Stiftsarchiv, Aschaffenburg).

Am Beispiel der Familie Brentano, deren Grabstätte sich auf dem Altstadtfriedhof in Aschaffenburg befindet, kann Wissen in den Bereichen Literaturgeschichte sowie Musik und Komposition, aber natürlich auch der bildenden Kunst vermittelt werden“, erklärt der Leiter des Aschaffenburger Stadt- und Stiftsarchivs, Dr. Joachim Kemper. Für ZeitRaum Brentano liege der Fokus auf der Epoche der Romantik und biete sich dadurch vor allem auch als sinnvolle Ergänzung und innovativen didaktischen Anknüpfungspunkt für Lehrerinnen und Lehrer an.

„Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Diskurse während der Romantik sind den unsrigen in der Gegenwart gar nicht so unähnlich“, stellt Aschaffenburgs Bürgermeister und Digitalreferent Eric Leiderer, fest. „Nur ein Beispiel: Damals war es die Industrialisierung und ihre Folgen für die Gesellschaft, die die Menschen beschäftigt hat. Heute verhandeln wir, wie die Digitalisierung unseren Alltag, auch gerade im Beruf, verändert.“ Und während im 19. Jahrhundert die Veränderung der Landschaft in idyllischen Landschaftsbildern, wie etwa bei Caspar David Friedrich, verarbeitet wurde, suche man heute nach Lösungen für einen Umgang mit dem Klimawandel – eine Folge der Industrialisierung, die damals ihren Anfang nahm.

Die Forschungsstelle Romantik des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt am Main unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Bunzel lässt ihre Expertise zur Epoche der Romantik in die Kuratierung des virtuellen Interaktionsraums einfließen. Eng verbunden ist das Projekt mit der Aschaffenburger Brentano-Akademie und deren Protagonistinnen und Protagonisten.

„ZeitRaum Brentano“ wird entwickelt im Rahmen von „dive in. Programm für digitale Interaktionen“ der Kulturstiftung des Bundes, gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Programm NEUSTART KULTUR.

Kontakt:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
Dr. Joachim Kemper
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Telefon: 06021 45 61 05 10
Telefax: 06021 / 2 95 40
stadtarchiv@aschaffenburg.de
joachim.kemper@aschaffenburg.de
https://stadtarchiv-aschaffenburg.de/

Quelle: Stadt Aschaffenburg, Pressemitteilung, 11.3.2022