Alfred Schardt (1914-1942). Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen

Publikation des Limburger Stadtarchivars Christoph Waldecker

Aufgrund seiner angeborenen geistigen Behinderung war Alfred Schardt ab seinem dreizehnten Lebensjahr in einer Pflegeanstalt untergebracht. Als Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen wurde er zunächst sterilisiert und 1942 vermutlich mit einer Medikamentenüberdosierung in Hadamar ermordet.

Limburgs Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker hat nun die Geschichte von Alfred Schardt erforscht und niedergeschrieben. Die Publikation trägt den Titel „‘Er kann nicht ohne Anstaltsbehandlung auskommen‘“. Alfred Schardt (1914-1942), Opfer der ‚Euthanasie‘-Verbrechen“ und ist erschienen in der Reihe „Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Limburg“. Unterstützung bei diesem Projekt erfuhr der Stadtarchivar durch Alfred Schardts Nichten Monika Schwamborn aus Köln und Ursula Fußwinkel aus Köln sowie seinen Neffen Rainer Krämer aus Elz.

„Mit der vorliegenden Schrift soll ihm, stellvertretend für alle Menschen aus Limburg und der Region, die sein Schicksal teilten, seine Würde zurückgegeben und an ihn erinnert werden“, betont Bürgermeister Dr. Marius Hahn.

Der 1914 geborene Alfred Schardt war einer der Opfer der „Euthanasie-Verbrechen“. Die Nationalsozialisten sprachen allen, die nicht in ihr Weltbild passten, das Recht auf Würde und Leben ab, so auch Behinderten und Kranken. Pseudo-rechtliche Grundlage war der Befehl Adolf Hitlers vom Herbst 1939, dass „unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“

Bürgermeister Hahn betont, dass Menschen mit Behinderung oder Erkrankung heute ganz selbstverständlich Teil der Gesellschaft sind. „Sie haben ein Anrecht auf Respekt, Unterstützung und vor allem auf Wahrung und Schutz ihrer Würde“, macht Dr. Marius Hahn deutlich. Deshalb sei die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit so wichtig und unabdingbar, um die Erinnerungen wachzuhalten. „Man kann nur in eine gute Zukunft gehen, wenn man die Vergangenheit nicht vergisst“, so der Bürgermeister.

Schon bei seiner Geburt war Alfred Schardt sehr schwach, sodass um sein Überleben gefürchtet werden musste. Seine Entwicklung verlief sehr langsam, erst mit drei Jahren konnte Alfred laufen und sprechen. Ab dem 13. Lebensjahr wurde er zunächst in einer Pflegeanstalt untergebracht, die auf die Betreuung und Förderung geistig Behinderter spezialisiert war. „Es handelt sich bei ihm um einen ausgesprochenen schweren Schwachsinn mit derartigen psychischen Störungen, dass er im Leben nicht gehalten werden kann“, heißt es 1936 in seiner Krankenakte.

Im Zuge einer Verlegung gelangte Alfred Schardt 1938 nach Hadamar in die Heilanstalt. Dort wurde seine Sterilisierung beantragt, die nach einer Untersuchung in der Universitätsnervenklinik Gießen vom Erbgesundheitsgericht Limburg genehmigt wurde. Der Antrag auf Unfruchtbarmachung, stützte sich auf „angeboren Schwachsinn.“


Abb.: Stellen eine Publikation über das Opfer der »Euthanasie«-Verbrechen Alfred Schardt vor (von links): Rainer Krämer, Peter Schardt (beide Neffen von Alfred Schardt), Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker, Bürgermeister Dr. Marius Hahn, Monika Schwamborn (Nichte). (Foto: Stadt Limburg)

Offiziell verstarb er 1942 nach einer „Lungenentzündung bei Geisteskrankheit“. Der Verdacht, dass Schardt umgebracht wurde, liegt allerdings nahe, nachdem er in der Öffentlichkeit über die Vorgänge in der Anstalt geredet hatte. Ermordet wurde er vermutlich mit einer Medikamentenüberdosierung.

Die Angehörigen Monika Schwamborn, Rainer Krämer und Peter Schardt danken Stadtarchivar Christoph Waldecker, dass er dem Schicksal von Alfred Schardt eine Stimme gegeben hat. „In meiner Kindheit habe ich oft mit meiner Großmutter das Grab meines Onkels besucht ohne, dass über ihn gesprochen wurde und ich Bescheid wusste“, erzählt Monika Schwamborn. Durch die Recherchen des Stadtarchivars weiß sie, dass ihr Onkel über die Vorgänge in der Anstalt geredet hat. „Dafür bewundere ich ihn und habe auch entdeckt, wie ähnlich er uns ist“, sagt Monika Schwamborn. Rainer Krämer ist im Nachhinein von seiner Familie enttäuscht. „Ich hätte mir gewünscht, dass man darüber spricht, um die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten.“

Insgesamt mehr als 200.000 Menschen sind dem „Euthanasie-Verbrechen“ zum Opfer gefallen. Bis 1945 wurden rund 400.000 Menschen zwangsweise sterilisiert, unter ihnen Alfred Schardt, auf Basis des „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von 1933.

Broschüre im Stadtarchiv und Bürgerbüro erhältlich
Die 27-seitige Broschüre ist im Limburger Stadtarchiv (Schloss) erhältlich und liegt im Bürgerbüro der Stadt Limburg in der Werner-Senger-Straße aus. Die Broschüre ist kostenfrei.

Kontakt:
Dr. Christoph Waldecker M.A., Dipl.-Archivar (FH)
– Leiter des Stadtarchivs –
Magistrat der Kreisstadt Limburg a. d. Lahn
Stadtarchiv Limburg a. d. Lahn
Mühlberg 3
65549 Limburg a. d. Lahn
Telefon  06431 203-368
Fax: 06431 203-947
christoph.waldecker@stadt.limburg.de
http://www.limburg.de

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