Das Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg feierte am 22. Oktober 2014 sein 50-jähriges Bestehen mit einem Festakt. Anlässlich des Jubiläums fand die Freischaltung der virtuellen Ausstellung „Die Gesichter des Deutschen Kunstarchivs“ statt. Sie zeigt 460 einzigartige, zumeist nie zuvor gezeigte Fotografien von Künstlern sowie Kunstwissenschaftlern aus den verwahrten Vor- und Nachlässen.
Der Maler und Grafiker Walter Gramatté
Die virtuelle Ausstellung bietet in zwölf Kapiteln 460 digitale Exponate, die auf Fotografien aus dem Deutschen Kunstarchiv beruhen. Zu sehen sind Portraits, aber auch situative Bilder von rund 250 Bestandsbildner/innen, also von Personen, die durch Vor- oder Nachlässe im Deutschen Kunstarchiv vertreten sind. Nicht alle Bestandsbildner/innen sind damit erfasst. Die zeitliche Spanne erstreckt sich von ca. 1870 bis in die 1990er Jahre hinein.
Das Projekt „DigiPortA“
2012 startete das Projekt „DigiPortA – Digitalisierung und Erschließung von Porträtbeständen in Archiven der Leibniz-Gemeinschaft“. Neun Archive der Leibniz-Gemeinschaft hatten sich mit dem Ziel zusammengeschlossen, insgesamt rund 33.000 Portraits aus ihren Sammlungen innerhalb von drei Jahren zu digitalisieren, zu erschließen und – sofern keine rechtlichen Beschränkungen bestehen – in einem gemeinsamen Onlineportal im Frühjahr 2015 zugänglich zu machen.
Auch das Deutsche Kunstarchiv ist Projektpartner. Aus seinen Vor- und Nachlässen wurden insgesamt über 4.000 Portraits – vorrangig Fotografien, aber auch Zeichnungen und Druckgrafiken – recherchiert, gescannt und mit Metadaten sowie beschreibenden Texten in die Datenbank aufgenommen.
Da die Portraits im Deutschen Kunstarchiv nicht separiert aufbewahrt werden, war die Recherche relativ aufwendig. Alle knapp 1.400 Bestände mussten einzeln durchgesehen werden. Dabei wurde die Gelegenheit genutzt, die Fotografien mit ihren Signaturen zu versehen und konservatorisch fachgerecht abzulegen. Ein Anliegen war es, nicht nur die ohnehin schon bekannten Personen wie beispielsweise Franz Marc, Otto Dix oder Ernst Wilhelm Nay zu erfassen, sondern auch den Personen aus etwas weniger genutzten Beständen wie Wilhelm Engel, Harry Fränkel oder Lili Schultz ein Gesicht zu geben. Hinzu kamen zahlreiche Familienbilder sowie Portraits von Freunden, Kollegen und Bekannten. Viele Fotografien waren leider unbeschriftet, so dass die Fotograf/innen beziehungsweise die Dargestellten nicht immer ermittelt werden konnten. Es wurden jedoch nur Portraits von namentlich bekannten Personen aufgenommen.
Die Projektidee für „Die Gesichter des Deutschen Kunstarchivs“
Schon bald folgte der Wunsch nach Struktur und Gruppierungen der kaum zu überblickenden Bilderflut, nach einer thematischen Herangehensweise und nach einer Fokussierung auf die eigenen Bestandsbildner/innen. So entstand die Idee zu dieser virtuellen Ausstellung. Aus den über 4.000 Bildern wurden 460 exemplarische Fotografien ausgewählt.
