Wer heute den oberen Abschnitt der Guntschnapromenade in Bozen entlangspaziert, muss schon genauer hinsehen, um am steilen Berghang die mittlerweile von der Vegetation weitgehend überwucherte Trasse der einst beliebten Guntschnabahn zu erkennen.
Abb.: Südtiroler Landesarchiv, Sammlung Helene Oberleiter, Nr. 51.
Die Idee zu einer elektrischen Kleinbahn von Gries hinauf zum Reichrieglerhof hatte Elise Minatti-Überbacher (1848-1926), eine aus Baden bei Wien gebürtige und in Südtirol verehelichte Tourismusunternehmerin, die nicht nur den Reichrieglerhof und ein Hotel in Gries, sondern auch das Südbahn-Hotel in Toblach besaß und dieses nach der Jahrhundertwende zum größten Alpenhotel der Monarchie ausgebaut hatte. Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts waren die große Zeit der Touristenbahnen. In und um Bozen baute man die Mendelbahn, die Kohlererbahn, die Rittnerbahn und jene auf den Virgl, die sich bei den Gästen großer Beliebtheit erfreuten. Die Unternehmerin beschloss daher, auf eigene Kosten – 288.700 Kronen – eine elektrische Schmalspurbahn errichten zu lassen, die am 12. August 1912 den Betrieb aufnehmen sollte. In nur vier Minuten transportierte die Guntschnabahn die aussichtshungrigen Passagiere die 186 Meter hinauf zum Gastlokal und Hotel „Reichrieglerhof“, wo es zum herrlichen Rundblick über das Bozner Becken bis hin zum Rosengarten eine Erfrischung gab.
Abb.: Südtiroler Landesarchiv, Sammlung Helene Oberleiter, Nr. 180
Der Reichrieglerhof, ein ehemaliger Bauernhof, den Überbacher-Minatti 1895 bei einer Versteigerung erworben und anschließend zum Hotel ausgebaut hatte, war anlässlich des Bahnbaus erweitert worden, sodass er nun bis zu 600 Gäste beherbergen konnte. Schnell entwickelte sich das Gastlokal mit Anschluss an die Erzherzog-Heinrich-Promenade (heute: Gutnschnapromenade) zum beliebten Ausflugsziel. Am 10. April 1913 berichten die „Innsbrucker Nachrichten“, dass die Guntschnabahn seit ihrer Eröffnung ein dreiviertel Jahr zuvor von 51.782 Personen benutzt worden sei. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließ den Fremdenverkehr jäh erlöschen, der Bahnbetrieb wurde mit 1. August 1914 eingestellt. Erst 1921 konnte Überbacher-Minatti den Bahnbetrieb wieder aufnehmen. Die Bahn blieb auch nach dem Tod der Unternehmerin 1926 in Privatbesitz, doch da der Betrieb auf Grund der wachsenden Konkurrenz durch das Auto zunehmend unrentabel wurde, wurde die Bahn 1963 aufgegeben. Der Reichrieglerhof dagegen blieb bis in die 1990er Jahre ein beliebtes Gastlokal. Das Gebäude wurde vor einigen Jahren in ein Mehrparteienhaus umgewandelt.
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Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Archivale des Monats Juli 2021, 6.7.2021