Das Humperdinck-Gedenkjahr erreichte mit dem 100. Todestag des Komponisten Engelbert Humperdinck am 27.9.2021 seinen Höhepunkt. Lange im Voraus planten die Kulturschaffenden in seiner Geburtsstadt Siegburg die Veranstaltungen. Womit sie anfangs nicht rechnen konnten, war die unverhoffte Unterstützung von prominenter Seite.
Kai Diekmann, einst am Steuer der „Bild“-Zeitung und auch nach seinem Rückzug von der Chefredaktion einer der einflussreichsten Medienmacher der Republik, ist Humperdinckfreund, seit er das Strandhaus auf Usedom erwarb, in welches sich der Künstler zum Komponieren zurückzog. Der Wagner- und Bayreuthfan Diekmann las und hörte sich ein in das Oeuvre des Siegburgers, zeigte schnell Begeisterung für die Musik und begab sich auf die Pirsch nach Archivalien und Antiquitäten, die mit dem Tondichter und dessen Familie in Verbindung stehen.
Abb.: Bürgermeister Stefan Rosemann, Leihgeber Kai Diekmann, Dr. Lothar Witte, der Enkelsohn von Wolfram und Urenkel von Engelbert Humperdinck, sowie Siegburgs Stadtarchivar Jan Gerull (v.r.n.l.) mit den gesammelten Lebensaufzeichnungen. Die Übergabe fand im Rahmen einer Fachtagung im Rhein Sieg Forum statt (Foto: Stadt Siegburg).
Im März 2021 überbrachte er dem Stadtmuseum Siegburg ein Poesiealbum von Humperdincks früh verstorbener Schwester Ernestine. Darin befinden sich die Noten des Stücks „Erinnerung“, das der Meister im zarten Alter von 17 Jahren zu Papier brachte. Als Exponat bereicherte Diekmanns Fund die Ausstellung „Hokuspokus Hexenschuss – Engelbert Humperdinck nach 100 Jahren“. Es unterstreicht die frühe Schaffenskraft eindrucksvoll.
Abb.: Gläserne Hülle für guten Ton. Leihgabe in der Vitrine und für Musikfreunde in Nahaufnahme: Engelbert Humperdinck schuf die Komposition „Erinnerung“ im September 1871, kurz nach seinem 17. Geburtstag. Er widmete sie der jüngeren Schwester Ernestine, schrieb sie in ihr Poesiealbum. Zum Glück für die Nachwelt wanderte das Album nicht auf den elterlichen Speicher, der drei Jahre später, 1874, ausbrennen und das Frühwerk des Tondichters vernichten sollte (Foto: Stadt Siegburg).
Nun bereichert Diekmann die Forschung um einen weiteren Quellenbestand, den er am 25.9.2021 dem Stadtarchiv Siegburg als Dauerleihgabe übergab. Aus privater Hand, vom Nachfahren Dr. Lothar Witte, hat er das Konvolut von 48 Tagebuchjahrgängen aufgekauft. Humperdincks Sohn Wolfram hat sie geschrieben. Sie decken die Zeit 1933 bis 1983 ab.
Wolfram Humperdinck (1893-1985) war Opernregisseur und in leitender Funktion an den Theatern in Leipzig und Kiel tätig. Nach dem Krieg, während seiner Entnazifizierung, wohnte er in Siegburg, arbeitete hier den Nachlass seines Vaters auf und begann an der Biografie zu schreiben. Bis heute ist sie ein Standardwerk der Humperdinck-Forschung. Er war Oberspielleiter des Westdeutschen Landestheaters und Dozent für Opernregie an der Nordwestdeutschen Musikakademie, beides in Detmold, sowie gefragter Regisseur mit Gastspielen im In- und Ausland.
Seine Tagebücher sind, so hat ein erster kursorischer Blick gezeigt, eine wichtige Fundgrube – nicht nur für die Humperdinck-Rezeption während des Dritten Reiches und der Nachkriegsjahre, sondern ganz allgemein für das Musikleben dieser langen Epoche. Darüber hinaus geben die Bücher – und das ist von enormer lokalhistorischer Bedeutung – Einblick in die Bemühungen zum Aufbau einer Humperdinck-Sammlung und eines Museums in der Kreisstadt.
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Quelle: Stadt Siegburg, Nachrichten, 27.9.2021; Stadt Siegburg: Siegburg aktuell (Newsletter), 17.3.2021