Um die interessierte Öffentlichkeit über aktuelle Herausforderungen, aber auch über historische Themen rund um die Arbeit des Stadtarchivs Gera zu informieren, erscheint ab Februar 2017 quartalsweise unter dem Namen „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ ein Informationsbrief. Dabei sollen einerseits unter wechselnden Rubriken die Bestände des Geraer Stadtarchivs vorgestellt und Einblicke in die Archivarbeit gewährt werden. Anderseits sollen historische Ereignisse und deren Akteure mit ihren Auswirkungen auf die Stadt- und eventuell sogar auf die Landes- und Weltgeschichte in Erinnerung gerufen werden. Das Stadtarchiv Gera möchte mit dieser Initiative vorrangig auf spannende Forschungsthemen verweisen und Impulse zur weiterführenden Beschäftigung mit der Stadtgeschichte geben.
Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 1/2017
- Was ist ein Archiv?
- „Aberglaube um die Osterzeit im Reußenlande“
- Fundstücke aus dem Stadtarchiv – Teil 1
- Publikationen zur Stadtgeschichte – Teil 1
„Aberglaube um die Osterzeit im Reußenlande“
Unter der der Überschrift „Aberglaube um die Osterzeit“ informierte in der Sonntagsausgabe vom 1. April 1928 der Autor Adolf Schindewolf im „Reußischen Erzähler“ über mehr oder weniger sinnvolle, sehr wohl aber über die Gedanken- und Lebenswelt unserer Vorfahren Aufschluss gebende Bräuche. Wer für die diesjährigen Osterfeiertage seine Programmplanungen noch nicht abgeschlossen hat, kann aus den nachfolgenden Zeilen die eine oder andere Anregung für Unternehmungen entnehmen.
Im christlichen Festkalender markiert das Osterfest nach religösen Vorstellungen traditionell die Wiederauferstehung Jesu Christi, der als Sohn Gottes den Tod und damit das ihm widerfahrende Unrecht überwunden hatte. So trug neben heidnischen Gebräuchen und der Beobachtung von Naturphänomenen (Frühlingserwachen) auch die Erinnerung an diese christliche Begebenheit einen entscheidenden Teil zur Entwicklung des Osterbrauchtums bei.
Genau genommen beginnt die Osterzeit schon am Palmsonntag, das heißt dem letzten Sonntag der vierzig Tage umfassenden Fastenzeit, die mit dem Aschermittwoch ihren Auftakt nimmt. In der evangelischen Kirche wird dieser Zeitraum auch als Passionszeit bezeichnet. Nicht umsonst vermieden es demnach die älteren Bewohnerinnen der reußischen Dörfer am Palmsonntag mit Nadel und Faden umzugehen – schließlich sollte Jesus nicht ein zweites Mal, im übertragenen Sinn festgenagelt werden.
Gründonnerstag
In der chronologisch auf Palmsonntag folgenden Karwoche konzentrierte sich die Mehrzahl der Sitten und Gebräuche. So war es unter anderem üblich am Gründonnerstag ausschließlich grüne Nahrungsmittel wie Kresse oder Spinat zu verzehren. Einem besonderen Naturschauspiel könne wohl derjenige beiwohnen, der sich am frühen Morgen dieses Tages um 6 Uhr auf einen Hügel begibt. Von dort aus sei in der Wolkenformation sichtbar wie Jesus ins Richthaus gebracht wurde.
Karfreitag
Ein ähnliches Naturschauspiel wurde auch den Morgenstunden von Karfreitag nachgesagt. Hinzu kam allerdings noch die Beobachtung, dass in der Stunde, in welcher sich das Kreuzigungszeremoniell exakt jährt, der Sonnenball von einer zuckenden Bewegung durchzogen werde. Darin artikuliere sich der Schmerz Jesu Christi bei dessen Kreuzigung, der anhand dieses Himmelsschauspieles sichtbar werde.
