1700 Jahre jüdisches Leben in der Region Rhein-Erft-Rur

Im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen im Rhein-Erft-Kreis hat die Arbeitsgemeinschaft der Archive in den Kreisen Düren und Rhein-Erft eine Ausstellung mit dem Titel „Shalom Chaverim – 1700 Jahre jüdisches Leben in der Region Rhein-Erft-Rur“ realisiert.

Mit dem Dekret des Jahres 321 nach der Zeitenwende ist jüdisches Leben nördlich der Alpen erstmals nachweisbar. Auch der Rhein-Erft-Kreis war und ist Heimat von Jüdinnen und Juden. Die Ausstellung zeichnet auf insgesamt zwölf Tafeln die Entwicklungslinien der jüdischen Geschichte im Rhein-Erft-Kreis vom Mittelalter bis zur Verfolgung unter dem NS-Regime aufgezeigt, sondern auch das Thema der Widergutmachung in der Nachkriegszeit betrachtet. Neben bedeutenden Ereignissen sollen auch alltägliche Lebensbereiche wie Religionsausübung, Schulbildung und Freizeit dargestellt werden.

„Hallo, Freunde“ – so kann man im Alltagshebräisch etwa den Titel übersetzen. „Shalom“ bedeutet aber auch Gesundheit, Wohlfahrt, Sicherheit und Friede. Den haben die Menschen jüdischen Glaubens sich immer gewünscht, auch wenn es über viele Jahrhunderte sehr schwer für sie war, in Sicherheit und Frieden zu leben. Die Ausstellung begibt sich auf Spurensuche in die Geschichte der jüdischen Gemeinden in unserer Region. Dabei thematisiert sie die ganze Bandbreite jüdischer Geschichte. Neben einem chronologischen Überblick über die Geschichte in den Regionen Rhein-Erft-Rur wird auch die Bedeutung von Synagogen und Friedhöfen in den Blick genommen.

Weiterhin wird die Frage nach dem Gedenken und nach einem heutigen Zusammenleben betrachtet. Eine Tafel gedenkt den Schicksalen der wenigen überlebenden Opfer des Holocaust in Bergheim, wo die Ausstellung im Citybüro (Hauptstraße 55, 50126 Bergheim) zeitgleich zu sehen ist. Zusätzlich behandelt die Ausstellung durch die Themenbereiche „Der jüdische Friedhof“ und „Die Synagoge“ die religiösen Lebensbereiche, welche die jüdische Kultur zum Teil so besonders machen.

Die Ausstellung kann bis zum 25.02.2022 im Foyer des Stadtarchivs Frechen zu den Gebäudeöffnungszeiten besucht werden. Der Eintritt ist frei. – Im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen findet zudem am 24.10.2021 die Führung „Einstiges jüdisches Leben in Frechen – dargestellt am heutigen Originalschauplatz“ statt, sowie am 27.10.2021 die Filmvorführung mit anschließender Diskussion „Shalom und Alaaf – Jüdinnen und Juden im Kölner Karneval“.

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Archive in den Kreisen Düren und Rhein-Erft, in der kommunale und staatliche Archive ebenso wie Firmenarchive vertreten sind, treffen sich mehrmals im Jahr sowohl zum archivfachlichen Informations- und Erfahrungsaustausch als auch zur Konzipierung und Realisierung von Projekten. Dabei geht es einerseits um Ausstellungen und Publikationen als wesentlichem Teil der archivischen Öffentlichkeitsarbeit, andererseits aber auch um aktuelle Entwicklungen im Bereich des Archivwesens, wie die Übernahme elektronischen Schriftguts, die Erörterung von Bewertungsmaßstäben oder die Sicherung der Bestände. – Eine Publikation der Arbeitsgemeinschaft ist der Archivführer „Fundgruben“, der als PDF-Download abgerufen werden kann.

Kontakt:
Stadtarchiv Frechen
Hauptstraße 110-112
50226 Frechen
Tel.: 02234/501-1239
archiv@stadt-frechen.de
www.stadtarchiv-frechen.de

Quelle: Rhein-Erft-Kreis, Grußwort Landrat Rock: Jüdische Kulturwochen; Herzog. Kultur- und Stadtmagazin, 5.10.2021; Rhein-Erft-Kreis, Pressemitteilung, 26.2.2021; Stadtarchiv Frechen: Ausstellungshinweise; Stadt Bergheim, Pressemitteilung, 1.10.2021

Bau eines Fallschirmsprungturmes in Bitterfeld

Die als Archivale des Monats ausgewählte Akte mit der Signatur HSTAB 2948 wird im Stadtarchiv Bitterfeld-Wolfen im Ortsteil Stadt Bitterfeld aufbewahrt und enthält Schriftstücke über den Bau eines Fallschirmsprungturmes aus den Jahren 1956 bis 1959. Die Akte beinhaltet unter anderem Schriftverkehr bezüglich der Standortgenehmigung zum Bau des Fallschirmsprungturmes. Daraus geht hervor, dass man mit den Bauarbeiten bereits beginnen wollte, ohne dass eine Bau- oder Standortgenehmigung vorlag.


Abb.: Bau des Fallschirmsprungturmes auf der Binnengärtenwiese Bitterfeld (Foto: Stadtarchiv Bitterfeld-Wolfen FA Btf 326)

Weiterhin befindet sich in der Archivale ein auf den 16.05.1956 datiertes „Gutachten über die Baugrund- und Gründungsverhältnisse“. Auftraggeber des Gutachtens war die Gesellschaft für Sport und Technik, Kreisleitung Bitterfeld. Die historische Endarchivakte enthält außerdem eine „Ingenieurgeologische gutachtliche Stellungnahme zur Planung eines Fallschirmsprungturmes in Bitterfeld“ sowie einen Prüfbericht zum Fundament.

