Die Grödnerbahn in die Dolomiten

Als im frühen 20. Jahrhundert in Tirol reihum Schmalspur- und Zahnradbahnen entstanden, die Passagiere zuverlässig und schnell von Zentralräumen in Täler und auf Berge brachten, lag es nahe, auch die Dolomiten auf diesem Weg verkehrstechnisch besser zu erschließen.


Abb.: Bahnhof St. Ulrich km 20,0 bahnaufwärts mit Sellagruppe, 1914/18 (K.u.k. Kriegspressequartier, Lichtbildstelle – Wien)

Da von einer solchen Stichbahn entscheidende Impulse für die Ankurbelung des Fremdenverkehrs zu erwarten waren, entbrannte um die Trassenführung ein jahrelanger Streit zwischen Bozen, Brixen und verschiedenen Gemeinden des Eisacktals. Die Grödner etwa wollten eine Trasse, die das Tal auf dem kürzesten Weg an die Brennerbahn anbinden sollte, um nicht nur Touristen ins Tal zu bringen, sondern auch die Produkte der lokalen Holzschnitzwerkstätten direkt exportieren zu können.

Von 1906 bis 1915 währte das Tauziehen um die Trassenführung und Finanzierung der Bahn, mit dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 ging dann alles ganz schnell: Im September 1915 begannen die Bauarbeiten an der Grödnerbahn und in nur fünf Monaten errichteten zehntausend Arbeiter, darunter etwa sechstausend russische Kriegsgefangene, unter teils unmenschlichen Bedingungen die gesamte Infrastruktur, die nun vor allem als militärische Nachschublinie für die Dolomitenfront dienen sollte.

Bereits am 6. Februar 1916 fuhr so das erste „Bahnl“ von Klausen bis nach Plan bei Wolkenstein. Kriegsbedingt waren viele Viadukte zunächst noch in Holz errichtet worden und wurden erst sukzessive durch Steinbauten ersetzt. Nach Kriegsende diente die Bahn wieder zivilen Zwecken.


Abb.: Der Hobbyfotograf Mario Geat schoss im Herbst 1938 ein Foto der Bahn an der Haltestelle in Lajen, wo gerade einheimische Fahrgäste zusteigen (Südtiroler Landesarchiv, Bildarchiv Mario und Benjamin Geat, Nr. 426).

Der Grödnerbahn war kein langes Leben beschieden, sie teilte das Schicksal vieler anderer Lokalbahnen: Als der Automobilverkehr auf der Grödner Straße zunehmend überhandnahm, wurde die Bahn 1960 endgültig stillgelegt.

Kontakt:
Südtiroler Landesarchiv
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Italien
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Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Archivale des Monats September 2021, 3.9.2021

Die Bestrafung der Anna Maria Grustin im Jahr 1755

Urteil über die uneheliche Schwangerschaft einer „Dirnin“ in Weil der Stadt.

Nachdem das Stadtarchiv Weil der Stadt im August 2021 das Skortationsprotokoll über das Verhör der unehelichen Schwangerschaft der Anna Maria Grustin als Archivale des Monats vorgestellt hatte, widmet es sich in der Präsentation der Archivale des Monats September 2021 der Verhandlung des Falles bzw. der Verhängung der Strafe durch den Rat der Stadt Weil der Stadt. Diese Informationen finden sich im Ratsprotokoll der Stadt Weil der Stadt aus dem Jahre 1755:


Abb.: Ratsprotokoll aus dem Jahr 1755 (Bestand WB – Bände Weil der Stadt, S. 268f.): Eine Transkription dieser beiden Seiten sowie der Seite 270 aus dem Protokollbuch findet sich hier.

Der Fall der unehelichen Schwangerschaft wurde dem Rat der Stadt Weil in der Sitzung vom 6. Juni 1755 vorgestellt, der Rat verwies auf weitere Ermittlungen, die notwendig seien. Diese wurden dann durch den Stadtschultheiß sowie den Syndicus durchgeführt – deren Untersuchungen und Befragungen sind im „Skortationsprotokoll“ vom 10. Juni 1755 beschrieben.

