Digitales Kreisarchiv Calw verfügt jetzt über 270.000 Dateien

Stöbern in 122 weiteren alten Zeitungsjahrgängen möglich

Im Sommer 2018 ist das „digitale Kreisarchiv“ des Landkreises Calw online gestellt worden (siehe Bericht vom 29.8.2019). Seit kurzem sind im digitalen Calwer Kreisarchiv sage und schreibe 150.000 weitere Dateien zugänglich. „Damit stehen nunmehr rund 270.000 Digitalisate zur Verfügung“, erklärt Kreisarchivar Martin Frieß mit berechtigtem Stolz. Für alle an der Heimatgeschichte Interessierten oder sonst nach alten Zusammenhängen Suchenden ist das eine riesige Hilfe beim Recherchieren. Neu hinzugekommen sind Seite für Seite 122 Zeitungsjahrgänge des „Gesellschafters“. Dieser spiegelt auch die Entwicklung des Zeitungswesens. Vom einmal wöchentlich herausgegebenen Intelligenzblatt für mehrere Oberämter in der Art eines Amtsblatts mit etwas Unterhaltung erfolgte der Wandel bis zur sechs Mal wöchentlich erscheinenden Tageszeitung mit Berichten aus dem Kreisgebiet und aus aller Welt.

Wie beim schon länger bereitgestellten, anfangs „Wöchentliche Nachrichten für die Oberamtsbezirke Calw und Neuenbürg“ genannten Vorgänger der Kreisnachrichten und des Schwarzwälder Boten ist das Auffinden des jetzt hinzugekommenen Gesellschafters – der 1822 als „Intelligenzblatt für die Oberamtsbezirke Tübingen, Rottenburg und Nagold“ startete – denkbar einfach. Über die Internetadresse https://digital.kreisarchiv-calw.de kann direkt in die Sammlung gestartet werden. Wer mit dem Internet umgehen kann findet sich leicht zurecht: Alle Zeitungen ab 1850 und jünger sind mit Volltexterkennung – auch 05.05.2020 10:09 als OCR bekannt – versehen. Es muss also nur ein Begriff oder Name eingegeben werden, und schon erscheinen die Ausgaben, in denen das Wort vorkommt.

Auch Kalender- und weitere Suchfunktionen vorhanden
Weitere Suchmöglichkeiten bietet bei den Zeitungen die Kalenderfunktion: Klickt man auf eine Jahreszahl, wird ein Kalender mit den Erscheinungstagen angezeigt. Jetzt muss nur das gesuchte Datum angeklickt werden, schon zeigt der Bildschirm die betreffende Tagesausgabe. Gesucht werden kann auch nach verschiedenen Themen, Autoren, Verlagen, Verlagsorten oder Erscheinungsjahren. Das Digitalarchiv hat noch mehr zu bieten als Zeitungen. So sind dort Oberamtsprotokolle und ältere Kreistags-Niederschriften bis 1997 zu finden. In historischer Literatur kann geblättert werden und auch 14 Adressbücher zeigen Entwicklungen im Altkreis Calw auf, der ja das ehemalige Oberamt Neuenbürg bis zur Kreisreform 1973 komplett mit umfasste. In Arbeit ist die Digitalisierung und Aufnahme vom „Enztäler“ mit Vorgänger-Blättern bis 1945.

Martin Frieß weist darauf hin, dass das Projekt auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung, Schonung und Erhaltung der Originale ist. Sie werden jetzt nur noch selten für Präsentationen oder bei Führungen gebraucht. Zeitungen wurden bekanntlich nicht für die Ewigkeit gemacht. Die Digitalisierung erhält jetzt die Informationen, solange sie auf dem alten Zeitungspapier noch lesbar sind. Die Sicherung der Daten erfolgt im elektronischen Langzeitarchiv des Landratsamts. Außerdem werden sie auf dem Server des Hochschulbibliothekszentrums Köln gespeichert, mit dem der Dienstleister des Calwer Kreisarchivs zusammenarbeitet.

Calw unter den Kommunalarchiven im Land führend
Bei der Digitalisierung von Archivalien ist Calw im Bereich der Kommunalarchive im Land führend und findet deutschlandweit Beachtung. „Immer wieder wird nachgefragt, wie man so was macht und was dabei zu beachten ist“, sagt Martin Frieß. Die meisten digitalisierten Archivalien kommen aus dem Bestand des Kreisarchivs Calw. Aber beim „Gesellschafter“ gab es Lücken. Diese konnten mit Hilfe des Stadtarchivs Nagold und der Druckerei Zaiser als einer ursprünglichen Herausgeberin in der ehemaligen Oberamtsstadt gefüllt werden. Auch beim zu 90 Prozent erfassten „Enztäler“ wird noch das eine oder andere Exemplar vom Neuenbürger Stadtarchiv benötigt, mit dem Kreisarchivar Martin Frieß in Verbindung steht.

Das Einscannen übernimmt eine zuverlässige Esslinger Firma, die Präsentation ein Unternehmen mit Hauptsitz in Bielefeld von seinem Betrieb in Aachen aus. Die jetzt neu aufgenommenen Daten haben 25.000 Euro Aufwand verursacht. Interessierten stehen sie kostenlos zur Verfügung. Das Interesse an dem digitalen Material unterstreicht die automatisch erfasste Statistik: 2019 erzeugten 13.055 unterschiedliche Nutzer 164.860 Zugriffe und luden sich 918 Dateien herunter. In diesem Jahr werden diese Zahlen wohl übertroffen, denn schon jetzt sind knapp über 90.000 Zugriffe registriert. Auch die Verweildauer der einzelnen Besucher wird erfasst: Im letzten Jahr waren dies 38 Minuten; 2020 liegt sie bei gut zweidreiviertel Stunden. „Das kann eventuell der Corona-Krise geschuldet sein“, meint Kreisarchivar Martin Frieß.

