Digitalisierungsprojekt des Landesarchivs Thüringen zur Weimarer Nationalversammlung

Als Friedrich Ebert am 6. Februar 1919 in Weimar im Deutschen Nationaltheater die konstituierende Sitzung der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung eröffnete, hoffte ein Großteil der Wählerinnen und Wähler, die am 19. Januar 1919 an die Wahlurnen getreten waren, auf einen friedlichen und rechtsstaatlichen Übergang von den revolutionären Verhältnissen hin zu einer demokratischen Republik. Die Aufgaben, vor denen das neue Parlament stand, waren neu und zugleich elementar, die Bedingungen dafür denkbar schwierig.


Abb.: Tabellarische Darstellung der Wahlergebnisse der Wahl zur Nationalversammlung von 1919, geordnet nach Wahlkreisen (Ausschnitt) (LATh-HStA Weimar, Plakat- und Flugzettelsammlung Nr. K 615/1)

Die am 11. August 1919 im thüringischen Schwarzburg von Reichspräsident Friedrich Ebert (1871-1925) unterzeichnete und am 14. August 1919 in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung ist bis heute Gegenstand von Deutungen und Diskussionen. Sie war zugleich aber eine Voraussetzung für den Zusammenschluss der Thüringischen Staaten zum Land Thüringen. Daher schien es lohnenswert, in den Beständen aller Abteilungen des Landesarchivs Thüringen nach einschlägigen Archivalien zur Weimarer Nationalversammlung, zur Gründung der Weimarer Republik sowie des Landes Thüringen zu recherchieren, diese zu digitalisieren und online zu stellen. Zum anderen sollte auch der Frage nachgegangen werden, wie die politischen Vorgänge und Umbrüche – Thüringen und die Republik betreffend – jenseits von Weimar verfolgt, kommentiert und reflektiert wurden – nicht zuletzt deshalb, weil die im Hauptstaatsarchiv Weimar aufbewahrte Überlieferung des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach in Folge eines Brandunglücks im April 1945 erhebliche Lücken aufweist.

Akten, Plakate, Fotografien – Schwerpunkte und Perspektiven
Die vorliegenden Dokumente sind als ein repräsentativer Querschnitt der Bestände des Landesarchivs Thüringen zu verstehen und bilden vor allem im Bereich der Akten nicht alle Quellen ab, die für Forschende von Interesse sein könnten. Insgesamt wurden 218 Datensätze und mehr als 18.000 Digitalisate ins Digitale Archiv exportiert, wo sie nun online für die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Darüber hinaus lohnt sich nach wie vor die Recherche in den Findmitteln (einschließlich Archivportal Thüringen) sowie der klassische Besuch in den Lesesälen der relevanten Archive, um der einen oder anderen Fragestellung genauer auf den Grund zu gehen.


Abb.: Plakat, Wahlaufruf „Mädchen u. Frauen heraus aus der Finsternis!“ (LATh-StA Altenburg, Plakatsammlung Nr. 953)

Die digitalisierten Dokumente erlauben einen Einblick in die Vorgänge und Entwicklungen zwischen 1918 und 1924 aus verschiedenen Blickwinkeln. Während die Plakate vor allem die Wahlagitation der verschiedenen politischen Parteien anschaulich machen, gewährt ein Großteil der Akten der Thüringischen Kleinstaaten einen Einblick in die Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919. Persönliche Briefe Herzog Bernhards III. von Sachsen-Meiningen (1851-1928) aus dem Staatsarchiv Meiningen erlauben hier und da einen Einblick in das „Seelenleben“ eines entmachteten Souveräns und seine Haltung, die politischen Vorgänge betreffend. Andere Akten, die die großen politischen Fragen dokumentieren, wie etwa die Verfassungsfrage und die Friedensverhandlungen der Nationalversammlung mit den Siegermächten, spiegeln auch die alltäglichen Herausforderungen in Weimar wider. Dazu zählt etwa die Frage der Unterbringung und Versorgung der vielen Abgeordneten in und um Weimar herum. Vor allem die zu Beginn des Jahres 1919 als bedrohlich wahrgenommene Bierknappheit mutet dabei aus heutiger Perspektive eher skurril an. Ein Fotoalbum aus dem Bestand des Hauptstaatsarchivs Weimar enthält eine Vielzahl bisher nicht veröffentlichter Fotografien aus dem Jahr 1919, die vor allem die Vorgänge in Weimar plastisch beleuchten. Aus urheberrechtlichen Gründen können diese im Portal nicht angezeigt werden, die Metadaten sind jedoch abrufbar. Gleiches gilt auch für alle anderen berücksichtigten Fotografien. Nicht zuletzt beleuchten u. a. die kommentierten Entwürfe der von Prof. Dr. Eduard Rosenthal (1853-1926) ausgearbeiteten Verfassung des Landes Thüringen die komplexen Vorgänge, die den Zusammenschluss der Thüringischen Staaten hin zum Land Thüringen 1920 bedingten.

Kontakt:
Landesarchiv Thüringen
Marstallstraße 2
99423 Weimar
Tel.: +49 (0) 36 43 / 870-101
Fax: +49 (0) 36 43 / 870-100
landesarchiv@la.thueringen.de
https://landesarchiv.thueringen.de/

Quelle: Landesarchiv Thüringen/Romy Scharfe, Weimarer Nationalversammlung online, 16.9.2021

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.