Anschließend wurde der Fall nach erfolgreicher Ermittlung wieder dem Rat vorgetragen, und zwar ebenfalls am 10. Juni 1755. Folglich wurde also die Anna Maria Grust nebst den weiteren Zeugen zunächst von Stadtschultheiß und Syndicus verhört, ehe sie vor die – vermutlich zeitlich versetzt stattfindende – Ratsversammlung gebracht und dort wiederum befragt wurde.

Am 14. Juni schließlich wurde – nachdem sie ebenfalls am 14. Juni nochmal eingehend befragt und nun wohl endgültig den Joseph Kohlhafer als Vater angegeben hatte – der Fall nochmals in der Ratssitzung ausgebreitet sowie die Strafe verhängt: Anna Maria Grust musste sich vor dem sonntäglichen Gottesdienst mit einem Strohkranz sowie einer Tafel mit der Aufschrift „Strafe der Dirnin Anna Maria Grustin, die sich in Unzucht mit einem Ehemann vergangen“ neben dem Eingang zur Kirche aufstellen. Anschließend wurde sie auf zehn Jahre aus der Stadt verwiesen.

Die große Bedeutung und der immense Aufwand zur Ermittlung des Ehebruchs ist aus heutiger Sicht nur schwer verständlich bzw. nicht nachvollziehbar. In der damaligen Zeit jedoch hingen mit der Institution der Ehe auch handfeste wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedingungen zusammen, wie das Bürgerrecht oder auch die Armenfürsorge durch öffentliche oder kirchliche Einrichtungen. In der streng hierarchisch gegliederten Gesellschaft früherer Jahrhunderte kamen der Ehe, dem Ehebruch und den unehelichen Schwangerschaften daher große Bedeutung zu, dies mit zum Teil fatalen Folgen für die betroffenen Frauen.

Über den anscheinend verheirateten und nun in den Augen des Rats als Kindsvater feststehenden Joseph Kohlhafer wird in Zusammenhang mit dem Fall der „Dirnin“ Anna Maria Grustin hingegen nichts weiter berichtet.

Kontakt:
Stadtarchiv Weil der Stadt
Stadtarchivar Mathias Graner
Kapuzinerberg 1
71263 Weil der Stadt
Tel.: 07033 309188
Fax: 07033 309190
stadtarchiv@weilderstadt.de

Quelle: Weil der Stadt, Archivale des Monats September 2021, 19.8.2021

Hessische Kleidung aus sechs Jahrhunderten

Mode, Lifestyle und Archiv? Das ist kein Widerspruch! Denn die Lebenswirklichkeit zurückliegender Epochen findet ihren kontinuierlichen Niederschlag auch in den Schrift- und Bildzeugnissen, die im Hessischen Landesarchiv aufbewahrt werden. Damit wird auch die Mode vergangener Tage dokumentiert.


Abb.: Kleidung beim hessischen Lehensdienst, 1498 (Foto: Hessisches Landesarchiv)

Das kann ganz haptisch durch Stoffproben geschehen. Aber auch Modezeichnungen sind seit dem ausgehenden Mittelalter überliefert. Hinzu kommen Kleiderinventare, Werbung, Kleidungsordnungen und Kleidervorschriften und natürlich ein umfangreicher Schriftverkehr über das Anfertigen und Tragen von Kleidung. Zudem werden einzelne Kleidungsstücke aus den Sammlungsbeständen der Archive gezeigt.

Die am 21.9.2021 eröffnete Ausstellung „Lifestyle im Archiv – Hessische Kleidung aus sechs Jahrhunderten“ mit Objekten aus den verschiedenen Standorten des Hessischen Landesarchivs stellt aber weder die Geschichte der Textilherstellung in Hessen noch einen Abriss der Modehistorie dar. Vielmehr wird über verschiedene Themenbereiche, die beispielsweise die Funktion von Kleiderordnungen, Uniformen, Trachten und Fastnachtskostüme in den Blick nehmen, erkundet, was die Sprache der Mode über die jeweilige Zeit aussagt.

In Marburg läuft die Ausstellung bis zum 12. März 2022. Zur Eröffnung hielt Prof. Dr. Kerstin Kraft von der Universität Paderborn einen Abendvortrag mit dem Titel: „Olle Klamotten? Über Kleidung und Mode in der Wissenschaft“.

2022 wird die Ausstellung dann auch im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden sowie im Staatsarchiv Darmstadt zu sehen sein. Zur Ausstellung ist eine begleitende Broschüre erschienen.