Eine „Übersichtszeichnung des Fallschirm-Absprungturmes“ von 1955 veranschaulicht, wie der Sprungturm aussehen und welche Maße er haben sollte. Laut der Zeichnung war eine Höhe von 20 Meter angedacht. Am 13.11.1957 erteilte der Rat des Kreises Bitterfeld, Bezirk Halle, die Baugenehmigung für den Fallschirmsprungturm.

Im März 1959 erfolgte die Gebrauchsabnahme, die zu keinen Beanstandungen geführt hat. Der dazugehörige Gebrauchsabnahmeschein wurde jedoch erst am 22.6.1959 vom Rat des Kreises Bitterfeld ausgestellt.

Kontakt:
Stadtarchiv Bitterfeld-Wolfen
OT Stadt Bitterfeld
Markt 07
06749 Bitterfeld-Wolfen
Tel.: 03494 6660-240

Quelle: Stadtarchiv Bitterfeld-Wolfen, Archivale des Monats November 2021

Digitalisierungsprojekt des Landesarchivs Thüringen zur Weimarer Nationalversammlung

Als Friedrich Ebert am 6. Februar 1919 in Weimar im Deutschen Nationaltheater die konstituierende Sitzung der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung eröffnete, hoffte ein Großteil der Wählerinnen und Wähler, die am 19. Januar 1919 an die Wahlurnen getreten waren, auf einen friedlichen und rechtsstaatlichen Übergang von den revolutionären Verhältnissen hin zu einer demokratischen Republik. Die Aufgaben, vor denen das neue Parlament stand, waren neu und zugleich elementar, die Bedingungen dafür denkbar schwierig.


Abb.: Tabellarische Darstellung der Wahlergebnisse der Wahl zur Nationalversammlung von 1919, geordnet nach Wahlkreisen (Ausschnitt) (LATh-HStA Weimar, Plakat- und Flugzettelsammlung Nr. K 615/1)

Die am 11. August 1919 im thüringischen Schwarzburg von Reichspräsident Friedrich Ebert (1871-1925) unterzeichnete und am 14. August 1919 in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung ist bis heute Gegenstand von Deutungen und Diskussionen. Sie war zugleich aber eine Voraussetzung für den Zusammenschluss der Thüringischen Staaten zum Land Thüringen. Daher schien es lohnenswert, in den Beständen aller Abteilungen des Landesarchivs Thüringen nach einschlägigen Archivalien zur Weimarer Nationalversammlung, zur Gründung der Weimarer Republik sowie des Landes Thüringen zu recherchieren, diese zu digitalisieren und online zu stellen. Zum anderen sollte auch der Frage nachgegangen werden, wie die politischen Vorgänge und Umbrüche – Thüringen und die Republik betreffend – jenseits von Weimar verfolgt, kommentiert und reflektiert wurden – nicht zuletzt deshalb, weil die im Hauptstaatsarchiv Weimar aufbewahrte Überlieferung des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach in Folge eines Brandunglücks im April 1945 erhebliche Lücken aufweist.

Akten, Plakate, Fotografien – Schwerpunkte und Perspektiven
Die vorliegenden Dokumente sind als ein repräsentativer Querschnitt der Bestände des Landesarchivs Thüringen zu verstehen und bilden vor allem im Bereich der Akten nicht alle Quellen ab, die für Forschende von Interesse sein könnten. Insgesamt wurden 218 Datensätze und mehr als 18.000 Digitalisate ins Digitale Archiv exportiert, wo sie nun online für die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Darüber hinaus lohnt sich nach wie vor die Recherche in den Findmitteln (einschließlich Archivportal Thüringen) sowie der klassische Besuch in den Lesesälen der relevanten Archive, um der einen oder anderen Fragestellung genauer auf den Grund zu gehen.


Abb.: Plakat, Wahlaufruf „Mädchen u. Frauen heraus aus der Finsternis!“ (LATh-StA Altenburg, Plakatsammlung Nr. 953)

Die digitalisierten Dokumente erlauben einen Einblick in die Vorgänge und Entwicklungen zwischen 1918 und 1924 aus verschiedenen Blickwinkeln. Während die Plakate vor allem die Wahlagitation der verschiedenen politischen Parteien anschaulich machen, gewährt ein Großteil der Akten der Thüringischen Kleinstaaten einen Einblick in die Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919. Persönliche Briefe Herzog Bernhards III. von Sachsen-Meiningen (1851-1928) aus dem Staatsarchiv Meiningen erlauben hier und da einen Einblick in das „Seelenleben“ eines entmachteten Souveräns und seine Haltung, die politischen Vorgänge betreffend. Andere Akten, die die großen politischen Fragen dokumentieren, wie etwa die Verfassungsfrage und die Friedensverhandlungen der Nationalversammlung mit den Siegermächten, spiegeln auch die alltäglichen Herausforderungen in Weimar wider. Dazu zählt etwa die Frage der Unterbringung und Versorgung der vielen Abgeordneten in und um Weimar herum. Vor allem die zu Beginn des Jahres 1919 als bedrohlich wahrgenommene Bierknappheit mutet dabei aus heutiger Perspektive eher skurril an. Ein Fotoalbum aus dem Bestand des Hauptstaatsarchivs Weimar enthält eine Vielzahl bisher nicht veröffentlichter Fotografien aus dem Jahr 1919, die vor allem die Vorgänge in Weimar plastisch beleuchten. Aus urheberrechtlichen Gründen können diese im Portal nicht angezeigt werden, die Metadaten sind jedoch abrufbar. Gleiches gilt auch für alle anderen berücksichtigten Fotografien. Nicht zuletzt beleuchten u. a. die kommentierten Entwürfe der von Prof. Dr. Eduard Rosenthal (1853-1926) ausgearbeiteten Verfassung des Landes Thüringen die komplexen Vorgänge, die den Zusammenschluss der Thüringischen Staaten hin zum Land Thüringen 1920 bedingten.

