Aus der Serie „Geschichtsort Archiv“
Heimsheims Bürgermeister Jürgen Troll staunte nicht schlecht, als ihm Dr. Bernhard Fuchs ein gutes Dutzend historischer Dokumente in die Hand drückte: Alles andere als Dutzendware, nämlich eine wertvolle Ergänzung für das kriegsgebeutelte Stadtarchiv Heimsheim sind die dreizehn Papiere aus den Jahren 1633 bis 1833. Fuchs, selbst Heimsheimer Bürger, hatte die die Stücke aus dem Nachlass seiner Tante Helene Völmle erhalten.
Abb.: Dr. Bernhard Fuchs (rechts) übergab wertvolle historische Dokumente an Heimsheims Bürgermeister Jürgen Troll (links) und Kreisarchivar Konstantin Huber, der die Dokumente sichtete (Foto: Moch/Stadtverwaltung Heimsheim).
„Damit sind die Schriften deutlich älter als die bislang vorhandenen Unterlagen im Stadtarchiv“, freut sich Schultes Troll. Bei der Zerstörung der Stadt 1945 war das alte Rathaus und mit ihm der Großteil der Akten in Flammen aufgegangen. Der im Jahr 2004 vom Kreisarchiv des Enzkreises geordnete Bestand umfasst zwar einige Dokumente, die aus der Zeit vor 1945 stammen, doch absolut nichts vor dem Jahr 1831.
„Jetzt besitzen wir wenigstens ein paar wirklich historische Dokumente“, freut sich Troll. „Wenngleich der Umfang unserer Bestände relativ klein bleibt, haben wir altersmäßig nun die Archive von Nachbarorten wie Lehningen, Wimsheim oder Iptingen übertroffen“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Das älteste der „neuen alten“ Dokumente ist ein Taufschein für Dorothea Götz aus Kollbrunn bei Winterthur, die wie zehntausende andere Wirtschaftsflüchtlinge nach dem Dreißigjährigen Krieg nach Württemberg kam. Sie heiratete 1665 den Heimsheimer Bürger Michel Rieder – im Ehebuch ist ihr Geburtsort als „Gollbronn“ eingetragen, wie Kreisarchivar Konstantin Huber berichtet; ihm hatte die Stadt die Papiere zur Begutachtung übergeben.
Abb.: Das seit neuem älteste Dokument im Heimsheimer Stadtarchiv: Taufschein des Pfarrers J.U. Schweytzer aus Zell im Kanton Zürich für die 1633 geborene Dorothea Götz (Foto: Enzkreis)
Gleich mehrere Schriftstücke betreffen Streitigkeiten Heimsheims mit den Nachbargemeinden Hausen, Mühlhausen und Tiefenbronn über Steinbrüche oder den Einzug von Steuern und Wegegeld. Dazu gehören zwei Verträge von 1683 und von 1744. Ein Schiedsspruch der aus dem Haus Thurn und Taxis gebürtigen Herzogin-Witwe Maria Augusta von Württemberg entschied, ebenfalls 1744, über Streitpunkte mit der damals noch relativ jungen Waldensersiedlung Perouse: Dabei ging es um eine Schießstätte, die Haltung von Schafen, Holzhieb und das „Hund-Auffstocken“.
Abb.: Sieben Siegel von Heimsheimer Bürgern unter einem Testament von 1806 (Foto: Enzkreis)
Ebenfalls enthalten sind ein Reskript ihres Sohnes, Herzog Friedrich Eugen von Württemberg, über Kosten der Napoleonischen Kriege. Auch die Testamente der Heimsheimer Bürger Michel Anßel (Anselm) und Andreas Schlientz finden sich in dem Konvolut. „Sage und schreibe 25 rote und schwarze Lacksiegel, darunter die der Stadt Heimsheim und der Familie von Gemmingen, illustrieren hübsch die historischen Schriften“, berichtet Huber.
Abb.: Ein Reskript Herzog Friedrich Eugens von Württemberg von 1797 über Kriegskosten (Foto: Enzkreis)
Warum aber sind die Stücke überhaupt erhalten geblieben? Helene Völmle, Tante von Dr. Fuchs, war eine Tochter des Heimsheimer Stadtschultheißen Otto Völmle. Der Amtsvorvorgänger von Jürgen Troll amtierte fast vierzig Jahre in der Schleglerstadt, von 1904 bis 1941. „Völmle beschäftigte sich intensiv mit Heimatkunde“, weiß Kreisarchivar Huber. Unter anderem stammt die gedruckte Aufsatzsammlung „Chronik der Gemeinde Heimsheim“ von ihm.
Völmle müsse die Dokumente wohl den städtischen Archivbeständen entnommen und dann nicht wieder integriert haben, vermutet Huber und mahnt: „Derartige Vorgänge bedeuten normalerweise das dauerhafte Verschwinden der Unterlagen“. In diesem Fall war es ausnahmsweise anders – denn Völmle rettete die 13 Schriftstücke (unabsichtlich) vor der sicheren Zerstörung.
Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung, 25 / 2016, 22.2.2016