Info:
Ausstellung „Lifestyle im Archiv – Hessische Kleidung aus sechs Jahrhunderten“
Termin: bis 12. März 2022
Ort: Hessisches Staatsarchiv Marburg, Friedrichsplatz 15, 35037 Marburg
Öffnungszeiten: Montag-Freitag 9-17.30 Uhr
Besuchshinweis: Telefonische Voranmeldung erbeten: 06421-9250-0. Eine Registrierung vor Ort ist erforderlich (Luca-App). Derzeit ist ein Betreten des Hauses nur mit Negativnachweis (geimpft, getestet, genesen) möglich.

Quelle: Constanze Sieger, Marburg/Hessisches Landesarchiv: Ausstellung „Lifestyle im Archiv“, Sept. 2021

48 Tagebücher von Wolfram Humperdinck fürs Stadtarchiv Siegburg

Das Humperdinck-Gedenkjahr erreichte mit dem 100. Todestag des Komponisten Engelbert Humperdinck am 27.9.2021 seinen Höhepunkt. Lange im Voraus planten die Kulturschaffenden in seiner Geburtsstadt Siegburg die Veranstaltungen. Womit sie anfangs nicht rechnen konnten, war die unverhoffte Unterstützung von prominenter Seite.

Kai Diekmann, einst am Steuer der „Bild“-Zeitung und auch nach seinem Rückzug von der Chefredaktion einer der einflussreichsten Medienmacher der Republik, ist Humperdinckfreund, seit er das Strandhaus auf Usedom erwarb, in welches sich der Künstler zum Komponieren zurückzog. Der Wagner- und Bayreuthfan Diekmann las und hörte sich ein in das Oeuvre des Siegburgers, zeigte schnell Begeisterung für die Musik und begab sich auf die Pirsch nach Archivalien und Antiquitäten, die mit dem Tondichter und dessen Familie in Verbindung stehen.


Abb.: Bürgermeister Stefan Rosemann, Leihgeber Kai Diekmann, Dr. Lothar Witte, der Enkelsohn von Wolfram und Urenkel von Engelbert Humperdinck, sowie Siegburgs Stadtarchivar Jan Gerull (v.r.n.l.) mit den gesammelten Lebensaufzeichnungen. Die Übergabe fand im Rahmen einer Fachtagung im Rhein Sieg Forum statt (Foto: Stadt Siegburg).

Im März 2021 überbrachte er dem Stadtmuseum Siegburg ein Poesiealbum von Humperdincks früh verstorbener Schwester Ernestine. Darin befinden sich die Noten des Stücks „Erinnerung“, das der Meister im zarten Alter von 17 Jahren zu Papier brachte. Als Exponat bereicherte Diekmanns Fund die Ausstellung „Hokuspokus Hexenschuss – Engelbert Humperdinck nach 100 Jahren“. Es unterstreicht die frühe Schaffenskraft eindrucksvoll.


Abb.: Gläserne Hülle für guten Ton. Leihgabe in der Vitrine und für Musikfreunde in Nahaufnahme: Engelbert Humperdinck schuf die Komposition „Erinnerung“ im September 1871, kurz nach seinem 17. Geburtstag. Er widmete sie der jüngeren Schwester Ernestine, schrieb sie in ihr Poesiealbum. Zum Glück für die Nachwelt wanderte das Album nicht auf den elterlichen Speicher, der drei Jahre später, 1874, ausbrennen und das Frühwerk des Tondichters vernichten sollte (Foto: Stadt Siegburg).

Nun bereichert Diekmann die Forschung um einen weiteren Quellenbestand, den er am 25.9.2021 dem Stadtarchiv Siegburg als Dauerleihgabe übergab. Aus privater Hand, vom Nachfahren Dr. Lothar Witte, hat er das Konvolut von 48 Tagebuchjahrgängen aufgekauft. Humperdincks Sohn Wolfram hat sie geschrieben. Sie decken die Zeit 1933 bis 1983 ab.

Wolfram Humperdinck (1893-1985) war Opernregisseur und in leitender Funktion an den Theatern in Leipzig und Kiel tätig. Nach dem Krieg, während seiner Entnazifizierung, wohnte er in Siegburg, arbeitete hier den Nachlass seines Vaters auf und begann an der Biografie zu schreiben. Bis heute ist sie ein Standardwerk der Humperdinck-Forschung. Er war Oberspielleiter des Westdeutschen Landestheaters und Dozent für Opernregie an der Nordwestdeutschen Musikakademie, beides in Detmold, sowie gefragter Regisseur mit Gastspielen im In- und Ausland.