Kontakt:
Landesarchiv Thüringen
Marstallstraße 2
99423 Weimar
Tel.: +49 (0) 36 43 / 870-101
Fax: +49 (0) 36 43 / 870-100
landesarchiv@la.thueringen.de
https://landesarchiv.thueringen.de/

Quelle: Landesarchiv Thüringen/Romy Scharfe, Weimarer Nationalversammlung online, 16.9.2021

Friedhofsunterlagen erleichtern Familienforschung im Stadtarchiv Moers

»Wo komme ich her?« – Dieser Frage können Interessierte auch im Stadtarchiv Moers nachgehen. Im Stadtarchiv werden zahlreiche personengeschichtlich interessante Quellen aufbewahrt. So stehen Familienforschern insbesondere Personenstandsregister, Adressbücher, Einwohnermeldekarteien und Kopien von Kirchenbüchern für ihre Recherchen zur Verfügung.

Seit Kurzem vereinfachen Bücher der Moerser Friedhofsverwaltung und eine digitalisierte Meldekartei die Familienforschung. So ging vor einiger Zeit bei Daniela Gillner, Leiterin des Stadtarchivs, z.B. eine Anfrage aus Berlin ein: Die Dame war auf der Suche nach ihren Vorfahren um 1830. Eine spannende Aufgabe, denn es gab zahlreiche Dokumente zu den angefragten Personen. „Ich habe erst in der Meldekartei geschaut und dann in den Standesamtsunterlagen noch mehr Material gefunden. Außerdem haben mir die Kirchenbuchkopien mit Tauf- und Beisetzungsdatum weitergeholfen“, berichtet die Stadtarchivarin von der Recherche.


Abb.: Die Moerser Stadtarchivarin Daniela Gillner freut sich über neue Unterlagen der Moerser Friedhofsverwaltung im Stadtarchiv. (Foto: Stadt Moers)

Am Ende hat sich herausgestellt, dass eine Vorfahrin in Düsseldorf geheiratet hatte und sie konnte die Berliner Familienforscherin an das Stadtarchiv Düsseldorf verweisen, um die Spur zu verfolgen. Nicht nur aus Berlin schreiben Menschen an das Moerser Stadtarchiv, sondern aus ganz Deutschland, den Niederlanden, Polen, Tschechien und sogar aus den USA kamen bereits Anfragen.

Gute Buchführung seit 1798
In vielen Fällen können die Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtarchiv Moers weiterhelfen. Grundlage dafür sind die guten Überlieferungen aus dem Standesamt. „Wir haben seit 1798 sämtliche Informationen über Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle. Das wurde picobello gepflegt“, erzählt Daniela Gillner. Einige der Standesamtsbücher sind derzeit in der Werkstatt, weil sie ständig in Benutzung sind. Auch die ‚neuen‘ Lagerbücher der Friedhofsverwaltung sind sanierungsbedürftig und danach mit der Reparatur an der Reihe. Von allen Moerser Friedhöfen sind dort bis in die 1990er Jahre Informationen zu finden: Name, Alter, Wohnort, Datum der Beerdigung und sogar der Beruf – in manchen Fällen war der auch einfach ‚Ehefrau‘, ‚Berginvalide‘, ‚Witwe‘ oder bei vielen Moersern eben ‚Bergmann‘.

Besonders wertvoll sind die Lagerbücher der Friedhöfe in Kombination mit den großformatigen Flächenplänen zu den Grabplätzen. So kann anhand der Auflistung im Buch der damalige Grabplatz auch noch auf den heutigen Friedhöfen sehr genau bestimmt werden. „Die Lagerbücher und Karten sind wie einzelne Mosaikstücke, die man bei der Recherche zusammensetzt“, erklärt die Fachfrau.


Abb.: Der alte Lageplan eines Friedhofs lässt in Zusammenhang mit den jeweiligen Lagerbüchern Rückschlüsse darauf zu, wo wer begraben wurde. (Foto: Stadtarchiv Moers)

Ein weiteres Mosaikstück kann außerdem die Einwohnermeldekartei sein. Die Karten sind wie konzentrierte Informationsquellen, die man sich sonst mühsam zusammensuchen müsste. Vermerkt sind darauf nicht nur Infos zu der jeweiligen Person, sondern auch zu den Eltern, Kindern, der Ehepartnerin, deren Herkunft und den eigenen Umzügen im Laufe des Lebens.

„Die Einwohnermeldekartei ist sehr beliebt bei den Besucherinnen und Besuchern des Stadtarchivs. Deshalb gehen die einzelnen Karten immer mehr kaputt und wir sichern den Bestand, indem wir alles einscannen.“ Bisher ist das Archivteam bis zum Buchstaben B vorgedrungen. „Es wird noch einige Zeit brauchen, bis wir alle Meldekarten digitalisiert haben“, stellt Daniela Gillner in Aussicht.

Wer Einblick in die Meldekartei nehmen möchte, kann sich beim Stadtarchiv Moers melden. Die Kolleginnen und Kollegen suchen dann die entsprechenden Informationen heraus und/oder bieten einen Termin zur Einsichtnahme an.