Auswahlkriterien
Bei der Auswahl war das erste Kriterium, dass es sich nur um Fotografien von Personen mit einem eigenen Bestand im Deutschen Kunstarchiv handelte. Bilder von Familienangehörigen, Freunden oder Kollegen wurden somit ausgeschlossen, außer sie sind mit der/dem Bestandsbildner/in gemeinsam abgebildet. Sodann spielten die Qualität der Aufnahme, die Aussage- und Wirkkraft, aber auch der historische Quellenwert der Bilder eine Rolle. Und nicht zuletzt war die juristische Situation ausschlaggebend, da einige Bilder – auch nach aufwendigen, sich über Monate erstreckenden Recherchen – aus urheberrechtlichen oder Personenschutzgründen nicht im Internet gezeigt werden können.
Selbstverständlich wurde darauf geachtet, ob namhafte Berufsfotograf/innen unter den Urheber/innen sind. Es erstaunt, wie viele Künstler/innen und Kunstwissenschaftler/innen bekannte Fotograf/innen um Aufnahmen ihres Konterfeis baten. So konnten – neben den zahlreichen Laienfotografien – beispielsweise Aufnahmen von Minya Diez-Dührkoop, Hugo Erfurth, Fritz Hege, Edmund Kesting, Robert Lebeck, Stefan Moses, Albert Renger-Patzsch, Regina Schmeken oder Umbo ausfindig gemacht werden.
Die thematische Gliederung
Eine thematische Gliederung in zwölf Kapitel ermöglicht einen strukturierten Zugriff auf die Vielfalt der im Deutschen Kunstarchiv verwahrten Fotografien. Das größte Kapitel enthält mit 150 Aufnahmen die Einzelportraits. Familien-, Paar- oder Freundschaftsbilder bieten einen intimen Blick auf die Künstler in privater Atmosphäre. Man erhält Einblick in das Privatleben – auch bei Bildern, die am Schreibtisch oder auf Reisen entstanden. Aufnahmen aus den Künstlerwerkstätten, der Akademie, von Ausstellungen oder bei geselligen Festen vermitteln anschaulich den sozialen Kontext, die jeweilige Zeittypik und Situation. Viele Bestände enthalten zudem Fotografien ihrer Protagonisten, die uniformiert während des Kriegs abgelichtet wurden. Vom Repräsentationsbild über das Atelierbild bis hin zum persönlichen, ja familiären Gelegenheitsbild eröffnet die virtuelle Ausstellung alle Facetten des privaten wie beruflichen Lebens der ausgesuchten Künstler/innen und Kunstwissenschaftler/innen.
Forschungsrelevanz
Die Fotografien enthalten vielerlei Informationen, die in erstaunlicher Weise zur Rekonstruktion einzelner Lebensverläufe von Künstler/innen und Kunstwissenschaftler/innen beitragen, wie sie sonst nur auf der Basis von Textdokumenten erstellt werden können. Die Beschäftigung mit den Fotografien soll dazu anregen, tiefer in die Erforschung von Leben und Werk der einzelnen Dargestellten einzusteigen. Kurzbiografien werden für den ersten Einstieg bereitgestellt. Bildunterschriften, Bildaufschriften, Rückseitenbeschriftungen oder Widmungen können zusätzliche Informationen liefern. Überhaupt ist der Zusammenhang des ausgewählten Bildes zur übergeordneten Sammlung bisweilen aufschlussreich und wird transparent gemacht, um eine quellenkritische Herangehensweise an die jeweilige Vorlage zu gewährleisten. Damit kommt diese virtuelle Ausstellung den Forderungen der Bildwissenschaften nach einer Kontextualisierung und Einbettung von Bildforschung in gesellschaftsgeschichtliche Zusammenhänge nach.
Zudem sind die einzelnen Personendatensätze mit den Normdatensätzen der Gemeinsamen Normdatei versehen, wodurch vielfältige Anknüpfungspunkte an weitere Portale im Internet eröffnet werden. So lassen sich etwa Literatur, Bilder oder biografische Informationen anderer Angebote abrufen. Auch die Verwendung der Daten im Rahmen des Linked Open Data wird somit ermöglicht.
Link:
http://gesichter-des-dka.gnm.de/
Kontakt:
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