Seine Tagebücher sind, so hat ein erster kursorischer Blick gezeigt, eine wichtige Fundgrube – nicht nur für die Humperdinck-Rezeption während des Dritten Reiches und der Nachkriegsjahre, sondern ganz allgemein für das Musikleben dieser langen Epoche. Darüber hinaus geben die Bücher – und das ist von enormer lokalhistorischer Bedeutung – Einblick in die Bemühungen zum Aufbau einer Humperdinck-Sammlung und eines Museums in der Kreisstadt.

Kontakt:
Stadtarchiv Siegburg
Haufeld 22
53721 Siegburg
Telefon: +49 2241 102-339
stadtarchiv@siegburg.de

Quelle: Stadt Siegburg, Nachrichten, 27.9.2021; Stadt Siegburg: Siegburg aktuell (Newsletter), 17.3.2021

Archiv und Wirtschaft 3/2021

In Kürze erscheint die neue Ausgabe 3/2021 der Zeitschrift der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare e.V. (VdW) „Archiv und Wirtschaft“. Sie beinhaltet u.a. ein Call for Papers für die 57. Jahrestagung der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare. Diese nächste Arbeitstagung der VdW wird vom 1. bis 3. Mai 2022 auf Einladung von Roche in Basel und Grenzach stattfinden. Zur inhaltlichen Gestaltung der Tagung soll das Call for Papers beitragen, das zugleich drei Themenbereiche fokussiert:

  • Unternehmensarchive und Architektur
  • Purpose, Unternehmenskultur und Archive
  • Archive und Change Management (Resilienz)

Inhaltsverzeichnis „Archiv und Wirtschaft“ 3/2021

Call for Papers für die Jahrestagung der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare e. V. (108-109)

AUFSÄTZE

Dietmar Cramer: Archiv der Baustoffindustrie. 25 Jahre Unternehmensarchiv der HeidelbergCement AG (110-118)
Ulrich S. Soénius: Von der Bankabteilung zum Bankgeschäft – Ein Textilunternehmen und seine Quellen zur Bankengeschichte (119-124)
Dirk Storm: Das Historische Betriebsarchiv Kraftwerk Hirschfelde (125-135)

BERICHTE

Christine Borchert: Zum ersten Mal digital. 56. Arbeitstagung der VdW „Bankarchive – Spiegel der Wirtschaft. Universal und vernetzt“ am 3. Mai 2021 (136-139)
Katharina Depner: Kulturerbe digital – die Präsentation der Geldscheinsammlung im Portal „bavarikon“ (140-144)
Jens Brokfeld, Philipp Schaefer, Doris Eizenhöfer und Penelope Weissman: 2. und 4. VdW-Webinar „Audiovisuelles Sammlungsgut im Unternehmensarchiv. Nachhaltige Sammlung, praxisgerechtes ‚Handling‘ und rechtskonforme Inwertsetzung“ am 17., 22. und 24. Juni 2021 (144-149)

REZENSIONEN

Johannes Bracht und Ulrich Pfister: Landpacht, Marktgesellschaft und agrarische Entwicklung. Fünf Adelsgüter zwischen Rhein und Weser, 16. bis 19. Jahrhundert (Dieter Kempkens) (150-151)
Simon Gogl: Laying the Foundations of Occupation. Organisation Todt and the German Construction Industry in Occupied Norway (Martin Krauß) (152-154)
Fabian Lemmes: Arbeiten in Hitlers Europa. Die Organisation Todt in Frankreich und Italien 1940–1945 (Martin Krauß) (152-154)
Felix Selgert: Macht und Kontrolle im Unternehmen. Die politische Ökonomie des Aktionärsschutzes im Deutschen Reich, 1871–1945 (Lino Schneider-Bertenburg) (154-156)
Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V. (Hrsg.): Wendezeiten. Sparkassen in historischen Umbrüchen am Beispiel Berlins (Marius Luszek) (156-158)

Nachrichten (158)
Rezensionsliste (159-161)
Impressum (164)

Kontakt:
Dr. Martin Münzel
c/o F. Hoffmann-La Roche AG
Redaktion „Archiv und Wirtschaft“
Bau 52/111
CH-4070 Basel
Tel.: (0049) (0)159-06825241
martin.muenzel@wirtschaftsarchive.de
www.wirtschaftsarchive.de/publikationen/archiv-und-wirtschaft

Reutlingen bittet um Mithilfe bei Fotoidentifizierung

Foto-Fahndung von Stadtarchiv Reutlingen und Reutlinger General-Anzeiger geht weiter.

