Gert Fröbe, Gustav Fröhlich, Jester Naefe, Helen Vita und andere Leinwandstars der fünfziger Jahre kamen nach Limburg an der Lahn, um unter der Regie von Hans H. König einen Film zu drehen. Premiere war am 11. Februar 1954, vor genau 60 Jahren. Was dann aber unter dem Titel "Die kleine Stadt will schlafen gehen" in Düsseldorf uraufgeführt wurde und bald darauf in den Kinos der Republik lief, stieß in Limburg auf Ärger und Unverständnis.
Im Herbst 1953 kam das Filmteam nach Limburg, um hier einige Szenen zu drehen. Zu sehen sind im Laufe des Films u.a. der Dom, die Plötze, der Kornmarkt, die Erbach, der Fischmarkt. Dabei blieb die „Kleine Stadt“ aber namenlos – „ihren Namen wollen wir nicht verraten, wir haben unsere Gründe dafür“, heißt es in der Anfangseinstellung. Die Dreharbeiten begannen am 15. Oktober 1953. Die Berichterstattung darüber war wohlwollend, die Geschichte wird als „recht nett“ bezeichnet. Geschäfte wurden umdekoriert, damit sie den Filmerfordernissen entsprachen. Die Limburger verfolgten die Dreharbeiten mit großem Interesse, und etliche übernahmen Statistenrollen. So wird über einen echten Briefträger berichtet, der mehr als zehn Mal am Schuhhause Brühl vorbeigehen muss, bis die Einstellung stimmt, oder die Männer der Stadtreinigung laufen durchs Bild. Auch „vier junge, frische und reizende Limburger Mädels“ werden gefilmt, wie sie aus der Böhmergasse kommen. Drei Drehtage verbrachte das Filmteam in der Stadt, vor allem an der Plötze. Hier fand eine wichtige Szene mit Enthüllung eines Denkmals statt (ungefähr dort, wo heute das Hattstein-Denkmal steht). Für viel Volk sorgten dabei Vertreter Limburger Vereine mit Fahnen, Schulkinder, Sänger und Turner. Die Kapelle des Ausbesserungswerks war angetreten und unterhielt das Publikum auch während der Drehpausen mit Musik. Versorgt wurden Schauspieler und Komparsen durch die Metzgerei Josef Fischer, die 900 belegte Brötchen lieferte. Regisseur König war mit der Unterstützung so zufrieden, dass er von einem Fenster aus dem Publikum zurief: „Ich stelle fest, dass die Limburger sehr gute Filmschauspieler sind.“ Die Berichterstattung über die Dreharbeiten endet mit dem Wunsch: „Hoffen wir, daß der Film ein künstlerisches Niveau trägt und daß Limburg dadurch noch bekannter wird.“ Während der Dreharbeiten erhielt Bürgermeister Joseph Schneider einen Brief von der „Königfilm GmbH“, mit dem für die große Unterstützung in Limburg gedankt wurde.
Zur Premiere des Films, dessen Titel inzwischen von „Sieben Sünden“ auf „Die kleine Stadt will schlafen gehen“ geändert war, reiste Sonderberichterstatter Paul Dogan für den „Nassauer Boten“ nach Düsseldorf. In seinem Bericht, der eine drei-viertel Seite einnimmt, betont er: „Die kleine Stadt ist kein Limburg-Film.“ Dem Regisseur wird vorgeworfen, er sei in seinem Bemühen, einen „deftigen“ Film zu drehen, ins triviale und vulgäre abgerutschte. „Manche Szenen sind sogar peinlich und frivol.“ Tatsächlich ist mehrfach viel nackte Haut zu sehen – in Form von Fotos und Denkmälern. Dazu der Bericht: „Wahrhaftig, wir sind nicht prüde und kennen das Leben. Aber wir sagen: In dieser Form gehört dieser Film nicht auf die Leinwand. Weil er menschliche Sünden nicht an den Pranger stellt, sondern durch seine obszöne Art zur bedenkenlosen Nachahmung auffordert.“ Der Verfasser forderte nicht weniger als Zensur, stellt aber fest: „Wenn aus diesem Film aller Schmutz herausgeschnitten wird, bleibt kaum noch etwas übrig.“ Der katholische Filmdienst stufte den Film als „gefährdend“ ein, vom Besuch wurde abgeraten. Von evangelischer Seite wurde zur Wachsamkeit aufgerufen und die Zweideutigkeiten verurteilt. Zu einem ganz anderen Urteil kam die „Filmwoche“: „Mit leichter Hand inszeniert, beschwingte Kleinstadt-Geschichte voll ergötzlicher Episoden.“ Dem wollte in Limburg niemand zustimmen.
