Goethe, Darwin und Rüppell ziehen um ins Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main
Ein von Goethe 1821 verfasster Dankesbrief an Senckenberg, ein Brief des wohl bis heute einflussreichsten aller Biologen, Charles Darwin von 1873 oder Fotos des berühmten Frankfurter Naturforschers Eduard Rüppell in arabischer Tracht – diese und mehr als 150 Regalmeter weiterer Archivalien der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) ziehen ins Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main um. Das Senckenberg-Archiv sammelt wissenschaftshistorische und zeitgeschichtliche Unterlagen, die in Zusammenhang mit allen Arbeitsgebieten Senckenbergs stehen und dokumentiert gleichzeitig die Geschichte der Gesellschaft. Im Institut für Stadtgeschichte stehen mehr Platz zur Lagerung des ständig wachsenden Archivs, Fachleute für Papierrestauration und berührungsfreie Scanner zur Verfügung. Ein weiterer großer Vorteil: Der Lesesaal ermöglicht eine professionell organisierte Einsichtnahme und macht den Zugang zur den Archivalien deutlich einfacher. Eigentümerin des Archivs bleibt die SGN.
Abb.: Ausschnitt aus dem ältesten Mitgliederverzeichnis der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit Eintrag Darwins
„Heute können wir uns über einen herausragenden Zuwachs für unser Haus freuen“, führte Dr. Evelyn Brockhoff, Leitende Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte, bei der Übergabe des Archivs der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung aus. Die Senckenberg-Dokumente seien als „Historisches Gedächtnis“ einer der wichtigsten deutschen Forschungseinrichtungen im Feld der Biologie ein großer Gewinn für ihr Haus. Dr. Brockhoff: „Im Institut lagern bereits die Archive der Dr. Senckenbergischen Stiftung, des Physikalischen Vereins und ähnlicher Einrichtungen. Es erfüllt mich mit großer Freude, dass nun auch das Archiv der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung den Weg zu uns gefunden hat.“
„Der Dank für die Vorbereitung und die professionelle wie zügige Abwicklung der Übernahme geht an die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Einrichtungen“, betonte Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Das Senckenberg-Archiv geht in seinen Anfängen auf das Gründungs-Jahr 1817 zurück; im nächsten Jahr steht also ein großes Jubiläum an. Seitdem ist die Senckenberg Gesellschaft erheblich gewachsen und aktuell Trägerin von sechs Forschungsinstituten und drei naturkundlichen Museen. Mit der Gesellschaft, so Mosbrugger, sei auch der Archivbestand angewachsen: „Der Entschluss zur Kooperation mit dem Institut für Stadtgeschichte war für uns naheliegend, da dort zukünftig eine fachlich und lagerungstechnisch professionelle Betreuung gesichert ist. Besonders wichtig war uns, diese bedeutenden Archivalien interessierten Forscherinnen und Forschern besser zugänglich zu machen.“ Das Eigentumsrecht verbleibt bei Senckenberg.
„Gute klimatische Bedingungen und eine der historischen Bedeutung der Dokumente entsprechende adäquate Lagerung sind Garanten für die zukünftige Nutzung und Auswertung des Senckenberg-Archivs“, erläutert Dr. Joachim Kemper, Leiter der Abteilung Sammlungen, die fachlichen und räumlichen Gegebenheiten des Instituts. Das moderne Außenmagazin des Instituts in der Borsigallee verfügt über eine sogenannte „natürliche Klimatisierung“; auch für den Bereich der Restaurierung und Konservierung sind Expertinnen im Haus tätig. Die Nutzung der Dokumente ist im Lesesaal des Instituts möglich, der von Montag bis Freitag geöffnet ist. „Wir freuen uns, dass für wissenschaftshistorische und andere Fragestellungen zukünftig ein weiterer herausragender Bestand bei uns genutzt werden kann. Auch ausgewählte Digitalisierungen sind ohne weiteres möglich“, sagt Kemper.
Zu den Archivalien gehören nicht nur Publikationen, handgeschriebene Briefe, Urkunden und Protokolle sondern auch historische Baupläne, Plakate, Fotografien, Gemälde und Skulpturen. Eines der wertvollsten Objekte des Archivs ist ein Brief Goethes aus dem Jahre 1821 anlässlich seiner Ernennung zum korrespondierenden Mitglied Senckenbergs. Auch die Korrespondenz mit weiteren „Prominenten“ wie Charles Darwin sowie zwei seiner Söhne ist in den Akten erhalten.
Die Anfänge ganzer Wissenschaftszweige, wie etwa der Mikropaläontologie, lassen sich im Archiv nachvollziehen. Zu den Meilensteinen aus den Anfängen der Naturwissenschaft gehören zum Beispiel die beiden ersten Versuche, der unendlichen Vielfalt der Lebewelt ein System zu geben – sie stammen von Conrad Gesner (1558) und dessen Vorgänger Plinius d. Ä. in einer Edition aus dem Jahre 1512. Umfangreich dokumentiert sind auch Expeditionen, wie die erste deutsche Tiefsee-Expedition „Valdivia“, die 1898 in See stach, und in 28 Bänden eindrucksvoll fotografisch erfasst ist. Ebenso ist das Forscher- und Entdeckerleben bedeutender Senckenberger wie Eduard Rüppell (1794-1884), dem wichtigsten Begründer der Senckenbergischen Forschungssammlungen, repräsentiert.
Zu den wichtigsten Dokumenten der Geschichte der Senckenberg Gesellschaft gehört das erste im November 1867 angelegte Mitgliederverzeichnis. Handschriftliche Randnotizen lassen erahnen, dass vor genau 150 Jahren die Senckenberger damit begonnen haben, ihre Geschichte in einem Archiv zu bündeln. Weitere Glanzstücke sind die Originalverträge zwischen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft (SGN) und der Dr. Senckenbergischen Stiftung zum Neubau des Museums (1904 – 1907) oder Bauzeichnungen des neuen Senckenbergmuseums an der Viktoria-Allee (heute Senckenberganlage), erstellt an der Schwelle zum 20. Jahrhundert von Architekt Ludwig Neher. Dokumente zur Jahrhundertfeier der SNG 1917 sind zugleich Zeugen der Weltgeschichte – etwa die an den Zaren von Bulgarien gerichtete Korrespondenz des Senckenberg Direktors August Knoblauch und die Antwortdepesche der königlichen bulgarischen Gesandtschaft, um nur ein Beispiel unter vielen zu nennen.
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Quelle: Institut für Stadtgeschichte, Presseinformation, Frankfurt am Main, 18.10.2016