Das Stadtarchiv Reutlingen besitzt eine der großen kommunalen Fotosammlungen in Baden-Württemberg. Allein mit den Archiven der alteingesessenen Reutlinger Fotohäuser Dohm und Näher verfügt das Stadtarchiv über eine mehrere hunderttausend Einzelbilder umfassende Sammlung. Sie reicht von 1853 bis in die Gegenwart und dokumentiert Veränderungen im Stadtbild, das kulturelle Leben, die wirtschaftliche Entwicklung aber auch Ereignisse oder Personen.


Abb.: Welche Ortschaft ist dem Fotografen im Jahr 1969 hier vor die Linse gekommen? Bislang unidentifiziertes Motiv aus dem Bildbestand des Stadtarchivs Reutlingen (Foto: Stadtarchiv Reutlingen)

Im historischen Bildbestand des Stadtarchivs Reutlingen befindet sich aber eine ganze Reihe von Aufnahmen, zu denen noch genauere Angaben und Informationen fehlen. Hier hofft man auf die Mithilfe der Bevölkerung. Das Reutlinger Stadtarchiv ist für jeden Hinweis zur Identifizierung von Orten, Ereignissen und Personen dankbar.

Die Foto-Fahndung des Stadtarchivs Reutlingen, die in Zusammenarbeit mit dem Reutlinger General-Anzeiger geschieht, kommt in der Öffentlichkeit prächtig an. Hunderte beteiligen sich ein ums andere Mal an der Mitmach-Aktion, deren Ziel es ist, nicht identifizierte historische Motive aus Reutlingen und der Region zu lokalisieren.

Auf seiner Internetseite www.reutlingen.de/unbekannte-fotos werden zahlreiche zu identifizierende Fotos präsentiert. In den letzten Jahren haben bereits äußerst sachkundige Personen ihr Wissen eingebracht und so viele Fotos aus der Anonymität herausgeholt. Und von den seit Jahresbeginn 2021 publizierten Lichtbildern konnten dank ortskundiger Foto-Detektive fast alle identifiziert werden.

Auf der kommunalen Website hat das Stadtarchiv eine spezielle Rubrik eingerichtet, in die nach und nach alle identifizierten Aufnahmen eingepflegt werden. Dies kann zuweilen etwas dauern, weil Archivar Roland Brühl und Team mitunter noch Bildrechte klären oder Leser-Hinweise hieb- und stichfest verifizieren müssen.


Abb.: Unbekannte Fotos aus dem Stadtarchiv Reutlingen. Was wurde hier fotografiert? (Fotos: Stadtarchiv Reutlingen)

Sind solche letzten Fragen indes geklärt, werden die Fotografien aber inklusive Beschriftung ins Netz gestellt. Und wer nachschauen möchte, ob sein Tipp zum Fahndungserfolg geführt hat, kann dies jederzeit unter der Adresse www.reutlingen.de/identifizierte-fotos tun.

Kontakt:
Stadtarchiv Reutlingen
Marktplatz 22
72764 Reutlingen
Tel.: 07121-303-2386
Fax: 07121 / 303-2758
stadtarchiv@reutlingen.de

Quelle: Reutlinger General-Anzeiger, 26.9.2021; Stadt Reutlingen, Aktuelles, 21.1.2021

Ein zweiter Jahrmarkt für die Reichsstadt Dortmund 1232

Nach der großen Brandkatastrophe 1231/32 wurde der Wiederaufbau Dortmunds direkt durch das Königtum befördert. Heinrich (VII.), Sohn und Mitkönig Kaiser Friedrichs II., räumte der Stadt per Urkunde vom 30. September 1232 das Recht ein, einen zweiten großen Jahrmarkt abzuhalten.