Darüber hinaus wurde aber vor allem den Karfreitagseiern eine besondere Bedeutung beigemessen. Sie sollten nämlich die Kraft besitzen, ein ausgebrochenes Feuer zu löschen, was in manchem Fall aber dann doch eher der herbeieilenden Feuerwehr zu verdanken gewesen sein dürfte. Des Weiteren wurde der Glaube vertreten, dass Verletzungen, die man sich an diesem Tag zugezogen hat, niemals wieder heilten. Ein immer noch lebendiger Brauch dürfte das Holen des Osterwassers, das sich in Wein verwandeln soll, darstellen. Im Rahmen dieser Prozedur darf allerdings kein Wort gesprochen werden, da sich das Wasser sonst nicht in Wein verwandelt und sich somit auch die „Zauberkräfte“ des Elixiers nicht entfalten können. Wer sich mit dem Osterwasser wäscht, soll von seinen Krankheiten geheilt werden. Ebenso soll der Konsum des Wassers Schönheit verleihen. Allerdings beschränkt sich die Heilkraft ausschließlich auf das Wasser, über das schon eine Kindstaufgesellschaft, ein Brautpaar und ein Leichenzug hinweggeschritten sind.
Ostersonntag
Auch der Ostersonntag bietet hinsichtlich der Krankheitsvorbeugung einige Anregungen. Zum Schutz vor Krankheiten wurde empfohlen, frühmorgens nüchtern ein Ei zu essen. Gefolgt von drei Luftsprüngen sollten sich dadurch die Vitalität und das Wohlergehen der betreffenden Person schon zeitnah erhöhen.
Eine altbekannte Sitte stellt auch das Eierwerfen dar, bei dem die Ostereier auf einer Wiese in die Luft geworfen werden, um die aufgehende Ostersonne auf diese Weise zu begrüßen. Das Osterei versinnbildlicht darüber hinaus die im Frühling erwachende, mit neuer Lebensenergie geladene Natur und fungiert somit als Symbol des Lebens. Die bisweilen kunstvolle Bemalung der Ostereier stellt keine neuzeitliche Erfindung dar. Beispielsweise in Ägypten brachten archäologische Untersuchungen mehrere Jahrtausende alte, verzierte und bemalte Straußeneier zum Vorschein. Dass der Osterhase am Ostersonntag die bemalten Eier versteckt, sei wohl auf germanische Bräuche zurückzuführen, wie der eingangs erwähnte Beitrag aus dem „Reußischen Erzähler“ ausführte.
Neben der Figur des Osterhasen und den Ostereiern hat sich auch das Osterfeuer bis in unsere Gegenwart als gern fortgeführter Brauch zur Pflege des geselligen Miteinanders tradiert.
Abb.: Zeitungsbeitrag aus der Volkswacht vom 25. März 1967 (Stadtarchiv Gera).
Wenngleich wir heute den einen oder anderen Brauch unserer Vorfahren verständnislos belächeln mögen, so verfügt die Botschaft hinter dem Entstehen derartigen Brauchtums doch noch immer über unumschränkte Gültigkeit. Schließlich sollten die Feiertage zur inneren Einkehr und Besinnung genutzt werden.
Einmal mehr zeigt sich auch anhand dieser Überlieferung zu Osterbräuchen, welch‘ unerschöpflichen Materialfundus unsere Archive dem interessierten Benutzer bieten können.
Genutzte Quellen aus dem Stadtarchiv Gera:
- Nachlass Ernst Paul Kretschmer, Nr. 150;
- Nachlass Heinz Gerisch, Nr. 43;
- Materialsammlung, Nr. 774.
Kontakt:
Stadtarchiv Gera
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Leiterin des Stadtarchivs: Christel Gäbler
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Quelle: Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 1/2017
Eine Berichtigung sei mir erlaubt: In Ihrem lesenswerten und interessanten Beitrag schreiben Sie: „Genau genommen beginnt die Osterzeit schon am Palmsonntag, […]“. Das ist – genau genommen – falsch, denn der Palmsonntag (Palmarum) ist der letzte Sonntag der Passionszeit, mit dem die Karwoche (in der man insbesondere dem Leiden Christi gedenkt und die eben nicht zu Ostern gehört) beginnt, die mit der Osternacht – der Nacht vor den Osterfeiertagen – endet.
N.B.: Es ist schön, dass mit dieser Reihe eine neue Quartalsschrift ihren Anfang nimmt! Viel Erfolg dafür!