Die „Bauernbefreiung“ des 19. Jahrhunderts im Königreich Württemberg war auch im heutigen Weiler Teilort Hausen ein wichtiges Thema. Ein eindrückliches Beispiel für das bereits zur damaligen Zeit ausdifferenzierte Verwaltungshandeln zeigt sich am Hausener „Zehntablösungsbuch“, das vom Stadtarchiv Weil der Stadt als „Archivale des Monats Januar 2022“ vorgestellt wird. Es handelt sich dabei um den ersten Band des „Zehntablösungsbuches“, das aus dem bis 1971 eigenständigen Archivbestand der über Jahrhunderte selbstständigen Gemeinde Hausen an der Würm stammt.
Abb.: Vorwort Zehntablösungsbuch Hausen, 1854 (Foto: Stadtarchiv Weil der Stadt). Das damals von Actuar Hermann abgefasste Vorwort ist für die Seite „Archivale des Monats Januar 2022“ transkribiert worden.
Das Zehntablösungsbuch entstammt dem Jahr 1854 und regelt den Prozess der Zehntablösung verbindlich für alle zur Markung gehörenden Grundstücke bzw. Parzellen. Der sehr gut erhaltene Band im Folioformat steht für eine der grundlegendsten Reformen des 19. Jahrhunderts, die in der heutigen Weiler Teilgemeinde Hausen das Leben der einfachen Landbevölkerung entschieden veränderte.
Zum historischen Hintergrund
»Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren die Bauern Württembergs durch das aus dem Mittelalter kommende Feudalsystem unfrei in vielerlei Hinsicht. Neben der Leibeigenschaft war die Grundherrschaft eines der Elemente der damaligen Agrarverfassung. Der Zehnt war dabei Bestandteil dieser überkommenen Agrarverfassung und bezeichnete die an den Grund gebundene Abgabe (den zehnten Teil) in Form von Naturalien die der Bewirtschafter (der Bauer) an den Eigentümer (den Grundherrn) zu leisten hatte. Dabei wurde in verschiedene Zehntarten unterschieden, so gab es den Großzehnt für die „klassische“ Feldfrucht, das Getreide, und den kleinen Zehnt für Gemüse und Früchte der Gärten. Mancherorts gab es auch den Heuzehnt sowie den Weinzehnt, weiterhin wurde zwischen „Altzehnt“ und „Novalzehnt“ unterschieden, auch der so genannte „Blutzehnt“ auf tierische Produkte taucht bisweilen auf.
Nachdem in Baden die Leibeigenschaft bereits Ende des 18. Jahrhunderts (1783) abgeschafft wurde, bestand der Zehnt dort bis 1820 weiter. In Württemberg hingegen wurden die oftmals als „Bauernbefreiung“ bezeichneten Reformen durch das Zweite Organisationsedikt König Wilhelms I. vom November 1817 eingeleitet. Der Reformprozess zog sich jedoch durch den erwartbaren Widerstand der Grundherren über mehrere Jahrzehnte hin und wurde letztlich erst durch die Revolutionsbewegung des Jahres 1848 und den daraus resultierenden Gesetzen vom 14. April 1848 sowie vom 17. Juni 1849 abgeschlossen.«
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Quelle: Weil der Stadt, Archivale des Monats Januar 2022, 4.1.2022