Linkhttps://digital.kreisarchiv-calw.de/

Kontakt:
Kreisarchiv Calw
– Schulen und Kultur
Kultur und Kreisarchiv –
Martin Frieß
Vogteistraße 42-46
75365 Calw
Telefon: 07051/160-314
Fax: 07051/795-314
Martin.Friess@kreis-calw.de

Quelle: Hans Schabert, 213. Nachrichtenbrief (2020), Kreisgeschichtsverein Calw e.V., S. 12; Schwarzwälder Bote, 19.5.2020

Die Michelsburg bei St. Lorenzen

Archivale des Monats Mai 2020 im Südtiroler Landesarchiv.

Die Michelsburg, eigentlich St. Michaelsburg, wurde im späten 12. Jahrhundert als Lehen der Bischöfe von Brixen vermutlich von den Grafen von Andechs errichtet. Nach deren Entmachtung fiel sie um 1210 an die Grafen von Tirol und anschließend an die Görz-Tiroler. Seit dem 13. Jahrhundert war die Burg auch Sitz des gleichnamigen Gerichts, das zunächst an Dienstleute (Ministerialen) ausgegeben wurde, ab dem 14. Jahrhundert wurden eigene Pfleger mit der Verwaltung von Burg und Gericht betraut, die ihrerseits Richter einsetzten oder selbst als Burghauptmann und Richter fungierten.

Die Michelsburg, 1941 (Bildarchiv Mario und Benjamin Geat, Nr. 1008, Südtiroler Landesarchiv)

Im Jahr 1500 fiel das Görzer Erbe im Erbweg an die Habsburger und wurde territorial mit der Grafschaft Tirol vereinigt. Wenige Jahre später verpfändete Maximilian I. jedoch die Burgen Michelsburg, Schöneck, Uttenheim und Heinfels für 24.000 Gulden an den Bischof von Brixen. Doch blieb es nicht dabei: Die Burg und das Landgericht Michelsburg, das seinen Sitz zu dem Zeitpunkt jedoch bereits in einem eigenen Gerichtsgebäude in St. Lorenzen hatte, durchlebten im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Besitzerwechsel; zeitweise wurde die Burg wieder vom Landesfürsten übernommen, an verschiedene Adelsfamilien zu Lehen ausgegeben, einige Zeit auch vom Damenstift in Hall genutzt, fiel dann wieder an das Hochstift Brixen und wurde schließlich wiederum vom Tiroler Landesfürsten übernommen. 1678 wurden Burg und Gericht an die Freiherren von Künigl verpfändet, 1810 wurden die Gerichte Michelsburg, Schöneck, Bruneck und Sonnenburg unter bayerischer Herrschaft zum Landgericht Bruneck vereinigt. Wieder unter österreichischer Herrschaft wurden die Rechte der Grafen Künigl 1827 endgültig abgelöst, das Gericht ging in die staatliche Verwaltung über und wurde endgültig in das Landgericht Bruneck einverleibt, während die im Wesentlichen funktionslose Burg ins Eigentum der Künigl überging, die sie schließlich 1969 verkauften.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Michelsburg, hier in einer Aufnahme von Mario Geat aus dem Jahr 1941, bereits stark von Verfall gekennzeichnet, Teile der Burg waren eingestürzt. Erst in den 1960er Jahren wurden erste Sicherungsmaßnahmen eingeleitet, in den 1990er Jahren folgten durch den aktuellen Eigentümer umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, die der Burg ihr altes, beeindruckendes Gepräge wiedergegeben haben.

Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Archivale des Monats, 6.5.2020

Evangelische Bühnengilde Koblenz

Digitale Ausstellung des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland

Dank der Deutschen Digitalen Bibliothek konnte die Zeit im Home Office ideal genutzt werden. Das neue Ausstellungs-Tool DDB Studio erlaubt es selbst dem größten Technikmuffel eine digitale Präsentation zu gestalten, sofern man geeignetes Schaumaterial zur Verfügung hat. Die DDB bietet das Programm kostenfrei für bei ihr registrierte Institutionen an und steht dabei jederzeit mit guten Rat und, sofern nötig, auch Tat zur Seite. Eine einmalige Möglichkeit, die Bestände der Kultureinrichtungen einem breiten Publikum zu eröffnen.

Um einen Einblick in den Bestand des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland zu geben, wurden einige der dortigen Fotoschätze mit dem Programm DDB Studio in einer digitalen Ausstellung arrangiert. Die Bilder stammen aus dem Nachlass Walter Hoerder und dokumentieren die Arbeit der Evangelischen Bühnengilde Koblenz (EBK). Die Ausstellung zeigt eine Auswahl des Repertoires der Laienschauspieltruppe und skizziert anhand dessen die 14-jährige Geschichte der EBK.