Abb.: Jahrmarktsprivileg für Dortmund. König Heinrich (VII.) gewährt der Reichsstadt Dortmund einen zweiten Jahrmarkt, Speyer 1232 (Pergamenturkunde mit Seidenschnur. Ursprünglich anhängendes Siegel ab Maße: 21 x 16 x 2,5 cm (ähnlich DIN A5), Stadtarchiv Dortmund, Best. 1, Nr. 4 (Foto: Stadt/Stadtarchiv Dortmund).

Neben der bisherigen Messe von Christ Himmelfahrt bis Pfingsten sollte von nun an ein zweiter vierzehntägiger Markt, beginnend zu Michaelis (29. September), stattfinden. Die Bedeutung des zweiten Jahrmarkts für die Stadtentwicklung kann kaum überschätzt werden, erhöhte er doch Dortmunds große Bedeutung als Fernhandelsstadt von europäischem Rang. Zugleich stellt die ungewöhnlich schlicht gestaltete Herrscherurkunde, deren Besiegelung in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren ging, den ersten Beleg für Dortmunds reichsstädtischen Rang dar, denn Heinrich gewährte das Jahrmarktprivileg civitati nostri Tremoniensi imperiali („unserer Reichsstadt Dortmund“). Die Erwähnung zählt zu den frühesten Nennungen einer Reichsstadt überhaupt.

Kontakt:
Stadtarchiv Dortmund
Märkische Str. 14
44122 Dortmund
0231 50-22156
0231 50-26011
stadtarchiv-dortmund@stadtdo.de
stadtarchiv.dortmund.de

Quelle: Zeitzeichen Dortmund: Ein Jahrmarkt für die Reichsstadt Dortmund, 2021

Neue Leiterin des Stadtarchivs Stuttgart

Das Stadtarchiv Stuttgart wird ab 1.10.2021 von Dr. Katharina Ernst geleitet. Das hat der Stuttgarter Gemeinderat in seiner Sitzung am 23.9.2021 beschlossen. Sie tritt damit die Nachfolge von Prof. Dr. Roland Müller an, der nach 25 Jahren erfolgreicher Leitung des Stadtarchivs jetzt in den Ruhestand verabschiedet wurde.


Abb.: Die neue Leiterin des Stadtarchivs Stuttgart: Dr. Katharina Ernst (Foto: Andreas Langen/die arge lola, Rechte: LHS)

Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer freute sich über die Entscheidung des Gemeinderats: „Das Stadtarchiv Stuttgart ist als innovatives Archiv weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt − seine Innovationskraft ist angesichts der gesellschaftlichen und digitalen Entwicklungen mehr denn je gefordert. Ich kenne Frau Dr. Ernst aus ihrer bisherigen Arbeit für das Stadtarchiv und bin davon überzeugt, dass sie das Stadtarchiv hervorragend in die Zukunft führen wird.“

Auch Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner begrüßte die Entscheidung: „Frau Dr. Ernst wird das gut aufgestellte Stadtarchiv weiterhin fest in der Stadtgesellschaft verankern und noch stärker für alle Bereiche der Gesellschaft öffnen.“

Katharina Ernst studierte Geschichte, Philosophie und Anglistik in Heidelberg und Edinburgh/Großbritannien. Nach einigen Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg absolvierte sie das Archivreferendariat beim Landesarchiv Baden‐Württemberg und bei der Archivschule Marburg. Seit 2002 arbeitet sie im Stadtarchiv Stuttgart und treibt dort die digitale Transformation voran, zunächst als Leiterin des Sachgebiets „Amtliches Schriftgut“, seit 2014 zudem als stellvertretende Archivleiterin. Sie entwickelte federführend das digitale Stadtlexikon, das 2019 für den renommierten Grimme Online Award nominiert wurde. „Das Wissen um die eigene Geschichte schafft Identität“, so Katharina Ernst, die sich für das ihr entgegengebrachte Vertrauen bedankte und sich auf die anstehenden Aufgaben freut. „Das Stadtarchiv ist ein Ort und ein Partner für alle, die sich für die Geschichte Stuttgarts interessieren. Jeder und jede kann sich hier informieren, jeder und jede kann hier selbst forschen und wird dabei von uns unterstützt.“

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Bellingweg 21
70372 Stuttgart
Tel.: 0711 21691512
poststelle.stadtarchiv@stuttgart.de

Quelle: Stadt Stuttgart, Pressemitteilung, 24.9.2021

Digitales Stadtlexikon Stuttgart ausgebaut

Für alle, die an Stuttgarts Stadtgeschichte interessiert sind, ist das digitale Stadtlexikon Stuttgart unentbehrlich geworden. Stadtarchiv Stuttgart und Stadtmessungsamt wollen jedoch nicht allein mehr Inhalt bieten, sondern zusätzlich die Funktionen optimieren und damit die Benutzung erleichtern.