Kontakt:
Stadtarchiv Moers
Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum
Wilhelm-Schroeder-Straße 10
47441 Moers
Telefon: 02841 / 201-737
stadtarchiv@moers.de

Quelle: Stadt Moers, Pressemitteilung, 6.10.2021; RPonline, 6.10.2021

Turnverein schenkt seine historischen Unterlagen dem Stadtarchiv Biberach

Das Stadtarchiv Biberach versteht sich heute nicht mehr nur als Gedächtnis der Verwaltung, sondern als Gedächtnis der Gesellschaft. Deshalb werden neben der schriftlichen Überlieferung aus den städtischen Ämtern auch Archive von Vereinen, Firmen und gesellschaftlich oder historisch bedeutenden Privatpersonen in das Stadtarchiv aufgenommen.

Auf Anregung von Rainer Etzinger, dem damaligen Vereinsvorsitzenden, wurde bereits kurz nach dem 150-jährigen Jubiläum des Vereins im Jahr 1997 das Archiv der Turngemeinde Biberach 1847 e.V. an das Stadtarchiv übergeben.


Abb.: Die Turngemeinde Biberach, vertreten durch den Vorsitzenden Hans-Peter Beer (r.), übergab ihr Archiv offiziell an das Biberacher Stadtarchiv, vertreten durch Kulturdezernent Dr. Jörg Riedlbauer (Foto: Johanna Geist)

Erst jetzt konnten die Unterlagen erschlossen und für die Benutzung aufbereitet werden. Acht laufende Regalmeter Vereins-, aber auch Stadtgeschichte können nun von Forschern und historisch interessierten Bürgern im Lesesaal des Stadtarchivs eingesehen werden. Es handelt sich um Vereinsunterlagen wie Protokolle, die bis in das Jahr 1851 zurückreichen, Kassenbücher oder Mitgliederlisten, die das Vereinsleben und die Entwicklung des heute größten Biberacher Vereins in rund 150 Jahren aufzeigen.

Die Vereinsgründung erfolgte nur wenige Jahre nach der Aufhebung der sog. Turnsperre, also dem 1820 im Rahmen der Demagogenverfolgung erlassenen Verbot des Turnens. Bei Gründung des Biberacher Vereins am 10.5.1847 besaß dieser sogleich 21 Mitglieder, fünf Jahre später waren es bereits 60.

Dass der Sportverein auch einen großen Anteil am gesellschaftlichen Leben hatte, zeigen die umfangreichen Schriftstücke zur Fasnet in Biberach. Im Jahr 1938 gründete sich eigens eine „Biberacher Fasnet-Arbeitsgemeinschaft“ in der sich Turngemeinde, Liederkranz und Schützengilde zusammenschlossen, um gemeinsam Fasnetsveranstaltungen durchzuführen. Auch dem Singen fühlten sich die Mitglieder der TG verbunden. Von der 1924 gegründeten Sängerriege zeugt eine große Anzahl an Liederbüchern und Notenblättern.

Die mit dieser Schenkung übergebenen Dokumente umfassen den Zeitraum von 1851 bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Damit auch die neuere Vereinsgeschichte den zukünftigen Generationen zur Verfügung steht, werden das Stadtarchiv und die TG Biberach weiterhin in Verbindung bleiben. Im Jahr 2022 steht das 175-jährige Jubiläum des Vereins an, danach wird der Bestand „Turngemeinde Biberach“ sicherlich weiteren Zuwachs erhalten.

Kontakt:
Stadtarchiv Biberach
Waldseer Straße 31
88400 Biberach an der Riß
Telefon: 07351 51-327
Fax: 07351 5185327
stadtarchiv@biberach-riss.de

Quelle: Stadt Biberach, Aktuelles, 5.10.2021; Art.: Turnen, in: Wikipedia, 25.8.2021; TG Biberach: Chronik; Wochenblatt Biberach, 5.10.2021.

Bad Mergentheim digitalisiert mit neuem Archivscanner

Im Frühjahr 2021 erhielten das Stadtarchiv Bad Mergentheim und die Stadtbücherei Bad Mergentheim zusammen fast 44.000 Euro Fördermittel aus dem Neustart KulturBundesprogramm „WissensWandel“. Das Geld floss in Digitalprojekte: Tablets für die Stadtbücherei, und das Stadtarchiv konnte insbesondere die Anschaffung eines Archivscanners betreiben. Die Anschaffungen hatte die Stadt Bad Mergentheim (Main-Tauber-Kreis) bereits im laufenden Haushalt eingeplant. Aufgrund der Förderung durch den Bund kann sie das Geld anders verwenden.


Abb.: Bad Mergentheims Oberbürgermeister Udo Glatthaar (re.) und Fachbereichsleiter Kersten Hahn (li.) gratulieren Denise Amann (stv. Bücherei-Leiterin) und Stadtarchivar Alexander Ploebsch im gemeinsamen Innenhof beider Einrichtungen zum Fördererfolg. „Die Anerkennung und Unterstützung durch die Bundesregierung freut mich sehr, weil damit auch die gute Digital-Arbeit in unseren Einrichtungen gewürdigt und unterstrichen wird“, sagt Udo Glatthaar. Vor allem gehe damit ein Mehrwert bei den Diensten und Serviceleistungen der Stadt für ihre Bürgerschaft einher. Kersten Hahn lobt die sorgfältige Antragstellung und Vorbereitung, denn dies sei die Grundlage für den Förder-Höchstsatz von rund 90 Prozent gewesen. (Foto: Stadt Bad Mergentheim)

Hinter dem Projekt Archivscanner verbirgt sich ein wichtiger Beitrag zur Digitalisierung, Professionalisierung und Barrierefreiheit der städtischen Einrichtung. Ein solches Gerät, das mit eigenem Rechner verbunden ist, kann auch große historische Dokumente einlesen, außerdem beispielsweise Glasplatten oder Dias. „Damit wollen wir den vielen Forschenden in unserer Stadt einen einfachen Zugriff auf gebundene, konservatorisch gefährdete und großformatige Archivalien ermöglichen“, erläutert Stadtarchivar Alexander Ploebsch.