Abb.: An einem sogenannten Grenzlandabend 1934 führte die EBK das Drama ‚Ostmark‘ von Berthold H. Withalm im Sinne des völkisch-nationalen Zeitgeistes auf. Walter Hoerder begrüßte den nationalen Aufbruch und glaubte an eine friedliche Rückgewinnung deutscher Gebiete im Osten unter Hitlers „genialer Führung“: „Inzwischen aber fiel der Vorhang über einem tragischen Aufzug unserer Geschichte […]. Die Szene wechselte nun und zeigte gottlob ein freundliches hoffnungsreiches Bild“ (Hoerder im Jahresbericht über die Arbeit der Evangelischen Bühnengilde Koblenz im Winter 1933/34)

Die Journalistin Bettina Förster untersuchte im Archiv Boppard den Nachlass von Walter Hoerder, weil sie bei Prof. Dr. Volker Neuhaus an der Universität zu Köln über die Entwicklung des evangelischen Laienspiels von der Weimarer Republik bis 1959 promoviert. Hier beantwortet sie einige Fragen zur Motivation und Tätigkeit der Gilde.

Was zeichnete die Arbeit der EBK aus?
Walter Hoerder war während der gesamten Zeit von 1922 bis 1935 der verantwortliche Leiter der Bühnengilde. Er wirkte auch als Regisseur und übernahm Rollen. Wenn man die zahlreichen Kisten aus seinem Nachlass durchsieht, dann wird ganz schnell klar, dass er und die Gruppe diese Arbeit mit großer Leidenschaft gemacht haben. Die Aufführungen sind durch Fotos, Berichte und Zeitungsartikel akribisch dokumentiert. Sie haben in der Online-Ausstellung, die Sie gemacht haben, eine repräsentative Auswahl getroffen. Eigentlich war Hoerder gelernter Bankkaufmann und auch die anderen Spieler waren alle Laien. Die Kulissen und Kostüme gestalteten sie sehr aufwendig – es muss stundenlang gedauert haben, diese Kostüme zu nähen. Die jungen Erwachsenen spielten aber nicht nur zusammen Theater, sondern sie machten auch Wanderungen oder Singabende. Seine Nichte hat mir geschrieben, dass die Spieler eine intensive Freundschaft verband. Offiziell hieß es, dass die EBK an Gemeindeabenden das „ausserkirchliche Leben in bewusst deutsch-evangelischem Sinne“ [Hoerder, Walter: 10 Jahre Evangelische Bühnengilde Koblenz. In: AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18] fördern wollte. Einige Berichte hat Hoerder auch in der Zeitung Das Evangelische Rheinland geschrieben und hier formuliert er, dass sie spielten, weil sie innerlich ergriffen waren.

Wovon waren die Spieler ergriffen?
Vom Theaterspielen und vom Gemeinschaftsgedanken. Die Einnahmen wurden traditionell nach Abzug der Unkosten gespendet. Hoerder dokumentiert zum Beispiel über die Spielzeit Winter 1933/34, dass sie neben dem Anliegen „in volksbildnerischer Weise in der Gemeinde künstlerische Arbeit“ [Hoerder, Walter: Bericht vom 28. Mai 1934. In: AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18] zu leisten auch den Zweck darin sahen, die Not mit dem Ertrag zu lindern. So gingen auch aus dieser Saison die Eintrittsgelder nach Abzug der Unkosten an die Armenpflege der Gemeinde und an das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes. Dieses gilt als wichtiges Propagandaelement der Nationalsozialisten. Hoerder war begeistert vom Nationalsozialismus. Sie spielten auch für die Hitler-Jugend. 1933 wollte er Schlageter aufführen, das erfolgreiche Stück vom Nationalsozialisten Hanns Johst, aber er bekam die Rechte dafür nicht.

Was ist über den Spielplan zu sagen?
Auffällig ist die Bandbreite des Spielplans und die Tatsache, dass die EBK Stücke des Berufstheaters aufführte. So gaben sie zum Beispiel 1926 auch den Jedermann von Hugo von Hofmannsthal. Beim Publikum besonders beliebt und erfolgreich waren Lustspieldarbietungen. Bei der Aufführung von Die goldene Eva von Franz von Schönthan und Franz Koppel-Ellfeld im November 1931 war der Saal wohl „beängstigend“ überfüllt. Die Bühnengilde führte aber auch Stücke auf wie 1929 Zeitenwende vom Laienspielautor Paul Figge. Zu dieser Aufführung kamen sogar dreitausend Besucher.

Warum hörte die Arbeit auf?
Das war ein längerer Prozess. Kurz zusammengefasst: 1934 gab es Korrespondenzen mit dem Stadttheater, der Landesstelle des Propagandaministeriums und der Reichstheaterkammer. Darüber berichtet Hoerder 1935 im Evangelischen Sonntagsblatt. Werke der Berufsbühne und abendfüllende Stücke wurden ihnen nicht mehr erlaubt und Hoerder wollte keinen „kunstlosen Vereinsbühnenkitsch“ fabrizieren. Pastor Wilhelm Winterberg sprach ihm für seine Arbeit innigen Dank aus, aber dies kann Hoerder nicht wirklich getröstet haben. Er schrieb in einem Bericht im Oktober 1935 wehmütig, dass ihm der Abschied besonders schwerfiel.