Hat sich auf den ersten Blick zunächst wenig verändert, so werden mit dem Lexikon vertraute Nutzerinnen und Nutzer bereits eine auffällige Neuerung bemerken, wenn sie einen Suchbegriff auf www.stadtlexikon‐stuttgart.de eingeben. Die Ausgabe wurde deutlich übersichtlicher gestaltet. Wenn man ein bestimmtes Schlagwort sucht, erhält man nun eine detaillierte Vorauswahl der Trefferliste und sieht sofort, ob der gesuchte Begriff in Artikeln oder Straßennamen oder Bildunterschriften zu finden ist. Ein gezielteres Suchen, auch in unterschiedlichen Bereichen des Lexikons, ist damit möglich.


Abb.: Das Stadtlexikon Stuttgart lädt mit mehr Einträgen und Quellenmaterial, neuen Funktionen und leichterer Benutzung zum Entdecken ein (Foto: Stadt Stuttgart).

Ebenfalls verbessert wurden die Nutzungsmöglichkeiten der Karten, die seit dem Start des Lexikons vor drei Jahren eines der wichtigsten Merkmale des Online‐Nachschlagewerks sind. Neben den 43 historischen Karten, die das Stuttgarter Stadtbild der letzten 300 Jahre widerspiegeln, finden sich nun auch sogenannte thematische Karten.


Abb.: Die historische Karte zeigt die Stadtwaldungen im Jahr 1885 (Foto: Stadtarchiv Stuttgart/Stadt Suttgart).

Sie sind gleichermaßen historisches Planmaterial, illustrieren jedoch jeweils ein bestimmtes Thema. So verzeichnen sie beispielsweise die Baumgattungen in den Stuttgarter Stadtwäldern am Ende des 19. Jahrhunderts, dokumentieren die Aktivitäten des Verschönerungsvereins im Jahr 1886 oder veranschaulichen, wo es am Ende der „Roaring Twenties“ die meisten Verkehrsunfälle im Stadtgebiet gab – die heute Fußgängern vorbehaltene Königstraße war damals ein Hotspot.

Einem vielfach geäußerten Wunsch der Nutzerinnen und Nutzer ist das Stadtarchiv Stuttgart bei der erweiterten Suchmöglichkeit nach Straßennamen nachgekommen. Neben den aktuellen Straßennamen können nun auch historische, aber längst nicht mehr verwendete Wegebezeichnungen gefunden werden. Dass sich ihre Namen im Laufe der letzten Jahrhunderte teils mehrfach wandelten hat verschiedene Gründe, nicht zuletzt die Eingemeindungen. Gab es in den einst eigenständigen Orten von Feuerbach bis Möhringen vielfach eine Wilhelm‐ oder Olgastraße, mussten diese nach der Eingemeindung umbenannt werden, um Verwechslungen zu vermeiden – sicherlich nicht zum Nachteil der Postboten. Noch sind im Stadtlexikon nicht alle Bezirke erfasst, doch schon jetzt lassen sich sechs historische Olgastraßen nachweisen. Politisch bedingte Umbenennungen, insbesondere während und nach der Zeit des Nationalsozialismus, können nun ebenfalls gesucht und gefunden werden.

Erweitert wurde im Lexikon schließlich eine Funktion, die bislang nur bei biographischen Artikeln Anwendung fand. Sie nennt sich „mit Artikeln verknüpfte Orte“. Dahinter verbergen sich Punkte auf der Stadtkarte, die einen festen Bezug zum aufgerufenen Lexikoneintrag haben. Das können Wohn‐ und Wirkungsstätten bei Persönlichkeiten sein, aber auch Stationen eines wichtigen Ereignisses oder ehemalige Standorte von Institutionen, deren Räumlichkeiten im Laufe der Jahre umgezogen sind.