Was wurde Schlimmes gezeigt? Ein Posttransport wurde ausgeraubt, doch statt des erhofften Geldes erbeuteten die Gangster nur Briefe. Sieben Honoratioren der kleinen Stadt fürchten nun, ihre Korrespondenz – Bestellung von Aktfotografien, Alimentenschecks und ähnliches – würde in die falschen Hände geraten. Sie haben den Bildhauer Peter Bruck (Gustav Fröhlich) im Verdacht, der in der Stadt als Künstler und alleinerziehender Vater ein Außenseiter ist. Der macht sich einen Spaß daraus, die ehrbaren Bürgerinnen und Bürger in dem Glauben zu lassen. Aus heutiger Sicht dreht es sich in diesem Film um Harmlosigkeiten, in den restaurativen fünfziger Jahren war dies ein Skandal. Fehlender Respekt vor der Obrigkeit, kein großzügiges Hinwegsehen über Doppelmoral und Verstoß gegen gesellschaftliche Normen waren Tabus. In einem Leserbrief machte sich ein wütender Bürger Luft: Die Stadtverwaltung „hätte … niemals gestatten dürfen, daß die Bischofsstadt herhalten mußte für eine einzige Kundgebung der Geschmacklosigkeit, die hier vor sich geht. … Limburg ist auf dem besten Wege, sich durch betonte Amoralität einen Namen zu machen. Das dürfte dem Ruf der Stadt nicht gerade förderlich sein.“ Der Bürgermeister wies darauf hin, dass die Filmleute nie eine Konzession für die Dreharbeiten beantragt hatten oder bekamen. Es habe keine gesetzliche Möglichkeit gegeben, die Filmarbeit zu unterbinden. Den Filmemachern wurde vorgeworfen, das Vertrauen der Limburger missbraucht zu haben. Wenige Tage nach der Uraufführung verlangte der Stadtjugendausschuss, dass der Film in Limburger Kinos nicht gezeigt werden dürfe. Der Kinobetreiber war zunächst damit einverstanden, musste aber, um einer Konventionalstrafe wegen Vertragsbruch mit der Verleihfirma zu entgehen, den Film doch ins Programm aufnehmen.
An Fastnacht lieferte der Film reichlich Stoff für Büttenredner. In der Fastnachtsausgabe „De närrisch Schote“ des Nassauer Boten findet sich der (fingierte) Bericht, Ex-König Faruk von Ägypten wolle nach Limburg kommen, da er an Schlaflosigkeit leide. Er habe so gut wie bei „Die kleine Stadt will schlafen gehen“ schon lange nicht mehr geschlafen. Auch das Friedel-Kloos-Quartett besang das Ereignis: „Die Plötz, die lag ja völlig brach, man filmte dort an viele Daach. Die Filmleut hatte für drumerum, bestellt weil Publikum. – Wo früher woarn so klaane Lädcher, vis-a-vis der Metzgerei, doo stande uff aamoal nackische Mädcher, ei, ei, ei, ei ….“
Im Stadtarchiv Limburg befinden sich 32 Fotos von den Dreharbeiten an der Plötze, aus denen das große Interesse der Bürger an der Entstehung des Films zu erkennen ist. Die Kinorechte an „Die kleine Stadt will schlafen gehen“ vertritt das Deutsche Filminstitut. Eine Kopie hat das Bundesarchiv, die aus konservatorischen Gründen nicht verleihbar ist.
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Quelle: Stadt Limburg an der Lahn, Pressemitteilung, 11.2.2014