Quelle und Interview: Maike Schwaffertz: Die evangelische Bühnengilde Koblenz – Eine digitale Ausstellung mit DDB Studio, in: blog.archiv.ekir.de. Blog des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland, 22.5.2020

Link: Digitale Ausstellung „Evangelische Bühnengilde Koblenz“

Kontakt:
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland
Hans-Böckler-Straße 7
40476 Düsseldorf
www.archiv-ekir.de

Düren dokumentiert aktuelles Zeitgeschehen

Leiter des Stadt- und Kreisarchivs Düren will Alltagserfahrungen in Corona-Krise für die Zukunft bewahren

Seit Beginn des Jahres 2020 hat das Stadt- und Kreisarchiv Düren einen neuen Leiter, Daniel Schulte, der sich nun mit einem Appell an die Öffentlichkeit wendet: „Das Corona-Virus verändert zurzeit das Leben von uns allen. Einwohnerinnen und Einwohner des Kreises Düren, die über ihr aktuelles Leben analog oder digital Tagebuch führen, oder die Auswirkungen der Pandemie auf andere Weise dokumentieren (Fotos oder Filme) möchten wir bitten, diese dem Stadt- und Kreisarchiv Düren nach der Krise zur Verfügung zu stellen. Wir würden die wertvollen Quellen zu diesem Zeitgeschehen sehr gerne archivieren (Kontakt: stadtarchiv@dueren.de).“

Abb.: Der Leiter des Stadt- und Kreisarchivs Düren, Daniel Schulte (Foto: K. Hennecken)

Diplom-Archivar Daniel Schulte ist sich bewusst: Was heute Gegenwart ist, ist die Vergangenheit von Morgen und muss im Gedächtnis von Stadt und Kreis, also im Archiv, nicht nur aufbewahrt werden, sondern auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Daniel Schulte war zehn Jahre im Landesarchiv NRW in Münster tätig, hat das Stadtarchiv Steinfurt geleitet und war zuletzt stellvertretender Leiter des Archivs im Rhein-Sieg-Kreis.

Nach Düren hat er viele Ideen und Pläne mitgebracht, die er nach einer Einarbeitungszeit durch seinen Vorgänger Hans Helmut Krebs nun gemeinsam mit dem Team des Stadt- und Kreisarchivs umsetzen will. Dazu gehört neben der Bestandspflege, dem Ausbau der Digitalisierung, Ausstellungen und Publikationen zu Jubiläen auch als ein Schwerpunkt die Intensivierung der Archivpädagogik. Daniel Schulte: „Ich sehe das Stadt- und Kreisarchiv als modernen Dienstleistungsbetrieb, der sich den Herausforderungen des Digitalen Zeitalters in ganz besonderem Maße stellen muss. Wir sind die kulturelle Schatzkammer des Kreises und der Stadt Düren und begrüßen es, wenn unsere Bestände nicht nur durch Verwaltungsakten, sondern auch durch alte Briefe, Fotos, Nachlässe, Vereinsunterlagen und Urkunden von den Bürgerinnen und Bürgern Dürens ständig weiter ergänzt werden.“

Link:
Interview mit Kreisarchivar Daniel Schulte: Aktuelles Zeitgeschehen dokumentieren (Aachener Nachrichten, 8.5.2020)

Kontakt:
Daniel Schulte
Leiter des Stadt- und Kreisarchivs
Haus der Stadt, Zimmer B 213
Stefan-Schwer-Straße 4-6
52349 Düren
Telefon: 02421 25-2555
Telefax: 02421 25-180-2550
d.schulte@dueren.de
www.dueren-kultur.de

Quelle: Stadt Düren, Pressemitteilung, 6.5.2020

 

Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 2/2020

Unter dem Titel „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ berichtet das Stadtarchiv Gera vierteljährlich über aktuelle Entwicklungen und historische Themen rund um eigene Arbeit. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie hatte auch das Stadtarchiv Gera für rund zwei Monate seine Türen für die öffentliche Benutzung schließen müssen. Unter Berücksichtigung der allgemein geltenden Hygieneregeln (Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und Einhaltung der Abstandsregeln) ist das Stadtarchiv Gera seit dem 18.5.2020 wieder für die Benutzung geöffnet. Da aufgrund der geltenden Hygienevorgaben nur eine beschränkte Anzahl an Benutzerinnen und Benutzern im Lesesaal zeitgleich forschen kann, ist eine vorherige schriftliche oder telefonische Anmeldung und Terminbestätigung durch das Stadtarchiv zur Einsichtnahme in das Archivgut unerlässlich.

In seinem 2. Informationsbrief 2020 spannt das Stadtarchiv Gera einen chronologischen Bogen von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit. Dabei werden die Streiche der „bösen Geraer Gassenjungen“ ebenso in den Blick genommen wie die um 1950 verpönte „Amerikanisierung im Tanzsaal“ in der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Wanderbericht aus einem historischen Stadtführer sowie die Bildvorstellung eines Exponates aus der neuen Ausstellung in der Geraer Kunstsammlung mit dem Titel „Wundersam Wirklich. Magischer Realismus aus den Niederlanden“ laden zur Erkundung der Stadt Gera und ihrer Sehenswürdigkeiten ein.


