Die Evangelische Kirche in Wuppertal ist Eigentümerin des Kemna-Geländes mit der ehemaligen Putzwollfabrik. Was hat sie mit dem ehemaligen KZ-Gebiet vor? Ein Interview mit Vortrag.
Wie kam es zu dem Kauf des Areals? Und wie soll das historische Grundstück an der Beyenburger Straße in Zukunft würdig gestaltet werden? Darüber sprachen die Wuppertaler Superintendentin Ilka Federschmidt und Michael Sengstmann, Vorsitzender des Gesamtverbandes der Gemeinden im Kirchenkreis Wuppertal, mit Antonia Dicken-Begrich, Mitglied der Kirchenkreis-Leitung.
Abb.: Das Gebäude des ehemaligen KZ-Kemna, 2007 (Foto: Frank Vincentz/wikimedia.org/CC BY-S)
An das Interview schließt sich ein Vortrag von Dr. David Mintert an, der sich im Rahmen seiner Dissertation ausführlich mit dem KZ Kemna beschäftigt hat: „Die Konstellation der doppelten Hochburg linker und rechter Anschauungen im Bergischen Land war der Hauptgrund, warum die politischen Auseinandersetzungen besonders erbittert und von brutaler Gewalt begleitet waren.“
Abb.: Im Gespräch: Michael Sengstmann, Antonia Dicken-Begrich, Ilka Federschmidt (v.l.; Foto: KK Wuppertal). Das gesamte Video-Statement findet man unter https://youtu.be/bobKg7IHLg0
Bewusste Kaufentscheidung
„Der Kauf des Geländes war ursprünglich reiner Zufall“, berichtet Michael Sengstmann. „Wir waren auf der Suche nach einer Industrieanlage, weil unser Kirchenarchiv in Ronsdorf aus allen Nähten platzte“, so der Vorsitzende des Gesamtverbandes der Gemeinden. Als feststand, dass die Adresse der angebotenen Immobilie genau die Adresse war, auf der sich das ehemalige KZ befand, auf dem die Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1934 ihre politischen Gegner gefoltert hatten, war die Entscheidung, dort einen Gedenkort zu errichten, schnell gefallen. „Wir haben das Gelände nicht trotz seiner Vergangenheit, sondern gerade wegen seiner Vergangenheit gekauft“, sagt Sengstmann als Eigentümer für den Gesamtverband der Gemeinden.
Kirche hat versagt
Für die Kirche ist das auch eine Chance, das Grundstück, das bisher durchgängig gewerblich genutzt wurde, umzugestalten. Mit Blick auf das Versagen der Evangelischen Kirche von damals sieht sich die Evangelische Kirche in Wuppertal heute nämlich in der Pflicht, dort einen Erinnerungsort zu errichten. „Diese Schuld kann man konkret an den beiden KZ-Seelsorgern festmachen, die zu den Deutschen Christen gehörten und die für eine Gleichschaltung von Kirche und Staat waren. Sie haben die Situation der Gefangenen als Gelegenheit gesehen, die aus ihrer Sicht auf den falschen Weg gebrachten Sozialisten zu missionieren, statt ihnen gegen die Misshandlungen beizustehen“, so Superintendentin Ilka Federschmidt. „Darum sind wir in der Pflicht etwas zu tun.“ Das begrüßt auch Dr. David Mintert zum Ende seines digital aufgezeichneten Vortrages: „Es ist gut, dass sich die Kirche heute dieser Verantwortung stellt.“
Zukünftig: Erinnerungsort und Archiv
Wie genau der Erinnerungsort aussehen soll, steht noch nicht fest. Derzeit führen Experten auf dem Gelände bauhistorische Untersuchungen durch (sog. Machbarkeitsstudie), um authentische Anknüpfungspunkte zu dem KZ von damals zu finden. „Unserer Vorstellung nach soll auf dem Gelände auch ein Lernort entstehen, bei dem das Thema Demokratie heute vermittelt werden soll“, so Federschmidt. Das wichtige Mahnmal für das KZ auf der gegenüberliegenden Straßenseite soll bei allen Überlegungen einbezogen werden, so die grobe Planung. Dafür wird die Evangelische Kirche Kontakt zu den jeweiligen Partnern aufnehmen.
Da das Gelände groß genug ist, soll auch das Kirchen-Archiv dort angesiedelt werden. Einen konkreten Zeitplan für die Umgestaltung gibt es allerdings noch nicht. „Es ist noch viel zu tun. Die Machbarkeitsstudie ist wichtig und richtig. Das geht nicht innerhalb eines halben Jahres über die Bühne“, sagt Michael Sengstmann.
KZ Kemna
KZ: Das Konzentrationslager Kemna bestand von Juli 1933 bis zum 19. Januar 1934. In eine ehemalige Putzwollfabrik an der Beyenburger Straße direkt am Wupperufer pferchte die SA die Gefangenen unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen zusammen. Folter und willkürliche Gewalt waren an der Tagesordnung. Die Zahl der Inhaftierten im Laufe der sieben Monate dieses KZs wird auf 2500 bis 3000 geschätzt. Inhaftiert wurden in erster Linie sogenannte politische Häftlinge aus den Reihen der KPD und der SPD aus dem Bergischen Land.
Mahnmal: Zum 50. Jahrestag der Einrichtung wurde gegenüber dem Fabrikgelände 1983 ein Mahnmal errichtet, an dem jedes Jahr eine durch die Mitglieder des Jugendrings Wuppertal organisierte Kranzniederlegung stattfindet. Entworfen wurde das Bronze-Relief durch eine Kunst-Arbeitsgemeinschaft des Wuppertaler Gymnasiums Am Kothen. Im Jahr 2019 erwarb der Gesamtverband evangelischer Gemeinden im Kirchenkreis Wuppertal die baulichen Reste des ehemaligen KZ. (Quelle: wikipedia.de)
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Quelle: Nikola Dünow, Kemna – Auf dem Weg zum Erinnerungsort, in: Evangelisch in Wuppertal, 5.7.2021