Abb.: Der Bad Mergentheimer Stadtarchivar Alexander Ploebsch erfasst eine historische Urkunde mit dem neuen Archivscanner (Foto: Stadt Bad Mergentheim)

Die raumgreifende Anlage des Archivscanners verfügt über dimmbare Leuchtkörper, millimetergenau höhenverstellbare und magnetische Ablageflächen sowie eine hochauflösende Kameralinse. Angeschlossen ist ein PC mit zwei Bildschirmen. Über ein Fußpedal lässt sich der Erfassungs- und Scanprozess auslösen, mit einer Software kann der Scan direkt nachbearbeitet und in verschiedenen Dateiformaten abgespeichert werden.

Während der Corona-Pandemie sei beim Stadtarchiv häufiger nachgefragt worden, ob man historische Dokumente digital zur Verfügung stellen könne. Daher stellte der Archivscanner einen großen Fortschritt dar, um die Bestände „schnell, einfach und schonend“ zu digitalisieren, erläutert Stadtarchivar Ploebsch, der erst seit 1.10.2020 als Nachfolger der in den Ruhestand getretenen Christine Schmidt im Amt ist. Wo bislang im Stadtarchiv maximal bis zum Format DIN A3 auf konventionelle und das Archivgut nicht sonderlich schonende Art digitalisiert worden ist, können mit der neuen Scan-Anlage nunmehr unterschiedliche Objekte und Bücher, Akten und Urkunden, Dias und Negative bis zum Format DIN A0 erfasst werden. Zunächst aber soll die Postkartensammlung digitalisiert werden, anschließend die Glasplatten-Sammlung. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen anschließend über verschiedene Plattformen der Online-Recherche von der professionalisierten Digitalisierung im Stadtarchiv Bad Mergentheim profitieren.

Kontakt:
Stadtarchiv Bad Mergentheim
Stadtarchivar Alexander Ploebsch
Kulturforum
Hans-Heinrich-Ehrler-Platz 35
97980 Bad Mergentheim
Telefon: 07931 574705
Alexander.Ploebsch@bad-mergentheim.de

Quelle: Wochenzeitung BlickLokal, 7.5.2021; SWR, Bad Mergentheim, 3.5.2021; Fränkische Nachrichten, 4.5.2021; Fränkische Nachrichten, 18.6.2021; Fränkische Nachrichten, 14.10.2020

Neue Publikation zum Aschaffenburger Altstadtfriedhof

Der Altstadtfriedhof ist heute der älteste Friedhof Aschaffenburgs, auf dem noch Beisetzungen stattfinden. Dichter und Wissenschaftler, Bürgermeister und Soldaten, Priester und einfache Bürgerinnen und Bürger – sie alle haben hier in den letzten knapp 200 Jahren ihre letzte Ruhestätte gefunden. Wie kaum anderer Ort in Aschaffenburg ist er ein „biographisches“ Zeugnis der Stadtgeschichte. Eine neue, umfangreich bebilderte Publikation des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg bietet die Möglichkeit, einen historischen Spaziergang über den Friedhof zu unternehmen.


Abb.: Altstadtfriedhof, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter (Foto: Monika Spatz)

Die Autorin und Stadtführerin Monika Spatz hat in akribischer Arbeit Kurzbiographien zu zahlreichen Persönlichkeiten und Familien erstellt; ebenso finden sich aber auch Informationen zu Gräbern von verunglückten oder gefallenen Soldaten, Kriegsgefangenen und zu Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Das Buch ist alphabetisch geordnet, bietet aber auch die Möglichkeit eines gezielten Rundgangs über den Altstadtfriedhof – ein Friedhofsplan hilft bei der Orientierung.

„Auf den alten Grabsteinen findet man ganze Stammbäume, man lernt Familiengeschichten und bewegende Einzelschicksale von Menschen kennen, die fern ihrer Heimat gestorben sind. Letztlich ist der Rundgang in Buchform auch ein Aschaffenburger Beitrag zum Immateriellen Kulturerbe der Friedhofskultur in Deutschland – auf Empfehlung der deutschen UNESCO-Kommission war vor eineinhalb Jahren die Aufnahme der Friedhofskultur in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes beschlossen worden“, führt der für das Stadt- und Stiftsarchiv zuständige Referent, Bürgermeister Eric Leiderer, aus.

Die neue Publikation von Monika Spatz ersetzt die vergriffene frühere Publikation der Stadtführerin zum Altstadtfriedhof aus dem Jahr 2009. Für die Neubearbeitung sind die Beiträge überarbeitet und erweitert worden. Mitglieder des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg erhalten das Buch als Jahresgabe kostenfrei. Der Kaufpreis im Buchhandel bzw. direkt beim Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg beträgt 12 Euro.

Info:
Monika Spatz, Steine erzählen Geschichte. Ein Rundgang über den Altstadtfriedhof in Aschaffenburg, Aschaffenburg 2021 (Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Beihefte, 9). 100 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-922355-41-0. Preis: 12€.