Abb.: Pyke Koch: Vrouwen in de straat (Frauen auf der Straße), 1962-1964

Zu dem Bild schreibt Dr. Claudia Schönjahn, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kunstsammlung Gera, in den Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 1/2020: Pyke Kochs „Frauen auf der Straße“ könnten auch von dem Geraer „Spießerschreck“ Otto Dix stammen, der in den 1920er-Jahren mit seinen Darstellungen leichter Mädchen in aufreizender Haltung den braven Bürger provozierte. Der 1901 geborene niederländische Maler Pyke Koch, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Pieter Frans Christian hieß, benannte sich nach der Pykestraat, einer in Nimegens Rotlichtviertel gelegenen Straße, in der er einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte. Diese Kindheitserfahrungen prägten ihn grundlegend und so beschäftigte er sich in seinen Werken immer wieder mit Sexualität und Genderthemen zu einer Zeit, als dies noch ziemlich verpönt war. Tatsächlich ist der Titel „Frauen auf der Straße“, den der Maler seinem Gemälde gab, auch nicht ganz korrekt. Bei genauer Betrachtung wird erkennbar, dass die vermeintliche Dame in der Bildmitte mit roter Perücke und grauer Federboa eigentlich ein Mann ist, nämlich Pyke Koch selbst. Er und sein(e) Nachbar(in) zu seiner Rechten beobachten mit geöffneten Mündern einen Vorgang, der dem Betrachter verborgen bleibt, während die dritte Person im Bild ihren Blick in entgegengesetzte Richtung schweifen lässt. Die drei befinden sich vor einem herunter gekommenen Gebäude – der Ziegelbau mit dem metallenen Pflock im Vordergrund lässt an eine verlassene Fabrikhalle denken. Dass die drei eher am Rande der Gesellschaft stehen, wird nicht nur aus der Umgebung ersichtlich: Details wie die schlechten Zähne verweisen auf ihre prekäre soziale Stellung. Auch in weiteren Werken behandelt Pyke Koch solche Außenseiterthemen. So stellt er in seinem auf dem ersten Blick sehr romantisch wirkenden Gemälde mit dem Titel „Nocturne“ („Nachtstück“) ein Pissoir dar – ein bis dato unerhörtes Bildmotiv! Dazu kommt, dass solche Örtlichkeiten oft als Treffpunkt Homosexueller dienten. Auch hier lenkte er auf hintergründige Weise die Aufmerksamkeit auf Genderthematiken und war damit seiner Zeit voraus.

Die Ausstellung kann bis zum 30.8.2020 im Rahmen der Öffnungszeiten (Mittwoch bis Sonntag sowie an Feiertagen von 12.00 bis 17.00 Uhr) der Kunstsammlung Gera in der Orangerie besichtigt werden.

Kontakt:
Stadtarchiv Gera
Gagarinstraße 99/101
07545 Gera
Tel. 0365/838-2140 bis 2143
stadtarchiv@gera.de
www.gera.de/stadtarchiv

Gegen archivfachliche (Selbst-)Beschränkungen

In München steht ein Stadtarchiv.

Der Fachverband VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. appelliert in einer Stellungnahme an den Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt München, Dieter Reiter (SPD), bei einer geplanten Neuaufstellung des Stadtarchivs München archivfachliche Standards zu wahren und die Leitungsstelle fachlich zu besetzen (VdA-Stellungnahme vom 11.5.2020).

Das Stadtarchiv München gilt als eines der größten kommunalen Archive Deutschlands. Es ist eine Dienststelle des Direktoriums und gehört damit zum Aufgabenbereich des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München. Der seit 2008 amtierende Amtsleiter Dr. Michael Stephan ist zum 1.5.2020 in den Ruhestand getreten.

Abb.: Rand oder relevant? Selbstdarstellung des Stadtarchivs München auf seiner Homepage, Ausschnitt

Bereits Ende Juli 2019 hat die Münchner Stadtratsfraktion Die Grünen/Rosa Liste beantragt, das Stadtarchiv zum Institut für Stadtgeschichte umzuwidmen: „Das im Direktorium angesiedelte Stadtarchiv wird als Institut für Stadtgeschichte mit der ‚Stadtgeschichte‘ des Kulturreferats zusammengeführt und im Kulturreferat angesiedelt – in enger Kooperation mit Stadtmuseum, Jüdischem Museum und NS-Dokumentationszentrum.“ In ihrer Antragsbegründung führt die Fraktion aus: „In aller Regel sind Stadtarchive Teil der Kulturverwaltung (z.B. in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Gelsenkirchen). Die Münchner Besonderheit, das Archiv im Direktorium anzusiedeln, scheint einem veralteten Verständnis geschuldet, das die Aufgabe tendenziell als reines Sammeln von Behördenakten versteht. Eine moderne und zeitgemäße Form verbindet die archivarische mit historischer, forschender und an ein breites Publikum vermittelnder Arbeit (sowie Beratung von Verwaltung und Politik). Darum ist eine Überführung in das Kulturreferat (in einer Organisationseinheit mit der Stadtgeschichte) und eine enge Zusammenarbeit mit Stadtmuseum, Jüdischem Museum und NS-Dokumentationszentrum sinnvoll. So schafft man ein einheitliches Kompetenzzentrum für die Geschichte unserer Stadt. Der Begriff Institut für Stadtgeschichte ist dafür angemessen. So heißen schon entsprechende Einrichtungen in Frankfurt am Main und in Gelsenkirchen.“ (Antrag der grünen Stadtratsfraktion vom 31.7.2019)

Vor dem Hintergrund des Amtsleiterabschieds und der Kommunalwahl im März 2020 wird dieser Antrag zur vermeintlichen „Weiterentwicklung“ des Münchner Stadtarchivs derzeit weiter diskutiert. – In einem auch im Internet veröffentlichten Schreiben an Oberbürgermeister Reiter vom 11.5.2020 äußert der VdA seine Sorge hinsichtlich einer Umbildung des Stadtarchivs zu einem Institut für Stadtgeschichte mit Zuordnung zum Kulturreferat. Mit dieser Umbildung würde nach Auffassung des VdA-Vorsitzenden Ralf Jacob, der selbst Leiter eines Stadtarchivs ist, „die Gefahr der Schwächung der archivischen Kernaufgaben und Verengung des Tätigkeitsspektrums auf die historische Bildungsarbeit“ einhergehen. Die zugleich im Raum stehende Infragestellung der Notwendigkeit einer archivfachlichen Leitung des Stadtarchivs München alarmiere den VdA zusätzlich.

