Im Jahre 1921 – vor genau 100 Jahren – dehnte die Stadt Dresden ihre Grenzen aus wie nie zuvor. Von der zweiten großen Eingemeindungswelle nach 1903 waren mehr als 20 vormals eigenständige Orte betroffen. Zwar gab es vorher auch „Einverleibungen“ – so mitunter der Sprachgebrauch – nach Dresden, aber nicht in diesem Ausmaß. Von 1836 bis 1999 wurden insgesamt 65 Landgemeinden, vier Gutsbezirke sowie die Stadt Klotzsche nach Dresden eingemeindet. Es gab vier große Eingemeindungswellen: 1903, 1921, 1950 und nach 1990. Anhand eines Weichbildplans gibt das Stadtarchiv Dresden einen Überblick über die Vergrößerung Dresdens durch die zahlreichen Eingemeindungen.
Abb.: Weichbildplan zur Stadtentwicklung mit den Eingemeindungen von 1549 bis 1945 (Stadtarchiv Dresden, Repro: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XIII3991, 1949)
Die erste Eingemeindung war der Anschluss von Altendresden (Innere Neustadt) im Jahr 1549. Für mehr als zwei Jahrhunderte veränderte sich das Stadtgebiet durch die Anlage von Festungsbauten kaum. Erst mit Schleifung der Bastionen, die die Stadt nach außen schützten, aber gleichzeitig jede Ausdehnung verhinderten, erweiterte sich Dresden in den 1830er Jahren über das so genannte Weichbild. Dies betraf vor allem die Friedrichstadt, die Radeberger Vorstadt, die Antonstadt und die Leipziger Vorstadt.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts nahmen die Eingemeindungsbestrebungen wieder Fahrt auf. Striesen und Strehlen wurden schon 1892 sowie Pieschen, Wilder Mann und Trachenberge 1897 angeschlossen. 1901 folgten Gruna ein Jahr später Räcknitz, Seidnitz und Zschertnitz. Mit der ersten großen Eingemeindungswelle im Jahr 1903 kamen Cotta, Kaditz, Löbtau, Mickten, Naußlitz, Plauen, Trachau, Übigau und Wölfnitz zu Dresden. Nach einer kurzen Unterbrechung waren auch Tolkewitz (1912) und Reick (1913) bereit, sich unter die Haube der sächsischen Hauptstadt zu begeben.
Gemeindegrenzen änderten sich insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umwälzungen. Häufig gingen Eingemeindungen mit einer dramatischen Entwicklung in Politik und Wirtschaft einher. Einer solchen Krise folgte auch die Eingemeindungswelle von 1921. Der Erste Weltkrieg bescherte der Bevölkerung viele Sorgen und Nöte, und für die Gemeinden waren wirtschaftliche Einbrüche nicht zu verhindern. Mancher Ort wollte sich freiwillig Dresden anschließen, andere wiederum versuchten, die Eingemeindung unter allen Umständen zu vermeiden. Am 1. April 1921 kam es dann zur Massenvermählung von Dresden und den Gemeinden Blasewitz, Briesnitz, Bühlau, Coschütz, Dobritz, Gostritz, Kaitz, Kemnitz, Kleinpestitz, Kleinzschachwitz, Laubegast, Leuben, Leutewitz, Loschwitz, Mockritz, Niedergorbitz, Obergorbitz, Rochwitz, Stetzsch und dem mondänen Weißen Hirsch.
An besagtem Tag wurde vormittags von jeder der betroffenen Gemeinden ein besoldetes Ratsmitglied entsandt, begleitet von mehreren unbesoldeten Ratsleuten mit einem Schriftführer. Nach der „Ordnung für die Übernahmefeiern in den Gemeinden“ übernahm dann Oberbürgermeister Bernhard Blüher in Bühlau, Weißer Hirsch und Rochwitz zwischen 9 und 12 Uhr persönlich die Verwaltungsgeschäfte. Taggleich wurden von anderen Bürgermeistern und Stadträten die Verwaltungsgeschäfte in den nun eingemeindeten Orten übernommen. Blasewitz, Loschwitz und der Weiße Hirsch wehrten sich bis zuletzt gegen die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit. Aus der langen Auseinandersetzung gingen die Befürworter siegreich hervor. Am 1. Oktober 1921 bestätigte das Sächsische Ministerium des Inneren die Eingemeindung der drei Orte.
Inzwischen erfasste die Eingemeindungswelle 1921 drei weitere Orte: Ebenfalls zu Dresden kamen am 1. Juni Leubnitz-Neuostra, Prohlis und Torna hinzu. Dreißig Jahre später sollte die nächste Eingemeindungswelle folgen. Aufgrund der vielen Eingemeindungen ist Dresden inzwischen die viertgrößte Großstadt Deutschlands.
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Quelle: Stadtarchiv Dresden, Archivale des Monats April 2021