Kontakt:
Stadt- und Stiftsarchiv
der Stadt Aschaffenburg
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Telefon: +49 6021 4561050
stadtarchiv@aschaffenburg.de
https://stadtarchiv-aschaffenburg.de

Als das Staatsarchiv Amberg noch königlich war

Auf Vermittlung eines langjährigen Benutzers bekam das Staatsarchiv Amberg aus privater Hand ein Emailleschild mit der Aufschrift „Kgl. Kreisarchiv der Oberpfalz“ (Format 15 x 21 cm) geschenkt, das seit 1875 (oder später) am ehemaligen Archivstandort in der Amberger Altstadt als Behördenschild gedient haben dürfte.


Abb.: Behördenschild aus Emaille, im Gebrauch zwischen 1875 und 1910 (Foto: Maria Rita Sagstetter)

Als das Staatsarchiv Amberg sich noch „Kgl. Kreisarchiv der Oberpfalz“ nannte, befand es sich in einem Gebäudekomplex in der Regierungsstraße, der heute vom Landgericht Amberg genutzt wird. Historischer Kern der Anlage ist die unter Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz im Renaissancestil erbaute Regierungskanzlei, die 1547 bezogen werden konnte. Wegen zusätzlichen Raumbedarfs wurden um 1600 zwei angrenzende Privatgebäude gekauft und zu einem „Archivum“ ausgebaut. Seit Ende des 18. Jahrhunderts diente zusätzlich das benachbarte Rentmeisterhaus der Lagerung von Archivgut. 1910 konnte das Amberger Archiv am heutigen Standort in der Archivstraße einen für archivische Zwecke errichteten Neubau beziehen, der in allen Funktionsbereichen eine erhebliche Verbesserung bedeutete.


Abb.: Eingang des 1910 bezogenen Neubaus des Staatsarchivs Amberg (Foto: Peter Litvai, Atelier für Fotografie Landshut)

Nach dem Auszug des Archivs scheint die Emailletafel am bisherigen Standort zurückgeblieben zu sein, da den Eingang zum neuen Gebäude neben dem Wappen des Königreichs als Supraporte auch ein neues Behördenschild zierte. Vermutlich erschien dem Hausmeister oder einem Handwerker das gebrauchte Schild zum Wegwerfen zu schade, weshalb es die Zeiten in Privatbesitz überdauert und schließlich mehr als 100 Jahre später in das Eigentum des Archivs zurückgelangte.

Die alte Bezeichnung „Kreisarchiv“ wurde nach dem Ende der Monarchie durch Verordnung vom 16. Juli 1921 in „Bayerisches Staatsarchiv“ geändert. Seit 1970 lautet der offizielle Behördenname „Staatsarchiv Amberg“.

Kontakt:
Staatsarchiv Amberg
Archivstr. 3
92224 Amberg
Tel. 09621/307911
Fax 09621/307907
poststelle@staam.bayern.de

Quelle: Dr. Maria Rita Sagstetter: Fundstücke aus dem Staatsarchiv Amberg, 13.7.2021

Plakatsammlung zum Fränkischen Volksfest im Stadtarchiv Crailsheim

Eines vermissen die Crailsheimer in diesen Tagen besonders: Das freundliche Winken des „Eilooders“ zum Fränkischen Volksfest. Seit 1951 ist er Symbol der „Fünften Jahreszeit“ in Crailsheim: Damals hatte der Volksfestausschuss einen Wettbewerb für ein Plakat ausgelobt.


Abb.: Im Jahr 1951 von Gottlieb Rettenmaier aus der Taufe gehoben und seither nicht mehr wegzudenken: Dem „Eilooder“ gelang es laut HT-Redakteur Albert Gscheidle schon damals, die Volksfestbesucher „in einen Hexenkessel der heiteren Verirrung zu stürzen“ (Foto: Stadtarchiv Crailsheim).

Fünf Künstler reichten Entwürfe ein, und „nach mancherlei Beratungen und Erwägungen“ – wie es in einem Bericht des Hohenloher Tagblatts vom 15. August 1951 heißt, wählte der Ausschuss den Entwurf des aus Crailsheim stammenden und in Lindau tätigen Künstlers Gottlob Rettenmaier (1901-1983) aus. Seither ist der „fröhliche Franke“ in historischer Tracht mit Regenschirm und Dreispitz das Bildsymbol des Festes schlechthin – nicht nur auf Plakaten, sondern auch auf Festprogrammen und -karten, auf Zugfahrplänen, als Ansteckpin und auf T-Shirts. Seit 1963 grüßt er monumental über einem Torbogen am Eingang zum Volksfestplatz – und seit einigen Jahren auch in Form von Tattoos an delikaten Stellen.

Der Plakatwettbewerb wurde 1951 ausgelobt, weil damals ein Doppeljubiläum gefeiert wurde: 110 Jahre Landwirtschaftliches Bezirksfest, das unter Einbeziehung von Handel und Gewerbe seit 50 Jahren unter der Regie der Stadt Crailsheim als Fränkisches Volksfest gefeiert wurde. Das heißt, die ersten Jahrzehnte wurde das ursprünglich rein landwirtschaftliche Fest noch ohne den einladenden Jungbauern begangen. Die vorherigen Plakate lockten die Feierwilligen mit ganz unterschiedlichem Layout. Sie zeigten scherenschnittartig die Stadtsilhouette und brachten Feststimmung mit Ansichten von Riesenrad und bunten Ballonen.