In dem ausführlichen Schreiben des VdA an den Münchner Oberbürgermeister wird vor allem mit dem Mittel einer Trennung von Kern- und Randaufgaben in der Archivarbeit und dem vermeintlichen Vorrang der „archivischen Kernaufgaben“ argumentiert. Historische Bildungsarbeit und Archivpädagogik werden hingegen lediglich als Bereicherung des kommunalarchivischen Tätigkeitsspektrums interpretiert, die nicht „auf Kosten der archivischen Kernaufgaben“ geschehen dürften. Als Kernaufgaben werden die Überlieferungsbildung und Bewertung, die Erhaltung, Erschließung und Nutzbarmachung von Archivgut angeführt. Erst deren professionelle Erfüllung ermögliche letztlich die Bildungsarbeit.

Der VdA hebt zurecht auf die Behördenfunktion von Archiven ab, auf ihre wichtige Rolle hinsichtlich der Transparenz des Verwaltungshandelns und der Gewährung bürgerschaftlicher Rechte, ja, auf die demokratische „Systemrelevanz“ von Archiven gerade in Zeiten von Fake News-Konjunkturen. Der VdA spaltet aber unnötigerweise die archivischen Fachaufgaben in Kern- und Randgebiete auf, in wichtige und unwichtige, vorgeschaltete und nachgeordnete Tätigkeiten und trennt damit letztlich auch seine Mitglieder in vor- und nachrangige Kasten. Gerade unter Verweis auf das Bayerische Archivgesetz, das der VdA zur Definition der „Kernaufgaben“ als „Pflichtaufgaben“ anführt, wäre es geboten gewesen, im Sinne des notwendigen Plädoyers für eine archivfachliche Amtsleiterbesetzung und die Belassung des Münchner Stadtarchivs beim Direktorium des Stadtverwaltung den umfassenden, inklusiven Aufgabenkanon im zeitgemäßen Selbstverständnis des Archivwesens auszudrücken: „Archivierung umfaßt die Aufgabe, das Archivgut zu erfassen, zu übernehmen, auf Dauer zu verwahren und zu sichern, zu erhalten, zu erschließen, nutzbar zu machen und auszuwerten.“ (Art. 2 Absatz 3 Bayerisches Archivgesetz vom 22. Dezember 1989). Die Auswertung des Archivgutes ist eine facharchivarische Tätigkeit. Es dreht sich bei der Aufgabenwahrnehmung der Archivarinnen und Archivare nicht nur darum, das Archivgut „nutzbar und auswertbar“ zu machen, damit Dritte es auswerten können. Es verbirgt sich dahinter vielmehr das gesamte Spektrum archivischer Aufgaben und Kompetenzen, die nicht zuletzt von den auf den Feldern der Archivpädagogik und Historischen Bildungsarbeit Tätigen seit über 30 Jahren mühsam vom Außenseiterdasein mitten in die Archive hinein, um es in der Bildsprache des offenen Briefes zu formulieren: vom Rand zum Kern archivischen Selbstverständnisses getragen worden sind. – Es muss bei dem wichtigen Engagement für den Schutz der Archive vor politischen Beschneidungen auch hierum gehen. Fachliche Selbstbeschränkungen sind hingegen genau das falsche Signal.

Stuttgart 1942

Stadtarchiv Stuttgart setzt Geschichtsprojekt mit Medienpartnern um

Das Stadtarchiv Stuttgart realisiert ein umfangreich angelegtes Geschichtsprojekt unter dem Titel „Stuttgart 1942“. Die Grundlage des Projekts bildet ein Bestand von rund 12.000 Fotos. Diese wurden 1942 im Auftrag der Stadtverwaltung erstellt und vom Stadtarchiv digitalisiert. Sie dokumentieren das Straßenbild sowie Alltagsszenen von einem großen Teil des noch unzerstörten Stuttgarts. Die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten sind Kooperationspartner und werden die Fotos und Themen des Jahres 1942 in einer Artikelserie präsentieren und kommentieren. Daneben bieten sie eine Online-Bildersuche an, mit welcher der Bestand im Volltext durchsucht werden kann. Die Beiträge sind im Internet abrufbar.

Abb.: Seltener Anblick im Sommer 1942: Eine junge Familie mit Vater (Foto: Stadtarchiv Stuttgart)

Stuttgarts Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer dankte allen Beteiligten für dieses innovative Kooperationsprojekt: „Ich freue mich über das Engagement unserer lokalen Zeitungen für die Stadtgeschichte. Das Projekt ist ein weiterer Beweis für die digitale Kompetenz und Präsenz unseres Stadtarchivs.“

Mit dem gemeinsamen Projekt „Stuttgart 1942“ wollen das Stadtarchiv, die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten den Alltag der Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger zwischen Naziherrschaft und scheinbarer Normalität greifbar machen. 1942 war das letzte Jahr, bevor Stuttgart im Luftkrieg zur „Heimatfront“ wurde. Das Projekt „Stuttgart 1942“ arbeitet somit einen der Öffentlichkeit bislang kaum bekannten Bilderschatz auf und wagt gleichzeitig einen neuen Blick auf die Realität in einer deutschen Großstadt mitten im Zweiten Weltkrieg. Dazu gehört auch das, was die Bilder von dieser Realität nicht zeigen oder verschweigen.

