Während der Corona-Pandemie ist die Forschungsgemeinschaft zur Geschichte des Nordmünsterlandes e.V. nicht untätig gewesen. In relativ kurzem zeitlichen Abstand erschienen die Bände 7 und 8 der seit 2014 jährlich erscheinenden Zeitschrift.
Und wieder finden sich in den beiden Ausgaben aufschlussreiche Beiträge zu Aspekten der Geschichte des Kreises Steinfurt und angrenzender Gebiete, deren zeitlicher Bogen vom Mittelalter bis in die jüngere Vergangenheit reicht.
Besonderes Augenmerk verdienen dabei die Aufsätze von Prof. Dr. Paul Derks (Essen) zur Namengeschichte des Teutoburger Waldes und von Prof. Dr. Manfred Balzer (Münster) zu Abt Castus von Visbek, der in der neueren Geschichtsforschung als Erfindung angesehen wird.
Abb.: Der Teutoburger Wald wird als „Saltus Teutoburgiensis“ auch auf einer Karte in den „Monumenta Paderbornensia“ von 1672 verzeichnet (Bild: Chr. Spannhoff)
Paul Derks geht der Entstehung des Namens „Teutoburger Wald“ für das Osning-Gebirge nach und kann zeigen, dass diese Benennung keineswegs erstmals in den „Monumenta Paderbornensia“ von 1669 des Paderborner Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenberg (1626-1683) und seines Gehilfen Nikolaus Schaten (1608-1676) auftritt, wie oft in der Literatur zu lesen ist, sondern schon wesentlich früher erscheint. Der Autor zeichnet detailliert und kenntnisreich die frühe Suche nach dem Ort der Varus-Schlacht im Jahr 9 n. Chr. nach, die bei einem „Teutoburgiensis saltus“ stattgefunden haben soll und stellt die gesamte Entwicklung der frühneuzeitlichen Übertragung des antiken Namens auf den Osning bis zur endgültigen Verfestigung Ende des 19. Jahrhunderts dar. Darüber hinaus bietet er u.a. spannende Schlaglichter auf den Namen des Osnings, Detmolds und Porta Westfalicas sowie auf Orts- und Flurnamen, die angeblich auf den römischen Feldherrn Varus hindeuten sollen.
Manfred Balzer setzt sich am Beispiel der Abtei Visbek und ihres vermeintlichen ersten Abtes Castus mit der Fälschung der Urkunde Ludwigs des Frommen von angeblich 819 auseinander und gelangt hier u.a. über die Methode der Besitzrückschreibung zu neuen Erkenntnissen, die die weitere Forschung zu diesem speziellen Themenkomplex („frühe Missionsstationen“) und dem damit zusammenhängenden Verlauf der Christianisierung Westfalens und Nordwestdeutschlands beschäftigen werden. Gab es also Abt Castus doch?
Mittlerweile sind acht Ausgaben der Zeitschrift und drei Sonderbände zu unterschiedlichen Themen erschienen, z.B. „Tecklenburg um 1750. ‚Geographia Tecklenburgensis‘ und ‚Bereisungs-Protocollum‘ des preußischen Kriegs- und Domänenrats Ernst Albrecht Friedrich Culemann“ aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Inhaltsverzeichnisse aller bislang erschienenen Bände und Publikationen sowie weitere Informationen zur Forschungsgemeinschaft finden sich auf die Homepage des Vereins.
Inhaltsverzeichnis Nordmünsterland Bd. 7:
- Paul Derks: Osning oder Teutoburger Wald: Zur Namen- Geschichte des westfälischen Gebirgszuges
- Josef Wermert: Die Nienborger Sage vom „Wilden Bernd“. Dichtung oder Wahrheit?
- Helmut Lensing: Josef Hagemann. Vom Hörsteler Heuerlingskotten in den Land- und Reichstag
- Alfred Wesselmann: Das Wikingerschiff – Eine Jugendzeitschrift aus Lengerich während des Nationalsozialismus
- Sebastian Schröder: Die Landesbeschreibung des Jacob Paul von Gundling für Tecklenburg und Lingen
- Josef Bröker: Zwietracht um den Zehnten – Wie die Bauern aus Unseligen Leden bei Ibbenbüren zu ihrem Recht kamen
- Anke Hackethal: Mortalität während der „Spanischen Grippe“ in Emsdetten 1918/19
- Gerd-Ulrich Piesch: Die Landwehr auf den Hohner Bergen an der Straße von Sudenfeld nach Lengerich-Hohne
Nordmünsterland: Forschungen und Funde, Band 7
Herausgegeben von der Forschungsgemeinschaft zur Geschichte des Nordmünsterlandes e. V.
220 S., Lage 2020, ISBN 978-3-89918-081-7, 17,90 Euro
Inhaltsverzeichnis Nordmünsterland Bd. 8:
- Manfred Balzer: Abt Castus von Visbek
- Sebastian Kreyenschulte: Das Bürgertum in einem nordmünsterländischen Kirchspiel 1750–1850. Beobachtungen. Zur Entstehung und Entwicklung der ländlichen Bürgerkultur im nicht- bzw. kleinstädtischen Umfeld
- Angelika Pries: Von der Gleichschaltung zur Entnazifizierung. Lehrer und Lehrerinnen an den Volksschulen in Rheine 1933 – 1949
- Peter Ilisch: Schmieden und Schänken. Zur Frage der Standortkontinuität in der Frühen Neuzeit. Eine Fallstudie aus Horstmar
- Sebastian Schröder: Eine Ordnung schaffen: Der Hörsteler Holzgerichts- und Markenrezess von 1580 („Noitholtinck geholden auer de Horsteler | Woldt vnnd Marcke“).
- Josef Wermert: Heeker Schlöffken – Aus der frühen Geschichte eines bemerkenswerten Brauches
- Bernd Hammerschmidt: Entnazifizierung – der Fall des ehemaligen Lengericher Bürgermeisters Steinriede
Nordmünsterland: Forschungen und Funde, Band 8
Herausgegeben von der Forschungsgemeinschaft zur Geschichte des Nordmünsterlandes e. V.
254 S., Lage 2021, ISBN 978-3-89918-082-4, 17,90 Euro
(Sebastian Schröder)