Abb.: Das älteste erhaltene datierte Plakat (links) stammt aus dem Jahr 1925. – Im Jahr 1949 versprachen bunte Ballone Unbeschwertheit und Vergnügen (Mitte). Die fehlenden Hauben auf den Türmen des Rathauses und der Liebfrauenkapelle erinnerten jedoch noch an die schwere Zeit des Krieges. Rechts: Dieser gemütliche Dickbauch wurde ebenfalls zum Plakat-Wettbewerb eingereicht. Er war im Jahr 1953 das Plakatmotiv, konnte sich jedoch letztlich nicht gegen den „Eilooder“ durchsetzen (Fotos: Stadtarchiv Crailsheim)

Die Volksfestplakate der letzten 100 Jahre haben Eingang gefunden in die Plakatesammlung des Stadtarchivs Crailsheim, wo sie unter der Signatur P 3 kürzlich verzeichnet wurden. Das erste datierte Plakat stammt aus dem Jahr 1925. Vermutlich noch älter ist jedoch ein nicht näher bezeichnetes Plakat: Es zeigt eine Ansicht der Stadt von der Jagst her gesehen, mit Rathausturm und Liebfrauenkapelle, die hinter den Resten der Stadtmauer und der engen Bebauung aufragen. Unter der Darstellung ist die Beischrift zu sehen: „Crailsheim / Großes Fränkisches Volksfest im September“. Im Bildfeld ist oben das Wappen der Stadt mit den drei Krailen und unten rechts – natürlich – ein Horaff platziert. Ein aus gegenständigen Horaffen gebildetes Bandornament umgibt die bildliche Darstellung. Unterzeichnet ist das Blatt mit dem Namen der Druckerei, der Lithographischen Anstalt Max Seeger in Stuttgart, und mit dem Namen „Stierle“. Der Entwerfer ist aufgrund seiner Signatur mit Heiner bzw. Heinrich Stierle zu identifizieren. Stierle wurde 1879 in Stuttgart geboren und war als Maler tätig. Seine impressionistischen Gemälde werden von Zeit zu Zeit auf Kunstauktionen angeboten.

Aus der Tatsache, dass das bunte Treiben „Fränkisches Volksfest“ genannt wird, ist ersichtlich, dass das Plakat frühestens 1901 entstanden sein kann, als das Fest in städtische Verwaltung überging. Stadtschultheiß Hugo Sachs hielt damals, am 24. September 1901, die erste Rede eines Crailsheimer Bürgermeisters zur Eröffnung des Festes. Er erklärte, dass der bisherige Organisator, der Landwirtschaftliche Bezirksverein, das Abhalten des Festes nicht mehr alleine stemmen konnte – und dass daraus jedoch keinesfalls eine Entfremdung zwischen Stadt und Land abzulesen sei, wie böse Zungen behaupteten: „Nichts Lächerliches als das! Glauben Sie denn, daß vielleicht das bösartige Geschwätze einzelner, oder daß die üble Laune eines Zeitungsschreibers oder daß gar die Folgen politischer Wahlen und andere Dinge geeignet sind, eine seit Jahrhunderten bestehende, zur Existenz beider Teile notwendige Freundschaft zwischen Stadt und Land zu trüben und das Band unwandelbarer Treue zu lockern oder zu zerreißen? Nein, niemals!“ Eine gute Ernte bringe gute Geschäfte, Stadt und Land gehörten daher unmittelbar zusammen, so das Stadtoberhaupt. Diese Haltung kam wohl 50 Jahre später zum Tragen, als der „Eilooder“, der fränkische Bauersmann im Sonntagsstaat, erfunden wurde und seither als Festbesucher vor Ansichten der Stadt und des Rummelplatzes präsentiert wird.

Das also seit 1901 von der Stadt Crailsheim unter der Bezeichnung „Fränkisches Volksfest“ durchgeführte Volks- und Heimatfest war im Jahre 1841 von Wilhelm I. von Württemberg (1781-1864) anlässlich seines Silbernen Krönungsjubiläums als „Landwirtschaftliches Bezirksfest zur Hebung und Förderung der Landwirtschaft im fränkisch-hohenlohischen Raum“ gestiftet. Träger des Festes war ursprünglich der damals gegründete Landwirtschaftliche Bezirksverein Crailsheim. Neben allerlei Belustigungen waren Tier- und Obstprämierungen und die Festzüge Hauptbestandteile des Festes. Das Fränkische Volksfest wird traditionell an einem Wochenende im September gefeiert; in den Jahren 2020 und 2021 fand das Volksfest aufgrund der Corona-Pandemie jedoch nicht statt.

Die Stadt Crailsheim hofft darauf, das Fränkische Volksfest im September 2022 wieder im üblichen Umfang durchführen zu können. Dann könnte womöglich auch wieder der „Eilooder“ seines Amtes walten und die Bevölkerung zu den Veranstaltungstagen einladen. Crailsheim hatte für den Job des „Einladers“ bereits einmal ein regelrechtes Casting durchgeführt – mit folgendem Stellen- und Personenprofil: Der „Eilooder“ ist rank, schnittig mit Konfektionsgröße 48/50 für das Eilooder-Kostüm. Er weiß, wie man das Leben genießen kann. Er kann begeistern und Feste feiern, wie sie fallen. Dazu kennt und liebt er Craalse und ist des Hohenlohischen mächtig.

Kontakt:
Stadtarchiv Crailsheim
Marktplatz 1 (Gebäude: Arkadenbau)
74564 Crailsheim
Tel.: 07951 / 403-1290
www.stadtarchiv-crailsheim.de

Quelle: Dr. Helga Steiger, Archivale des Monats, September 2021; Art.: Fränkisches Volksfest, in: Wikipedia, 17.4.2021; www.fraenkisches-volksfest-crailsheim.de; Amtsblatt der Großen Kreisstadt Crailsheim, 49. Jg., Nr. 17, 28.4.2016

Stadtarchiv Leipzig entdeckt Teil einer Handschrift aus dem 9. Jahrhundert

Der Sensationsfund schlummerte in den eigenen Beständen: Im Stadtarchiv Leipzig ist überraschend eine rund 1.100 Jahre alte Handschrift entdeckt worden, das mit Abstand älteste Dokument vor Ort. Oberbürgermeister Burkhard Jung und Archivdirektor Dr. Michael Ruprecht haben das Pergament jetzt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.