Linkwww.stuttgarter-zeitung.de/stuttgart-1942

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Bellingweg 21
70372 Stuttgart
Telefon +49 711 216-91512
Lesesaal +49 711 216-91514
Fax +49 711 216-91510
poststelle.stadtarchiv@stuttgart.de
www.stuttgart.de/stadtarchiv/

Quelle: Stadt Stuttgart, Pressemitteilung, 11.5.2020

Neuer Leiter im Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Mülheims Kulturdezernent Marc Buchholz und der Leiter des Kulturbetriebs, Frank Baudy, begrüßten in diesen Tagen den neuen Leiter des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr und des Hauses für Stadtgeschichte, Dr. Stefan Pätzold. Der Historiker und Archivar war von 1999 bis 2001 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für die Geschichte des Mittelalters der Universität Magdeburg, von 2001 bis 2005 am Stadtarchiv Pforzheim sowie von 2005 bis April 2020 als stellvertretender Leiter am Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte tätig. Seit Mai 2020 leitet er nun das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr.

Abb.: Kulturdezernent Marc Buchholz begrüßt den neuen Leiter des Stadtarchivs Dr. Stefan Pätzold. (v.l.) Jens Roepstorff, Stellvertretender Archivleiter, Stefan Pätzold, Marc Buchholz, Frank Baudy, Leiter Kulturbetrieb vorm Stadtarchiv im Haus der Stadtgeschichte, Von-Graefe-Straße 37 (Foto: Walter Schernstein)

Als Nachfolger des ehemaligen Leiters Dr. Kai Rawe hatte er sich im Bewerbungsverfahren gegen zahlreiche Konkurrenten durchgesetzt. Rawe ist nunmehr Leiter des Bochumer Zentrums für Stadtgeschichte, das ebenfalls das Archiv und historische Museum der Stadt umfasst. Dr. Pätzold freut sich in Mülheim auf die abwechslungsreiche, spannende und vielseitige Aufgabe und darauf, mit den Mülheimerinnen und Mülheimern über die Geschichte ihrer Stadt ins Gespräch zu kommen.

Kontakt:
Stadtarchiv
Haus der Stadtgeschichte
Von-Graefe-Straße 37
45470 Mülheim an der Ruhr
Telefon (Sekretariat): 0208 455 4260
Telefon (Lesesaal): 0208 455 4268
Fax: 0208 455 58 4260
stadtarchiv@muelheim-ruhr.de
www.stadtarchiv-muelheim.de

Quelle: Stadt Mülheim an der Ruhr, Pressemitteilung, 8.5.2020; WAZ, 25.5.2020

Georeferenzierung älterer Karten und Pläne mittels Crowdsourcing

Mit historischen Karten in die Vergangenheit eintauchen

Das Staatsarchiv des Kantons Zürich hat in den letzten Jahren seine historischen Karten digitalisiert und online verfügbar gemacht. Nun startet es zusammen mit dem Amt für Raumentwicklung ein Projekt, in dem die Öffentlichkeit die alten Karten georeferenzieren kann. Interessierte können so nicht nur die Vergangenheit erforschen, sondern auch alternative Realitäten erkunden.

Abb.: Beim Georeferenzieren wird der heutigen Weltkarte eine historische Karte gegenübergestellt, wodurch übereinstimmende Punkte markiert werden können (Karten: Kanton Zürich).

Das Staatsarchiv besitzt rund 20.000 historische Karten und Pläne vom 16. bis ins frühe 21. Jahrhundert. Darunter befinden sich einzigartige Stücke wie die Kartenwerke von Jos Murer (1530-1580) oder Hans Conrad Gyger (1599-1674), aber auch zahlreiche Pläne für Bauprojekte von Strassen, Brücken, Schulhäusern und Verwaltungsgebäuden im Kanton Zürich. Die Sammlung ist vollständig digitalisiert und online verfügbar. Nun soll sie mit Hilfe der Öffentlichkeit noch besser erschlossen werden, indem jedes Dokument geografisch genau verortet wird: „Georeferenzierung mittels Crowdsourcing“ nennen das die Fachleute.

Wer sich beteiligen will, muss keine Fachperson sein. Mit der Webplattform „Georeferencer“ ist es spielend leicht, eine historische Karte mit der aktuellen Karte zu vergleichen und übereinstimmende Punkte wie Straßenkreuzungen, Flussmündungen oder Ecken von markanten Gebäuden zu identifizieren. Je mehr Punkte man mit einem Klick auf beiden Karten markiert, desto genauer wird die historische Karte auf der heutigen Weltkarte eingepasst – eben georeferenziert. Hier zeigt sich dann auch, wie präzis die Kartographen von früher gearbeitet haben: Insbesondere die ältesten Kartenwerke aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind oftmals noch stark verzerrt. Aber ab dem 18. Jahrhundert erlaubten neue Vermessungsmethoden und -werkzeuge die Erstellung immer genauerer Karten.

Alternative Realitäten erkunden
Bei älteren Karten und Plänen kann das Georeferenzieren herausfordernd sein, weil manche der abgebildeten Bauwerke nicht mehr existieren, weil Straßen verlegt oder Gewässer korrigiert wurden. Auch Uferzonen und Waldränder verlaufen heute teilweise anders als früher. Hier ist manchmal etwas Spürsinn gefragt, bis man sich auf einer historischen Karte orientieren kann. Sind aber beispielsweise die Felder rings um Uster auf den kunstvollen Zehntenplänen von 1679 und 1765 erst einmal verortet, steht der Erkundung einer längst vergangenen Zeit und Umgebung nichts mehr im Weg – einer Realität, die durch die Industrialisierung und das enorme Bevölkerungswachstum des 19. und 20. Jahrhunderts für immer umgestaltet wurde. Eindrücklich erkennt diese Veränderungen, wer im „Georeferencer“ mittels Schieberegler zwischen den historischen Plänen und der heutigen Weltkarte hin- und herwechselt.

