50 Jahre Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Von der Heimatbücherei zum Haus der Stadtgeschichte.

Mit der Gründung der städtischen Bücherei in den 1880er Jahren erhielt die Mülheimer Bevölkerung öffentlichen Zugang nicht nur zu schöngeistiger Literatur, sondern auch zu einer Auswahl von Lokalzeitungen, Adressbüchern, Druckschriften und heimatkundlichen Büchern – alles Unterlagen, die heute als klassische Archivbestände im Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr verwahrt werden. In der Person von Dr. Johannes Langfeldt erhielt die Bücherei 1926 erstmals einen wissenschaftlich ausgebildeten Leiter, der neue Akzente in der bibliothekarischen Arbeit setzte. So gründete er unter anderem eine Sonderabteilung für Heimatgeschichte („Heimatbücherei“) und erwarb Urkundenbestände der Herrschaft Styrum. Bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt erschien 1927 ein erster Katalog mit den Beständen der im Aufbau befindlichen Heimatbücherei; eine zweite aktualisierte Übersicht sollte 30 Jahre später folgen. In Würdigung seiner Verdienste um das archivische und heimatkundliche Erbe Mülheims wurde Langfeldt 1938 vom Preußischen Staatsarchiv in Düsseldorf zum ehrenamtlichen Archivpfleger ernannt. Damit war seine Zuständigkeit für archivische Angelegenheiten von offizieller Seite bestätigt.


Abb.: Die Alte Augenklinik vor dem Umbau zum Haus der Stadtgeschichte (Foto: Stadtarchiv Mülheim)

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war die Heimatbücherei weiterhin eine Abteilung der Stadtbücherei Mülheim und zog mit dieser im Jahr 1969 von den zu klein gewordenen Räumen im Stadtbad in einen neu errichteten Zweckbau in der Ruhrstraße. 1972 kam es mit der Einstellung eines hauptamtlichen Archivars zu der lange überfälligen Gründung eines von der Bücherei unabhängigen Stadtarchivs Mülheim. Dem neuen Archivleiter Dr. Kurt Ortmanns wurden die ausgegliederte Heimatbücherei sowie das dort beschäftigte Bibliothekspersonal unterstellt; zudem erhielt er zum Aufbau des Archivs ein Außenmagazin im Schloß Styrum zugewiesen. Hauptsitz des Stadtarchivs blieb für die nächsten Jahre vorerst das Gebäude der Stadtbücherei.

1978 wurde dem Stadtarchiv nach langem Ringen die Zuständigkeit für die zentrale Altaktenverwaltung im Rathaus übertragen, die bis zu diesem Zeitpunkt dem Hauptamt unterstellt war. Damit war die Grundlage geschaffen für die Erschließung von städtischen Akten, die bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurückreichten und bis dahin nicht für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung gestanden hatten.

Notwendig wurde nunmehr die Suche nach einem geeigneten Archivgebäude. Mit dem damals leerstehenden Schulgebäude an der Cleveschen Straße, einem dreigeschossigen Bau aus dem Jahr 1899, fand man schließlich das passende Objekt. Nach umfangreichen Umbaumaßnahmen, die vor allem der Verbesserung der Statik dienten, konnte das neue Domizil im Juni 1980 unter der neuen Adresse „Aktienstraße 85“ bezogen und im Juli 1981 geöffnet werden. 1990 und 1996 konnten notwendige Außenmagazine hinzugewonnen werden, bereits 1985 eine Restaurierungswerkstatt und 1990 für einige Jahre auch eine Fotowerkstatt.

Um sowohl die notwendige Erschließung von Archivgut als auch angemessene Öffnungszeiten für Besucher zu ermöglichen, nahm das Stadtarchiv 1982 das Angebot der Arbeitsgemeinschaft heimatkundlicher Vereine an, an einem Tag in der Woche die ehrenamtliche Aufsicht im Benutzerraum – der zentralen Anlaufstelle für Archivbesucher – zu übernehmen. Damit wurden die hauptamtlichen Archivmitarbeiter entlastet und konnten hinter den Kulissen Erschließungsarbeiten nachgehen. Aus dieser ehrenamtlichen Aufsichtstätigkeit entstand im Laufe der Zeit eine enge Zusammenarbeit zwischen Stadtarchiv und Geschichtsverein in Mülheim.


Abb.: Das Haus der Stadtgeschichte, Heimat von Stadtarchiv und städtischer Musikschule (Foto: Stadtarchiv Mülheim)

Seit 2004 konkretisierten sich Überlegungen zur Lösung des neuerlichen Raumproblems. Gegen zahlreiche Widerstände begann man, die größtenteils leerstehende und sanierungsbedürftige Alte Augenklinik zu einem Haus der Stadtgeschichte umzubauen und zusammen mit dem Stadtarchiv die ebenfalls unter Raumnot leidende Musikschule dort unterzubringen. Bis zum Abschluss der Bauarbeiten und der Übergabe des  kernsanierten Gebäudes an die beiden Mieter – Stadtarchiv und Musikschule – sollten jedoch noch einige  Jahre vergehen. Nachdem das Archiv im Juli und August 2013 umzugsbedingt rund sechs Wochen geschlossen bleiben musste konnte das Haus der Stadtgeschichte am 14. September 2013 durch die Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld feierlich eröffnet werden.

Im Haus der Stadtgeschichte verfügt das Stadtarchiv erstmals über einen eigenen Raum für die Arbeit mit Schulklassen sowie über einen Vortragssaal für die Veranstaltungsreihen von Stadtarchiv und Geschichtsverein. Ausgebremst durch die Corona-Pandemie konnte das Team des Stadtarchivs 2020/21 seine Pläne nicht so umsetzen, wie man es sich gewünscht hätte. Vorträge mussten abgesagt, Ausstellungen verschoben und der Lesesaal des Hauses zeitweise geschlossen werden. Man nutzte die Zeit und hob stattdessen zwei neue Publikationsreihen aus der Taufe. Bei der Reihe zur Mülheimer Geschichte ging man neue Wege und bot diese nicht als Präsenzveranstaltung, sondern als Video-Stream über den städtischen Youtube-Kanal an.


Abb.: Der Lesesaal des Stadtarchivs Mülheim (im Haus der Stadtgeschichte) (Foto: Stadtarchiv Mülheim)

Im Laufe des Jubiläumsjahrs 2022 hofft das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr, seinen 50. Geburtstag mit Vorträgen, Ausstellungen und weiteren Veranstaltungen gebührend feiern zu können. Geplant ist u.a. eine Ausstellung mit ausgewählten Stücken aus den Beständen des Stadtarchivs, die unter dem Titel „Stadt – Archiv – Geschichte: 50 Jahre Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr“ vom 1. September bis 23. Dezember 2022 im Foyer des Hauses der Stadtgeschichte gezeigt werden soll.

Kontakt:
Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Haus der Stadtgeschichte
Von-Graefe-Straße 37
45470 Mülheim an der Ruhr
Telefon: 0208 455 4260
Fax: 0208 455 58 4260
stadtarchiv@muelheim-ruhr.de
www.stadtarchiv-muelheim.de

Quelle: WAZ, Mülheimer Stadtarchiv wird 50, 17.1.2022; Auszüge aus: Jens Roepstorff: Von der Heimatbücherei zum Haus der Stadtgeschichte, 4.1.2022 (Bearbeitete und aktualisierte Fassung des Beitrags „Von der Heimatbücherei zum Haus der Stadtgeschichte“ von Jens Roepstorff, in: Mülheimer Jahrbuch 2014, S. 80-86); Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr, Veranstaltungen 2022.

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