Abb.: Drei Männer in Anzügen beugen sich über ein Buch, alle drei tragen weiße Schutzhandschuhe
Bestaunen den Sensationsfund: Dr. Christoph Mackert, Leiter des Handschriftenzentrums, Oberbürgermeister Burkhard Jung und Archivdirektor Dr. Michael Ruprecht (Foto: Stadt Leipzig/ Denise Dörries)

Die Handschrift bildete den Schutzumschlag eines städtischen Leichenbuches aus der Zeit von 1639 bis 1642 – das wertvolle Innenleben des Einbands wurde erst jetzt von Dr. Christoph Mackert, dem Leiter des Handschriftenzentrums der Universitätsbibliothek Leipzig, aufgespürt. In den Beständen des Leipziger Stadtarchivs befinden sich zahlreiche Akten und Geschäftsbücher, deren Einbände aus wiederverwerteten mittelalterlichen Pergamenthandschriften gefertigt wurden. Um die wertvolle Ressource Pergament zu sparen, wurde sie früher häufig recycelt.


Abb.: Stadtarchiv Leipzig entdeckt Teil einer Handschrift aus dem 9. Jahrhundert (Foto: Bertram Kober/ Punctum)

Oberbürgermeister Burkhard Jung ist begeistert: „Nun ist das passiert, was ich insgeheim schon beim Umzug des Stadtarchivs vor zwei Jahren erwartet habe: ein Sensationsfund. Das zeigt, wie ungemein wichtig und fruchtbar es ist, die Quellen unseres Archivs für Wissenschaft und Forschung zugänglich zu machen.“

Dank einer kleinen Gruppe von Spezialwissenschaftlern konnte das herausragende Fragment bereits identifiziert werden. Es gehört zu einer Handschrift, die im zweiten Viertel des neunten Jahrhunderts in der Reichsabtei Fulda entstanden ist – und es ist nicht das einzige in Leipzig. Dr. Christoph Mackert führt aus: „Dieser Fund zeigt auf ganz besondere Weise Querbeziehungen zwischen den Beständen des Stadtarchivs Leipzig und der Universitätsbibliothek, denn von derselben Handschrift haben sich in der UB weitere Fragmente erhalten, die 1927 als Schenkung des Leipziger Professors Eugen Mogk eingegangen waren. Bislang wussten wir nicht, woher Mogk diese bedeutenden Stücke hatte. Nun ist klar, dass sie wohl ebenfalls in Leipzig gefunden und abgelöst wurden. Dank des neugefundenen Fragments wissen wir nun auch, wann die Handschrift aus Fulda nach Leipzig kam und dass sie dort für Einbandmaterial makuliert wurde. Alle Puzzleteile rücken plötzlich an ihren Platz.“

Nach eingehender Untersuchung durch Professor Tino Licht von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg lässt sich nun eindeutig sagen, dass alle Leipziger Fragmente aus einer Handschrift stammen, die den Genesiskommentar des bedeutenden Klerikers und Universalgelehrten Hrabanus Maurus (gestorben 856) überliefert. Dieser war Abt des Klosters, als die Handschrift in Fulda verfasst wurde. Die Bruchstücke überliefern wahrscheinlich Reste des autornahen Hausexemplars des Hrabanus-Kommentars, was sie umso kostbarer macht.


Abb.: Beispiel einer Handschrift von Hrabanus Maurus: Commentarium in epistulam ad Romanos (libb. V-VIII) — Fulda (?), Rhein- oder Maingebiet (?), Mitte bis 3. Viertel 9. Jh. (Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 8108, https://bibliotheca-laureshamensis-digital.de/view/bsb_clm8108/0005)

Archivdirektor Dr. Michael Ruprecht sagt: „Die Geschichte unserer Stadt wird durch den Fund nicht älter, aber es ist doch etwas ganz Besonderes, diese Handschrift einer der bedeutenden Persönlichkeiten der Karolingerzeit in unserem Magazin zu wissen. In den kommenden Jahren soll die Verzeichnung und Auswertung der anderen Einbandfragmente in Kooperation mit dem Handschriftenzentrum erfolgen und wir dürfen sicherlich auf weitere spannende Funde hoffen.“

Das Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig ist eine Service- und Kompetenzeinrichtung der UBL, die handschriftenbesitzende Institutionen bei der Erschließung und Digitalisierung ihrer Handschriftenbestände unterstützt. Das Leipziger Zentrum ist Teil einer bundesweiten Forschungsinfrastruktur von insgesamt sechs Handschriftenzentren, die auf Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgebaut wurden und jeweils für bestimmte Regionen Deutschlands zuständig sind.

Das Handschriftenzentrum der UBL betreut in erster Linie die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Zusätzliche Schwer­punkte sind Projekte zu deutschsprachigen Handschriften und die Aufarbeitung der vielfach kaum bekannten Klein- und Kleinstsammlungen mittelalterlicher Handschriften.

Kontakt:
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04103 Leipzig
Telefon: 0341 123-3800
Fax: 0341 123-3838
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Quelle: Stadt Leipzig, News, 1.10.2021; Handschriftenzentrum der UBL