Einen wahren Schatz stellen Pläne von Bauprojekten dar, die nie realisiert wurden. Hier lässt sich zum Beispiel erfahren, welche gigantischen Ideen in den 1930er Jahren für ein Kantonsspital auf dem Burghölzliareal oder in den 1950er Jahren für die Winterthurer Kantonsschule Rychenberg existierten. Oder für das kantonale Staatsarchiv gab es zunächst Neubauprojekte am Parkring oder am Zeltweg, bevor es 1982 an seinem heutigen Standort auf dem Areal Irchel realisiert wurde. Durch die Georeferenzierung von heute teilweise utopisch anmutenden Plandokumenten lassen sich also am Computer, Tablet oder Smartphone alternative Realitäten erkunden: Wie sähe es im Kanton Zürich heute aus, wenn gewisse Entscheidungen anders ausgefallen wären?

GIS-Browser mit historischen Karten
Nach Abschluss des Projekts sollen die georeferenzierten historischen Kartendokumente über den GIS-Browser des Kantons Zürich (maps.zh.ch) der Öffentlichkeit dauerhaft zur Verfügung gestellt werden und damit ein Fenster in die Vergangenheit öffnen. Bereits jetzt können dort die Meisterwerke der frühen Zürcher Kartographie – die Murerkarte aus dem 16. und die Gygerkarte aus dem 17. Jahrhundert – in georeferenzierter Form betrachtet werden. Das Amt für Raumentwicklung hat für das Projekt zudem eigens einen Kartenservice entwickelt, auf dem die Häuser aus verschiedenen Zeitepochen zu erkennen sind, was das Georeferenzieren älterer Karten und Pläne enorm erleichtert.

Wer sich für das Projekt interessiert und mithelfen möchte, den großen Schatz an historischen Karten und Plänen des Staatsarchivs Zürich mit Georeferenzen noch wertvoller zu machen, kann über folgenden Link beginnen: https://archives-quickaccess.ch/search/stazh/plan.

Kontakt:
Staatsarchiv des Kantons Zürich
Winterthurerstrasse 170
CH-8057 Zürich
Telefon+41 43 258 50 00
Fax+41 43 258 52 49
staatsarchivzh@ji.zh.ch
www.staatsarchiv.zh.ch

QuelleGemeinsame Medienmitteilung der Direktion der Justiz und des Innern und der Baudirektion, Kanton Zürich, 6.5.2020

Podcast zum Stasi-Unterlagen-Archiv

Was genau machen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Archiv? Wer nutzt die Akten und warum? Wie diskutieren Forschende, Interessierte sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen über die DDR und das Wirken der Stasi? Wie wichtig sind historische Orte für ein historisches Archiv?

Seit April 2020 ist „111 Kilometer Akten. Der offizielle Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs“ auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen online. Moderiert von Sprecherin Dagmar Hovestädt und dem freien Radio-Journalisten Maximilian Schönherr, der die Idee zum Podcast an den BStU herangetragen hatte, will die Reihe Einblicke in die Arbeit des Stasi-Unterlagen-Archivs geben und den Dialog mit Nutzerinnen und Nutzern der Akten suchen (Folge 0).

Episoden mit Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Nutzerinnen und Nutzern wechseln sich ab mit Veranstaltungsmitschnitten von Events des Stasi-Unterlagen-Archivs. Dabei geht es um historische und aktuelle Themen aus der Beschäftigung mit dem Archiv und seiner Geschichte, die durch eine kurze Diskussion der beiden Moderatoren über die Folge eingeleitet wird. Jede Episode endet mit einem Ton-Beispiel aus dem Archiv, präsentiert von der Dokumentarin Elke Steinbach (BStU).

In der Auftakt-Folge 1 spricht der Bundesbeauftragte Roland Jahn über seine Erfahrungen in der DDR und seine langjährige Beschäftigung mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur und erläutert die Zukunft des Archivs.

In Folge 2 spricht die Wissenschaftlerin Anne Pfautsch mit Maximilian Schönherr über ihre Suche nach historischen Quellen zur DDR-Fotografie und Familienforschung im Stasi-Unterlagen-Archiv.

Folge 3: Ab dem Dezember 1989 besetzten mutige Bürgerinnen und Bürger die Dienststellen der Stasi in Erfurt und anderen Städten der DDR und schließlich im Machtzentrum des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin. In unserem Podcast kommen zwei Zeitzeugen sowie ein Historiker zu Wort, der die Vernichtungsaktionen der Stasi wissenschaftlich untersucht hat.

Folge 4: Dr. Karsten Jedlitschka arbeitet seit 2007 beim BStU, zunächst im Archiv und seit 2017 betreut er die Anträge von Forschern und Journalisten, darunter auch solche zu Akten aus der NS-Zeit. Er hat zudem einen Faible für die Geschichte des Archivwesens.

Folge 5: Im März 1989 stürzte der DDR-Flüchtling Winfried Freudenberg mit einem selbstgebauten Ballon in West-Berlin in den Tod. Die Künstlerin und Autorin Caroline Labusch hat die tragische Geschichte des letzten Mauertoten rekonstruiert. Im Gespräch reflektiert sie die Stasi-Akten, die sie für ihr Buch „Ich hatte gedacht, wir können fliegen“ ausgewertet hat.

Kontakt:
Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU)
Karl-Liebknecht-Straße 31/33
10178 Berlin
Telefon: 030 2324-50
Telefax: 030 2324-7799
post@bstu.bund.de
www.bstu.de