Alles in allem bietet das Digitale Stadtlexikon in weiterhin gewohnter Qualität einen unkomplizierten Zugang zur Stuttgarter Stadtgeschichte. Bei den bisherigen Verbesserungen soll es nicht bleiben, weitere Ergänzungen sind in Planung. Vor allem aber arbeitet das Redaktionsteam daran, das Stadtlexikon stetig mit neuen Inhalten zu versorgen, damit es weiterhin eine verlässliche Quelle für die Stadtgeschichte bleibt. Nach wie vor richtet sich das Lexikon an alle, die sich für die Vergangenheit der Stadt, ihrer Menschen, Gebäude, Institutionen und Orte interessieren. Ob neugierige Laien oder wissenschaftliche Expertinnen und Experten, wichtig ist den Initiatoren vor allen Dingen eines: Für die Geschichte Stuttgarts zu begeistern und zugleich verlässlich faktenbasiertes historisches Wissen anzubieten.

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Bellingweg 21
70372 Stuttgart
Tel.: 0711 21691512
poststelle.stadtarchiv@stuttgart.de

Quelle: Stadt Stuttgart, Aktuelle Meldungen, 22.9.2021

Im Leverkusener Stadtarchiv lagern mindestens 100.000 Bilder

Das Stadtarchiv Leverkusen veranstaltete am Sonntag, den 19.9.2021, einen „Tag der Offenen Tür“ im Rahmen des Programms von StadtKULTUR in Leverkusen (sKiL) des Opladener Geschichtsvereins. Angeboten wurden neben zwei allgemeinen Führungen auch zwei „Spezialführungen“. Diese gewährten Einblicke in die Bildsammlungen und beleuchteten Leben und Werk der Pressefotografen Holger Schmitt und Peter Seibel (1941-2015). Mittags wurden zudem Filme über Leverkusen aus den 1960er Jahren präsentiert. Nachmittags fand ein Workshop für Familienforschung und Genealogie statt. – Thomas Käding, Redakteur des Kölner Stadt-Anzeigers resp. Leverkusener Anzeigers, berichtete über den „Tag der Offenen Tür“ im Stadtarchiv, nicht zuletzt, weil es um die Fotosammlung von Holger Schmitt ging. Schmitt war jahrzehntelang Fotoredakteur des Leverkusener Anzeigers, bevor er nach dem Ende seiner Karriere ganze Archivschränke nach Opladen zur Archivierung verbracht hat.

Durch das angemessen kühl temperierte Leverkusener Fotoarchiv im alten Landratsamt auf dem Frankenberg führte Archivar Markus Edelmann am „Tag der Offenen Tür“ die Besucherinnen und Besucher. Neben zahllosen Fotos, die er bereits archivisch aufbereitet und erschlossen hat, stellen die Sammlungen der genannten Pressefotografen noch gleichsam ungehobene Schätze dar. So hinterließ Holger Schmitt vor allem Negativstreifen in Filmdosen. Über den Rohzustand mit drei, vier in der Regel komplett unterschiedlichen Themen auf einem Negativstreifen geht das nicht hinaus. An eine Erschließung nach archivischen Maßstäben war angesichts der dünnen Datenlage und dem Umfangs bislang nicht zu denken. Die Hinterlassenschaften des Fotografen der Rheinischen Post, Peter Seibel, stellen keine geringere Herausforderung für das Stadtarchiv Leverkusen dar. Immerhin hatte er seine Negativstreifen chronologisch geordnet und teilweise Abstandshalter aus Pappe eingefügt. – Die Fotosammlung birgt zukünftig noch reichlich Erschließungsarbeit, womöglich dereinst Stoff für ein Crowdsourcing-Projekt, mit dem die Bürgerinnen und Bürger auch außerhalb eines „Tages der Offenen Tür“ hinter die Kulissen der Archivarbeit schauen könnten.

Kontakt:
Stadtarchiv Leverkusen
Landrat-Trimborn-Platz 1
51379 Leverkusen
Tel.: 0214/406-4251
stadtarchiv@kulturstadtlev.de

Quelle: Thomas Käding: 100.000 Bilder in Leverkusens Stadtarchiv, in: Leverkusener Anzeiger/KSTA, 20.9.2021 (Fotos: Ralf Krieger); Stadt Leverkusen, Pressemeldung, 6.9.2021