„Junges Archiv“ mit Forschergeist – „Gott und die Welt“: Themenabend im Stadtarchiv Münster
235 Jugendliche aus Münster sind der Aufforderung des Bundespräsidenten gefolgt und haben ein halbes Jahr zum Thema „Gott und die Welt. Religion macht Geschichte“ im Rahmen des Geschichtswettbewerbs geforscht. Sie gingen mit mehr als 5000 jungen Menschen in ganz Deutschland auf die Spurensuche nach religiöser Vielfalt, unbedingtem Glauben, nach verbotener Seelsorge, nach Kirchenriten und Konflikten. Viele Beiträge aus Münster wurden mit Auszeichnungen geehrt – auch die vier Arbeiten, die von ihren jungen Autorinnen und Autoren persönlich beim Themenabend des Stadtarchivs Münster am Donnerstag, 23. November 2017, 18 Uhr, vorgestellt werden. Die Zuhörer dürfen sich auf einen spannenden Abend freuen, wird doch so manches faszinierende Kapitel aus Münsters Stadtgeschichte aufgeschlagen.
Landespreisträger sind Carina Ebert, Johanna Tiemann, Ivan Dubrovin und Greta Hamidi bereits. Ob gar noch einer der begehrten fünf ersten Bundessiege nach Münster geholt werden kann, entscheidet sich am Tag zuvor beim feierlichen Finale des Geschichtswettbewerbs (22. November) im Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Mit ihrer Themenwahl zu den Auswirkungen der Türkenkriege in Münster bewies Carina Ebert vom Annette-Gymnasium viel Mut, besaß sie wie viele über diese Belagerungen und Schlachten zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert doch kaum Wissen. Das aber spornte die 15-Jährige umso mehr an. Nach dem Bücherstudium setzte sie ihre Recherchen unbeirrt in Archiven fort, vertiefte sich in die Schriften der Frühen Neuzeit. Nur beim Entziffern der lateinischen Texte musste sie passen – da half der Lateinlehrer aus. Am Ende ihrer intensiven Forschungen stellt die junge Münsteranerin fest, dass auch früher schon die Religion für Kämpfe und Kriege instrumentalisiert wurde. Ihr Wunsch: „Dass wir alle aus der Geschichte lernen und menschliches Zusammenleben ohne religiöse Konflikte gestalten.“ Katholische Kirche und NS-Regime Johanna Tiemann hinterfragt die Rolle der niederen Geistlichkeit im Konflikt zwischen katholischer Kirche und NS-Regime. Dabei geht die ehemalige Friedensschülerin von einer Konkurrenz zwischen den zwei verschiedenen Weltanschauungen aus. Die inzwischen in Münster studierende junge Forscherin hat das Verhalten zahlreicher Priester im Hinblick auf die von den Nationalsozialisten verbotene seelsorgerische Betreuung der polnischen Bevölkerung („Polenseelsorge“) untersucht. Eine Arbeit mit einem besonderen persönlichem Bezug: Ein Urgroßonkel der Autorin war in jenen Jahren Priester, der 1945 – drei Jahre nach seiner Deportation – qualvoll im Konzentrationslager Dachau starb. Da sucht eine Tochter die Heiratsurkunde ihrer Eltern, die im Nachkriegsmünster von einem russisch-orthodoxen Priester verheiratet worden waren. Zufällig erfährt Ivan Dubrovin, Schüler des Wilhelm-Hittorf-Gymnasiums, davon. Und setzt sich auf die Spur. Er wusste: Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es größere Lager in Münster und im Münsterland, in denen ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, die noch nicht in ihre Heimatländer zurückgekehrt waren, untergebracht waren. Hat es dort auch eine russisch-orthodoxe Gemeinde gegeben, einen Priester, eine Kirche? Der 17-Jährige fügte in mehreren Archiven die Puzzlesteine zusammen und brachte mit seiner konsequenten Spurensuche Licht in einen noch dunklen Bereich der Stadtgeschichte. Die Informationen, die Ivan zusammengetragen hat, weisen tatsächlich auf eine frühe russisch-orthodoxe Gemeinde in Münster hin.
Um zwei Frauengestalten am Südportal der Lambertikirche kreist der Wettbewerbsbeitrag von Greta Hamidi (Marienschule). Es geht um „Synagoge“ und „Ecclesia“: Die eine hält in der Hand ein ihr entgleitendes Schriftstück mit hebräischen Buchstaben, die Augen durch ein Tuch verbunden. Die andere – mit Kelch und Stangenkreuz mit Fahne – trägt auf dem Kopf eine Krone. Von den beiden Figuren ist die Schülerin der Klasse elf irritiert und fasziniert. Stammen sie tatsächlich aus dem Mittelalter? Wie reagierten Christen und Juden in Münster in der Vergangenheit auf diese antijudaistische Darstellung? Sollte man sie nicht einfach entfernen? Auf diese Fragen fand die Gymnasiastin viele Antworten, musste aber mitunter auch feststellen, dass Prozesse und Tatsachen verschwiegen werden, um sich nicht auseinandersetzen zu müssen. Am Ende datiert sie das Figurenensemble auf das frühe 20. Jahrhundert, womit es ein Ausdruck des beginnenden politischen Antijudaismus in dieser Zeit gewesen sein könnte. „So bleibt es ein Mahnmal für uns alle“, schreibt Greta.
Info:
Themenabend am 23. November 2017, 18 Uhr.
Stadtarchiv Münster
An den Speichern 8
Der Eintritt ist frei, um Anmeldung wegen begrenzter Plätze bittet das Stadtarchiv unter
Telefon (02 51) 4 92 47 08 oder per E-Mail archiv@stadt-muenster.de .